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Ein Streifzug durch die Vergangenheit der weiblichen Sexualität

Warum wir Frauen heute da stehen, wo wir stehen

Wie unsere (Ururur…-)Ahnen tatsächlich gelebt haben, lässt sich in den meisten Fällen nicht wirklich detailliert belegen. Immer noch wirft jedes „Fundstück“ neue Fragen für Archäologen und andere forschende Experten auf. Trotzdem wage ich hier eine kurze Rückschau – und ein paar Gedanken.

In jedem Fall gab es über die Jahrtausende hinweg völlig unterschiedliche Formen des menschlichen Zusammenlebens. Ob patriarchal oder durch ein Matriarchat geprägt, ob in Sippen oder familienähnlichen Strukturen organisiert – die Kulturen waren bis vor relativ kurzer Zeit ziemlich unterschiedlich, manchmal sogar von Landstrich zu Landstrich oder gar von Tal zu Tal. Wie genau sie organisiert waren, kann nur vermutet werden. Hier gibt es völlig unterschiedliche Zugänge, was wohl auch daran liegt, dass die „Beweislage“ nur sehr lückenhaft ist bzw. immer nur aus heutiger Sicht interpretiert werden kann.

Auf der Suche nach Nahrung waren die Menschen in Horden bzw. später in Sippen unterwegs. Während dieser Zeit, so vermutet man, wurden die Kinder eher den Frauen „zugeordnet“. Man nimmt auch an, dass die Frauen einer Sippe ihre Kinder gemeinsam aufzogen und sich gegenseitig unterstützten. Die Zeugung eines Kindes fand – vielleicht auch nur in manchen Kulturen? – ohne familiäre Verpflichtung für den Mann statt. Ein Liebesspiel war Wunsch der Frau. Man nimmt auch an, dass die Frau wählen konnte, mit wem sie geschlechtliche Liebe, Sexualität, genießen wollte. Rein körperliche Vereinigungen, also ohne Liebe, waren vermutlich normal, eine entsprechende Beziehung gab es angeblich nur, solange es „passte“ (Freude gemacht hat?). Man vermutet zudem, dass es möglich war, mehrere Lieben parallel zu genießen.

Moral und Macht

Vor rund 400.000 Jahren wurden die Vorfahren des heutigen Menschen durch den Klimawandel gezwungen, von Sammlern zu Jägern zu werden. Durch Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe wurde die Nahrungssuche einfacher und so konnte sich eine „kooperative Moral“ entwickeln. Vor rund 150.000 Jahren soll sich daraus dann ein gemeinsames Verständnis von Mitgefühl und Loyalität, ein Gespür für Richtig und Falsch entwickelt haben – also eine Art Gruppenmoral. Dies war die Basis für die Ausprägung eines gemeinschaftlichen kulturellen Weges und die Grundlage für eine kommunikative Kooperation, aber auch für die Entwicklung von Individualität.

Das menschliche Rollenverhalten änderte sich über die Jahrtausende durch sich ebenfalls verändernde moralische Rahmen. Ein besonders markanter Einschnitt war die Entwicklung der Landwirtschaft und der Sesshaftigkeit. Nahe dem heutigen Jericho wurde die bisher älteste Siedlung entdeckt, sie soll rund 10.500 Jahre alt sein. Mit der Sesshaftigkeit begann die Zeit der „mächtigen, starken Männer“, da eher Männer Besitz aus Beutezügen brachten. Wer Land und Besitz hatte, war mächtig (Vermögen zu sammeln und zu halten, hieß mächtiger werden) – und diese Tatsache war der Nährboden für die Entstehung des Konkurrenzverhaltens. Es kam zu Kriegen, man kämpfte, raubte und verteidigte sich. Und „man“ ist hier tatsächlich mit „Mann“ gleichzusetzen: Es waren Männer, die Kriege führten, und Männer, die Frieden schlossen.

Warum Frauen treu sein sollten

Mit der Sesshaftigkeit wurden die Kinder vermutlich den Männern „zugeordnet“. Die schlichte Formel lautete: überleben, fortpflanzen, vererben. Die Treue der Frau wurde immens wichtig, vor allem, damit der Mann auch sicher(er) sein konnte, dass er tatsächlich die von ihm gezeugten Kinder versorgte. So entwickelten sich auch bei Paaren Machtstrukturen bzw. Einschränkungen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann die Unterdrückung der natürlichen sexuellen Bedürfnisse der Frau.

Frauen wurden am eigenen und freien Lustempfinden gehindert – zum Beispiel durch äußerst harte Maßnahmen wie das Einschnüren der Füße und das Beschneiden der Klitoris, durch Keuschheitsgürtel, aber auch durch Beschimpfungen oder Beurteilungen wie Hure, Schlampe, Nymphomanin usw. Unsere Ahninnen mussten zu oft lernen, frau ist besser nicht lustvoll, denn das tut weh. Wenn frau sich auf diese Art zeigte, so war das tendenziell nicht gesellschaftskonform, es gehörte sich nicht. (Woll-)Lust wurde mit der käuflichen Liebe, also der Prostitution, verbunden. Wertvolle und ehrwürdige Frauen hingegen wurden vom Mann (Vater) an den Mann (Ehemann) übergeben und keinesfalls als selbstverantwortlicher, gleichwertiger Mensch behandelt. Eine zur (Ehe-)Partnerin gewählte Frau sollte ehr- und berechenbar, verlässlich, sanftmütig und gehorsam sein und Mann und Kinder umsorgen.

