Читать книгу Liebe ist Schicksal - Nikki Deed - Страница 7
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ОглавлениеWie versteinert sah Jana zur Tür und wusste nicht, ob sie hoffen oder bangen sollte, dass Mario umkehren und zu ihr zurückkommen würde. War das gerade alles nur ein böser Traum gewesen, oder hatten sie sich gerade wirklich getrennt? Sollte sie jetzt traurig oder froh darüber sein? Unmengen an Fragen schossen ihr in den Kopf, doch fühlte sie nichts, einfach rein gar nichts. Was sollte sie jetzt tun? Ihm nachlaufen, ihn aufhalten, oder ihn einfach ziehen lassen? Nach dem, was er ihr alles an den Kopf geknallt hatte und vor allem, wie er sie heute behandelt hatte, wollte sie da überhaupt noch eine Beziehung mit ihm? Ihr Kopf schrie ganz klar Nein, willst du nicht, aber ihr Herz tat einfach nur weh. Hin und her gerissen griff sie die Flasche Sekt und setzte sich an ihre Prüfungsaufgaben. Morgen war immer noch genug Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen – morgen, nach der Prüfung.
Als Isabell wenig später ebenfalls auf ihr Zimmer kam, war die Flasche Sekt schon halb leer. Fragend sah sie sich um: »Wo ist denn Mario? Wollte er nicht …«
»Er ist weg!«, unterbrach Jana sie und nahm einen großen Schluck Sekt direkt aus der Flasche.
»Wie, weg? Sag bloß, ihr habt euch schon wieder gestritten!?«
»Und wenn schon, damit ist jetzt wenigstens Schluss.«
»Ach komm schon, so schlimm wird es schon nicht sein.«
»Oh doch, wir haben uns getrennt. Er sagt, er kann mir nicht vertrauen, weil er herausgefunden hat … Stell dir vor, er hat mein Tagebuch gelesen … und … nun ja … hat eben herausgefunden, dass ich Ralf geküsst hab. Dass es Ralf war, weiß er zwar nicht, aber das spielt ja auch gar keine Rolle. Und weißt du, was das Lustigste daran ist? Das war heute vor genau einem Jahr«, kicherte Jana und nahm einen weiteren Schluck.
Fassungslos sah Izzy ihre Freundin an, ganz so, als wollte sie nicht glauben, was sie gerade gehört hatte.
»Jetzt sieh mich nicht so entgeistert an! Ja, ich habe ihn geküsst und ja, es war toll. Aber er hat mich nicht zurückgeküsst, hat mich eher genauso angeschaut, wie du mich jetzt. So als ob ich total durchgeknallt und bescheuert wäre. Vielleicht war ich das ja auch, mich in einen Kerl zu verlieben, der nie mehr in mir sehen wird, als eine Schülerin. Als mir das klargeworden ist, habe ich aufgehört, ihn zu lieben, aber das wollte Mario mir ja nicht glauben.«
»Glaubst du dir das denn selbst?«
»Fang du jetzt auch noch damit an!«, schrie Jana und wollte gerade wieder zur Flasche greifen, als Izzy sie ihr vor der Nase wegschnappte.
»Vergiss es, ich lasse nicht zu, dass du deinen Kummer, Frust oder was auch immer hier ganz alleine betäubst. Du kommst am besten mit auf die Party! Das wird dich auf andere Gedanken bringen!«
»Nein danke, da musst du schon alleine hin. Ich muss noch lernen. Schließlich muss ICH morgen noch in eine Prüfung.«
»Meinst du echt, dass du jetzt noch was in deinen Kopf hämmern kannst? Du bist total durch den Wind. Vergiss den Streit, vergiss Mario und um Himmels willen, vergiss die Prüfung! Du musst echt auf andere Gedanken kommen! Jetzt komm schon mit! Nur für ein paar Stunden. Danach kannst du meinetwegen weiter lernen.«
Eigentlich hatte Izzy ja recht, sie hatte jetzt keinen klaren Kopf, um auch nur eine weitere Aufgabe zu lösen. Sie hatte genug gelernt, was sie jetzt nicht konnte,würden die paar Stunden auch nicht mehr ändern. »Okay, ich komme mit!«
»Supi«, grinste Isabell bis über beide Ohren, lief zu ihrem Kleiderschrank und kam mit einem knappen rosa Oberteil zurück, welches sie Jana zuwarf.
