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3.2 Korsarenkrieg im Mittelmeerraum

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Korsarentum

Piraterie und Menschenraub gehören zu den großen Konstanten in der Geschichte des Mittelmeerraums. Schon die Antike sah zahlreiche Seeräuber unterschiedlicher Herkunft im östlichen und westlichen Mittelmeer. Die Römer versuchten immer wieder, das Piratenunwesen im Mare Nostrum, wie sie das Mittelmeer nannten, zu bekämpfen. Mit der Ausbreitung des Islam im 7. Jahrhundert wurde das Korsarentum zu einem Mittel im Kampf gegen die ‚Ungläubigen‘, und zwar sowohl auf christlicher wie auf muslimischer Seite. Muslimische Piratennester entstanden zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert an den Küsten Siziliens und Spaniens. Diesem Trend stellten sich nun christliche Korsaren entgegen, die im 12. Jahrhundert wieder deutlich an Anzahl zunahmen. Ein regelrechter Korsarenkrieg entstand. Dieser trat Anfang des 16. Jahrhunderts in eine neue Phase ein. Das Osmanische Reich und die Barbareskenregentschaften von Algier, Tunis und Tripolis tauchten langsam auf der Bühne auf. Damit nahm das Korsarentum im Mittelmeer völlig neue Dimensionen an.

E

Korsaren und Piraten

Das Wort Korsar findet sich in den romanischen Sprachen des westlichen Mittelmeerraums (frz. corsaire, provenzalisch cursar, ital. corsale, corsare, span. corsario, vgl. auch kroat. gusar) und geht letztlich auf lat. cursus ‚Beutezug‘, eigentlich ‚Lauf‘ zurück; eine spätere Volksetymologie brachte die Korsaren fälschlich mit der Insel Korsika in Verbindung. Eine Kaperfahrt zu unternehmen, bedeutet im Italienischen auf corso zu gehen. Das Wort ‚Korsar‘ kann synonym mit ‚Kaperfahrer‘ verwendet werden.

Der Kaperfahrer im herkömmlichen Sinne besaß einen obrigkeitlichen Auftrag einer kriegsführenden Macht, das heißt, er war mit einem Kaperbrief ausgestattet. Das unterschied den Korsaren vom Piraten, der ohne Vollmacht auf Beutezug ging. Korsaren gab es also nur in Kriegszeiten bezogen auf einen bestimmten Gegner. Es war jedoch ein Spezifikum der Frühen Neuzeit und Neuzeit, dass in Europa zwischen den Mächten Frieden herrschen konnte, während gleichzeitig auf hoher See ein Kaperkrieg zwischen diesen Staaten ausgefochten wurde. In dieser Situation wurde der Freibeuter geboren, der ohne offiziellen Auftrag, aber mit staatlicher Duldung unterwegs war. Dieser konnte zeitgenössisch sowohl als Korsar wie als Pirat bezeichnet werden. Die Grenzen waren fließend.

Zwei Phasen des Korsarenkriegs

Es lassen sich grob zwei Phasen dieser Konfliktgeschichte unterscheiden:

1. Der Krieg der zwei Großreiche (1510 bis 1580): Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war in Spanien durch die Union von Kastilien und Aragon ein Staat entstanden, der eine Expansionspolitik in den Maghreb verfolgte. Bis 1510 eroberten die Spanier die Häfen von Mers-el-Kebir, Oran, Bugia und Tripolis. Auf der anderen Seite des Mittelmeers erlangte das Osmanische Reich nach seiner Eroberung Konstantinopels (1453) die Vorherrschaft über die orientalische Küste und drängte Venedig und Genua zurück. Zudem errichtete es eigene Stützpunkte an den Küsten des Maghreb. Das Osmanische Reich baute seinen Einfluss bis nach Marokko aus, während es im Osten 1517 Ägypten eroberte. 1522 folgte die Einnahme der von den Johannitern regierten Insel Rhodos; der Ritterorden ließ sich dann 1530 auf Malta nieder (daher der Name Malteserritter). Der große Gegenspieler des Osmanischen Reichs war also Spanien, das durch die Wahl von Karl V. 1519 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches in Personalunion mit diesem verbunden war. So standen das Imperium der Habsburger mit seinen italienischen Verbündeten auf der einen und das Osmanische Reich mit seinen Vasallen auf der anderen Seite. Der „Weltkrieg“ dieser Phase dauerte bis in das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts. Die letzte große Seeschlacht von Lepanto 1571 sowie der Verlust von Tunis 1574 hatten die Zäsur eingeleitet. Danach bestand eine Pattsituation zwischen muslimischer und christlicher Welt, die dadurch eingetreten war, dass der größte maritime Erfolg gegen das Osmanische Reich durch die ‚Heilige Liga‘ (Spanien, Kirchenstaat, Venedig) bei Lepanto strategisch nicht genutzt wurde. 1574 siegten die Türken in La Goleta und Tunis. Spanien und das Osmanische Reich traten in Friedensverhandlungen ein, die 1581 zu einem Waffenstillstand für zunächst drei Jahre führten, der dann immer wieder erneuert wurde.

2. Der Korsarenkrieg (1580 bis 1830): Bis etwa 1580 war der Korsarenkrieg nach Bono wenigstens zum Teil ein Religionskrieg zwischen Christen und Muslimen. Nun habe er nicht nur den offiziellen Krieg zwischen den beiden Blöcken abgelöst, sondern sich im 17. Jahrhundert zunehmend zum Handelskrieg gewandelt, das heißt es dominierten wirtschaftliche Interessen. Die letzte Periode des Korsarenkriegs (1815–1830) sei bei den Barbaresken schließlich von einer immer exklusiveren Rolle des Staates gegenüber privaten Korsaren charakterisiert gewesen.