Weibliche Lust habe weibliche Autonomie und somit auch Macht bedeutet – und bedeute es auch jetzt noch, sagt Sandra Konrad in ihrem Buch „Das beherrschte Geschlecht“. Aus heutiger Sicht wisse man, dass diese Kombination Männern durchaus auch Angst mache – was vor allem dann der Fall sei, wenn die Gesellschaft sexuellen Bedürfnissen und Frauen kritisch gegenüberstehe. Unterdrückte Begierde könne zu einer explosiven Mischung aus Scham, Schuld und Hass werden – ob im Mittelalter oder in unseren Tagen, in den USA oder im Iran, im Islam oder im Katholizismus. Und gerade diese Mischung richte sich oft gegen Frauen und/oder Minderheiten.

Der Mann wollte als Ehefrau also kein lustvolles, selbstsicheres und starkes Weib, das seine sexuelle Energie lebt und in ekstatischen Momenten außer sich geraten kann – aber natürlich wissen wir nicht, was hinter verschlossenen Türen abgelaufen ist. Akzeptiert oder gesellschaftlich anerkannt war die lustvolle Frau jedoch nicht (und das ist oft heute noch so).

Die Ehe im Wandel der Zeit

Die generellen Möglichkeiten und Rechte der Frau änderten sich auch mit der Entwicklung der „fixen Ehe“. Der Mann war in erster Linie für die materielle Basis, für Besitz und Außenleben (später das gesellschaftliche Leben) zuständig, die Frau für das innerfamiliäre Leben, also Haushalt, Kindererziehung etc.

Bildung für Frauen, das war nicht erwünscht und wurde dementsprechend nicht gefördert – es hätte zu unabhängig gemacht. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten Frauen in Deutschland ein Studium aufnehmen – was noch lange nicht hieß, dass sie Bildung tatsächlich „genießen“ durften. Auch und gerade während der Zeit des Nationalsozialismus war Bildung für Frauen kein Thema.

Zu einer weitgehenden Gleichstellung von Mann und Frau kam es zum Beispiel in Österreich erst durch die Familienrechtsreform 1975! Bis dahin konnte ein Mann den Job seiner Frau kündigen und ihr Einkommen verwalten – und somit über den Kopf der Frau hinweg entscheiden! Dieser Zeitpunkt ist mit Blick auf unsere Evolution nur einen Wimpernschlag her, also ganz und gar nicht lange.

Da die Ehe bis vor etwa zweihundert Jahren vor allem eine Versorgungseinrichtung war und Romantik und Liebe erst später entscheidend wurden, lag lange Zeit der Schluss nahe: Ehe und lustvolle Sexualität gehören nicht „logischerweise“ zusammen. Vor diesem Hintergrund sprach man über Sexualität in einer festen Beziehung wie der Ehe von ehelichen Pflichten – ein Lustkiller schlechthin (der sich sehr lange recht gut behauptete). Frau sollte sich mit ihren wahren Bedürfnissen nicht zeigen, man(n) musste sich nicht anstrengen – es ist noch nicht so lange her, da war Sexualität für viele die rasche, zielgerichtete Entladung des Mannes in der Frau. Punkt. Das reichte als schlichte Triebbefriedigung des Mannes, reichte, um Kinder zu zeugen. Man hatte ja als Mann immer noch die „weitgehend geduldete“ Möglichkeit, seine Lust an Geilheit, erotischem Spiel oder Ekstase mit Mätressen oder in Bordellen auszuleben.

Hysterische und frigide Frauen

Frauen, die ihre Lustbedürfnisse und ihre Sexualität nicht ganz unterdrücken wollten oder konnten, nannte man hysterische Frauen – und ihrer gab es nicht wenige. Manche der wohlhabenderen wurden zum Arzt geschickt, der sie gar nicht so selten manuell zum Orgasmus massierte. Was für ein Job – man stelle sich das heute vor! In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfand der britische Mediziner Joseph Mortimer Granville schließlich den Vibrator, die Handarbeit war vielen Ärzten zu mühsam geworden (danke, Joseph Mortimer Granville!).

Auf der anderen Seite wurden (und werden bis heute) Frauen als frigide bezeichnet – nämlich dann, wenn sie sich dem Sex, aus welchen Gründen auch immer (Angst, Traumata, Unwissenheit, körperliche Einschränkungen, Schmerzen, hinderliche Glaubenssätze etc.), nicht hingeben konnten, bzw. wenn es nicht möglich war, ihrem Mann durch reinen Geschlechtsverkehr seinen Orgasmus zu schenken.

Sandra Konrad weist in „Das beherrschte Geschlecht“ darauf hin, das weibliche Lust ein Mysterium war und es teilweise noch immer ist. Je nach Epoche und Zeitgeist habe eine andere Haltung vorgeherrscht: Entweder hätte sie gebändigt oder geweckt werden müssen, wäre sie gefürchtet oder herbeigesehnt, überhöht oder übersehen worden. Einst sei sie unterdrückt worden, heute werde sie per Pille verschrieben.

Ein wechselhaftes 20. Jahrhundert

Im vergangenen Jahrhundert gab es dann wohl die komprimierteste Entwicklung „rund um die weibliche Sexualität“ und starke Pendelausschläge in unterschiedliche Richtungen. Den schweren Jahren während des Ersten Weltkrieges folgten die wilden 20er und die schlimme Zeit des Zweiten Weltkrieges. Das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, der Beginn der Emanzipationsbewegung und des Feminismus, das 68er-Jahr mit den Versuchen der freien Liebe – die Herausforderungen, aber auch die neuen Möglichkeiten waren da für manche groß.

Mit Willen und Mut auf neuen Wegen

Zusammenfassend kann man sagen: Trotz all der widrigen Umstände haben Frauen aber immer wieder auch Wege gefunden, ihre Sexualität lustvoll zu leben, vorausgesetzt, sie wollten es und waren mutig genug – wenn schon nicht wirklich frei, selbstbestimmt und gleichwertig.

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