»Was soll ich denn damit?«
»Na essen ganz bestimmt nicht. Los, zieh es an!«
Stöhnend und ohne Widerworte tat Jana ihr den Gefallen, alles andere hätte schließlich auch keinen Sinn gehabt. Nur als es um das Thema Make-up ging, wehrte sie sich entschieden.
»Das mit Mario wird sich schon wieder einrenken. Du wirst sehen, morgen steht er wieder auf der Matte und alles ist wieder gut«, meinte Izzy, als sie fast eine Stunde später auf dem Weg in den Garten waren.
»Ach, der kann mir echt gestohlen bleiben, nach dem, was er sich heute geleistet hat.«
»Komm schon, sei nicht so stur. Erzähl mir lieber, wie es zu dem Kuss gekommen ist!«
Widerwillig erzählte Jana ihr die ganze Geschichte, angefangen von dem Moment oben auf der Klippe bis hin zu dem Gespräch Tage nach dem Kuss, auch wenn alles sehr kurz zusammengefasst war. »Weißt du, ich glaube langsam, dass ich mich in dieses ganze Verliebtsein nur so dermaßen reingesteigert hab, weil er einfach immer da war und mir schon so oft das Leben gerettet hat. Vielleicht ist das nur so eine Art Heldenverehrung. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, ich denke schon, und vielleicht würde Mario es genauso sehen, wenn du es ihm so erklärst!«
»Das habe ich doch versucht, aber er wollte mir nicht zuhören!«
»Na ja, er ist eben sauer. Du hast eben noch gesagt – und das hat auch Mario gelesen –, dass du ihn wieder küssen würdest, wenn sich die Gelegenheit erneut bieten würde.«
»Stimmt doch gar nicht. Ich meinte, dass ich in dieser Situation nochmal genauso handeln würde, aber nicht in der gleichen.«
»Hä? Wie jetzt?« Isabell schien nun nur noch verwirrter.
Seufzend blieb Jana stehen. »Wieso ist das eigentlich so schwer zu verstehen. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte und nochmal vor dieser Entscheidung stehen würde, würde ich wahrscheinlich wieder so handeln und ihn küssen. Wenn ich aber jetzt, hier und heute, die Gelegenheit bekommen würde, würde ich anders handeln. Verstehst du es jetzt?«
»Oh Mann, mir schwirrt der Kopf, und dabei hab ich noch nicht mal was getrunken. Du würdest ihn also nicht noch mal küssen, wenn sich jetzt noch einmal so eine Situation bieten würde?«
»Um Gottes willen, nein. Das habe ich doch gerade gesagt.«
»Ich wollte nur noch mal auf Nummer Sicher gehen. Und jetzt brauche ich dringend einen Drink, am besten mit sehr viel Alkohol«, meinte Izzy aufatmend und beide mussten lachen.
Sie waren gerade in der Cafeteria angekommen, als ihnen schon laute Musik entgegenschlug, was Janas Motivation nur wieder gegen Null laufen ließ, doch war es jetzt zu spät, um umzukehren. Von der Terrasse aus blickte sie sich in der Runde um. Soweit sie erkennen konnte, waren alle ihre Klassenkameradinnen gekommen. Wieso auch nicht? Schließlich hatten schon alle die Prüfungen hinter sich – alle, bis auf sie. Es waren auch noch ein paar Mädchen aus den unteren Jahrgangsstufen anwesend und, wie sie feststellte, auch viele Gleichaltrige aus dem Dorf, darunter mehrere junge Männer. Na ganz toll, dass konnte ja spaßig werden.
Der Tisch, der neben der Musikbox stand, war nicht nur voller Schüsseln mit Salaten, Broten und allerhand anderer Köstlichkeiten, sondern auch voller Flaschen. Bei der näheren Betrachtung erkannte sie unzählige Sorten Bier, mehrere Sektflaschen und ebenso viele unterschiedliche härtere Getränke wie Wodka, Rum oder Whiskey. Und auch das obligatorische Lagerfeuer, über dem man sich seine Würstchen braten konnte, wenn man keine Lust hatte, ewig am Grill zu stehen, hatte man draußen im Garten aufgefahren.