Kontinuitäten

Diese grobe Einteilung darf freilich nicht über Kontinuitäten hinwegtäuschen. Auch im 17. Jahrhundert kam es noch zu offiziellen militärischen Konflikten. So führte die Korsarenaktion der Malteser 1644, bei der die türkische Galeone La Sultana gekapert wurde, zu einer Kriegserklärung des Osmanischen Reichs und somit zum Krieg von Kandia (1645–1669). Sowohl 1684–1699 als auch 1714–1718 führte das Osmanische Reich mit Venedig Krieg. In dieser Zeit fingen die Habsburger an, den Balkan von den Türken zurückzuerobern, so dass sich das Kräftegleichgewicht endgültig verschob. Dies wirkte sich auch auf die Sklaverei aus, da an dieser Grenze auf beiden Seiten ebenfalls viele Gefangene gemacht und versklavt wurden. Dennoch blieb der permanente Korsarenkrieg – auch während dieser kriegerischen Unternehmungen – das charakteristische Element in der Beziehung zwischen muslimischer und christlicher Welt in der Frühen Neuzeit, so dass die Einteilung auf der Makroebene (ohne Binnendifferenzierungen zu negieren) weiterhin sinnvoll erscheint.

1580 als Zäsur

Der Gewinn dieses Zwei-Phasen-Modells liegt vor allem darin, eine Zäsur im muslimisch-christlichen Verhältnis um 1580 zu begründen. Die politische Weltbühne veränderte sich in dieser Zeit. „Zwei große Pendelschläge“ (Braudel, Das Mittelmeer Bd. 3, 385) – die Osmanen wandten sich nach Osten, die Spanier nach Westen – beendeten den großen Krieg im Mittelmeer. Dies bedeutete jedoch kein Ende der kriegerischen Unternehmungen der Korsaren und der Kriegsflotten auf beiden Seiten, so dass man von einem ‚Korsarenkrieg‘ sprechen kann. Die Rekrutierung von Sklaven im Mittelmeerraum folgte seit dieser Zeit vor allem den Bedingungen dieses Korsarenkrieges.

1493 Bulle Inter caetera

Der Zusammenhang zwischen Korsarentum und Sklaverei ist nicht nur für den Mittelmeerraum bedeutsam. Korsarenkriege wurden ebenfalls schon im späten Mittelalter auch in Übersee geführt. So hatte Papst Alexander VI. im Jahr 1493 mit seiner Bulle Inter caetera die Interessenssphären Spaniens und Portugals abgegrenzt. Vor dem Hintergrund der damals durchaus längst bekannten Vorstellung, dass die Erde eine Kugel sei, teilte Alexander VI. diese Kugel mit einer imaginären Linie in zwei Sphären ein. Dieser imaginäre Ländergrad befand sich etwa 1000 Seemeilen westlich der Kapverdischen Inseln. Alles Land westlich der Linie sollte Spanien zufallen und alles Land östlich davon Portugal. So wurde auch das noch zu entdeckende Land bereits aufgeteilt.

Korsarenkrieg und konfessionelle Konfliktlinie

Allerdings führte diese Grenzziehung keineswegs zu einer kooperativen Expansion dieser beiden Mächte. Vielmehr entwickelte sich ein Korsarenkrieg mit dem Ziel der wirtschaftlichen Schädigung des Gegners. Dieser Krieg gewann eine religiöse Komponente hinzu, als sich im 16. Jahrhundert eine neue Konfliktlinie zwischen den katholischen Mächten Spanien und Portugal einerseits und den protestantischen Mächten England und Holland andererseits herausschälte. Dieser konfessionelle Gegensatz wurde wiederum überlagert durch die dritte Konfliktlinie zwischen den christlichen und den muslimischen Staaten. Auch zwischen diesen Staaten entwickelte sich ein Kaperkrieg. Die Meere wimmelten von Korsaren und Piraten unterschiedlicher Religion und Herkunft.

Korsarenkriege und Sklaverei

Korsaren und Piraten waren auf Beute aus. Das konnten auch Menschen sein, die dann als Sklaven verkauft wurden. Insofern hat die Geschichte der Korsarenkriege einen direkten Bezug zur Geschichte der Sklaverei. Offiziell durften Korsaren seit dem Spätmittelalter jedoch keine Christen mehr versklaven. Diese Regelung galt gewohnheitsrechtlich nicht nur für den Mittelmeerraum. Sie war auch der Grund dafür, weshalb aus europäischer Perspektive zunächst keine rechtlichen Einschränkungen gegen die Versklavung der afrikanischen ‚Heiden‘ und der Indios vorlagen. Die Debatte um die Frage, wie man mit ‚Heiden‘ umgehen solle, die vielleicht noch nie etwas vom Evangelium gehört hatten, hinkte den Ereignissen hinterher und kam erst Mitte des 16. Jahrhunderts zum Tragen (vgl. Indiodebatte).

Christlich-muslimische Grenzräume

Im Mittelmeerraum als christlich-muslimischer Grenzraum war angesichts der gewohnheitsrechtlichen Regel die Kapertätigkeit zwischen den Religionen am einträglichsten, da somit Einschränkungen zur Versklavung wegfielen. Ein zweiter wichtiger Grenzraum war der Balkan während der Türkenkriege, das heißt zur Zeit des Vordringens des Osmanischen Reiches bis vor die Tore Wiens. Dementsprechend hing die Präsenz von Sklaven in der muslimischen und christlichen Welt wesentlich mit dieser politisch-religiösen Konfliktlinie zusammen. Die Situation der Juden als Händler und Sklaven richtete sich danach, ob sie Untertanen in christlichen oder muslimischen Ländern waren.

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