Während die Stunden ins Land zogen und es zum Glück zunehmend ruhiger wurde, floss der Wodka nur so in Strömen. Die Mädels und Jungs hatten sich rund um das Lagerfeuer gesetzt und spielten Flaschendrehen, verbunden mit dem beliebten ›Wahrheit-oder-Pflicht‹, bei dem man allerdings etwas trinken musste, wenn man weder etwas Peinliches gestehen noch etwas Unangenehmes erledigen wollte.
Links neben Jana saß Izzy, die schon merklich einen in der Krone hatte, da die Flasche komischerweise recht häufig bei ihr zum Stehen kam, und rechts neben ihr saß ein Typ namens Michael. Vom Sehen her kannten sie sich, hatten aber nie mehr als ein paar Worte miteinander gewechselt. Er hatte kurze dunkle Haare und braune Augen, sah also recht durchschnittlich aus, sein durchtrainierter braungebrannter Körper und sein verschmitztes strahlend weißes Lächeln verliehen ihm allerdings eine unwiderstehliche Attraktivität, die selbst Jana nicht wirklich kalt ließ. Sie flirteten miteinander, anfangs zwar nur mit verlegenden Blicken und einem schüchternen Lächeln hier und da, bis er schließlich näher an sie heranrückte, irgendwann recht verwegen mit ihren Haaren spielte und schließlich seinen Arm um ihre Hüfte legte. Auch wenn es ihr etwas unangenehm war, ließ sie es zu, als er aber seine Hand unter ihr Shirt gleiten ließ, wurde es ihr zu viel. Doch je mehr sie sich wehrte und ihn abzuschütteln versuchte, desto beharrlicher wurde er.
»Du, Izzy, ich mache mich mal wieder rein«, brüllte sie Isabell regelrecht an, zum einen um den Lärm zu übertönen und zum anderen, um Michael wissen zu lassen, dass sie nun endgültig genug hatte.
»Wie, jetzt schon?«
»Ja, jetzt schon. Schau mal auf die Uhr. Du kannst morgen ja ausschlafen, ich nicht. Ich muss fit sein.«
»Alles klar, Süße. Warte nicht auf mich, es kann spät werden.«
»Ja, ja, alles klar. Mach aber nichts, was du später bereuen würdest!«, meinte Jana lächelnd und stand auf, schwankte aber sofort. Warum war ihr denn plötzlich so schwindlig? So viel hatte sie doch gar nicht getrunken, oder?
»Soll ich dich rein bringen?«, fragte Michael wie aus dem Nichts heraus und streckte ihr seine Hand entgegen.
»Nee, nee, brauchst du nicht. Ist nur der Kreislauf. Bin wohl zu schnell aufgestanden«, sagte sie schnell, atmete ein paar Mal tief durch und meinte: »Siehst du, alles in Ordnung. Also dann, man sieht sich.«
Ohne auf ihr Gegenüber zu achten, lief sie los und wurde mit jedem Schritt sicherer. Zum Glück. Nicht auszumalen, wie peinlich es geworden wäre, wenn sie einfach umgefallen wäre.
Auch wenn es erst, oder auch gerade weil es bereits halb eins war, war die Schule wie ausgestorben, die Gänge lagen dunkel und verlassen vor ihr – irgendwie war es unheimlich. Eilig hastete sie die Treppen hinauf, sie wollte einfach nur so schnell wie möglich in ihr Zimmer. Doch sie hatte noch nicht mal die Hälfte des Weges geschafft, als das Licht plötzlich ausging. »Scheiß Schaltzeituhr«, fluchte sie leise und tastete nach dem Lichtschalter.
Als das Licht endlich wieder ansprang und sie nicht mehr im Dunkeln stand – nicht dass sie Angst hatte, aber es war doch nicht so ganz ohne –, stellte sie überrascht fest, dass nur das Treppenhaus beleuchtet war, die Gänge rechts und links von ihr blieben weiter finster. War das schon immer so und hatte sie einfach nur nie darauf geachtet, oder war das neu?
Sie wollte gerade weiterlaufen, als sie plötzlich am Arm gepackt und zur Seite gezogen wurde. Irritiert, erschrocken und ängstlich zugleich schrie sie laut auf, kniff die Augen fest zusammen und spürte keine fünf Sekunden später feuchte Lippen auf den ihren. Zögernd öffnete sie die Augen und blickte in die von Michael, der kurz von ihr abließ und sie argwöhnisch beäugte. Wo war der denn hergekommen? Und was zur Hölle sollte das gerade? Ehe sie auch nur einen Laut von sich geben konnte, küsste er sie erneut. Auch wenn es sich falsch anfühlte – in seinem Kuss lag keine Wärme, keine Liebe, es war einfach nur kalt und nass –, ließ sie ihn gewähren, bis er seine Hände unter ihr Top schob und nach ihrem BH tatschte. »Nein, nicht. Hör auf!«, brachte sie nur stockend hervor, und versuchte ihn von sich zu schieben.
»Ach, komm schon. Stell dich nicht so an! Du willst es doch auch«, entgegnete er und packte ihre Handgelenke, die er über ihrem Kopf an die Wand drückte, während er seine freie Hand wieder unter ihr Shirt schob.
»Hör auf, bitte!«, flehte sie, zwischen seinen aufdringlichen Küssen hindurch – die Situation kam ihr erschreckend bekannt vor. Beinahe verzweifelt versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien, doch hatte sie keine Chance. Unwillkürlich schossen ihr Tränen in die Augen.
»Ich glaube, die junge Dame hat mehr als deutlich gesagt, dass sie das nicht will«, drang eine Stimme an ihre Ohren, doch konnte sie sich nicht bewegen, so starr vor Angst war sie.
Michael ließ sie zwar los, wich aber keinen Schritt zurück. Seine Stimme klang wütend, als er sagte: »Was willst du denn, du Flachpfeife?«
»Sieh zu, dass du Land gewinnst, sonst zeig ich dir, wer hier die Flachpfeife ist! Und du kommst mit!« Wieder wurde sie am Handgelenk gepackt und mitgezogen.
»Erst scharfmachen und dann nen Rückzieher machen. Ist doch immer das Gleiche mit euch Weibern«, schimpfte Michael ihnen hinterher.
Sie liefen nur ein kurzes Stück, dann schlug schon eine Tür hinter ihnen zu. »Verdammt, Jana, was hast du dir denn nur dabei gedacht?«
Irgendwie glaubte sie, Ralfs Stimme zu erkennen, doch saß der Schock so tief, dass sie es nicht ganz realisierte. Am ganzen Körper zitternd stand sie in seinem Flur und brachte kein Wort über die Lippen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt und mit deutlich ruhigerer Stimme. »Jetzt komm erst mal rein und setz dich! Du stehst ja völlig neben dir.«
Vorsichtig fasste er sie an der Schulter und führte sie in sein Wohnzimmer. Sie blickte nur stumm zu Boden. Sie traute sich nicht, ihn anzusehen, die ganze Situation war ihr sowieso schon peinlich genug. Stillschweigend nahm sie auf seinem Sofa Platz.
»Hier!«, meinte er, kaum hatte sie sich gesetzt. Er hielt ihr ein Glas Wein entgegen. Wann hatte er das denn geholt? Offensichtlich stand sie wirklich so neben sich, dass sie so rein gar nichts mehr mitbekam. »Nimm schon!«, forderte er sie auf und setzte sich in den Sessel ihr gegenüber. »Ich glaube zwar, dass du schon genug hattest, aber das wird dich etwas beruhigen.«
»Es waren nur zwei oder drei Wodka«, sagte sie scharf und funkelte ihn böse an, wobei ihr Blick auf die Weinflasche fiel, die jetzt leer neben einer zweiten leeren unter dem Tisch stand, eine weitere, noch volle daneben.
»Wohl eher fünf oder sechs. Du riechst wie eine halbe Brauerei.«
»Fass dich lieber an deine eigene Nase! Außerdem hast du doch keine Ahnung«, sagte sie leise, setzte das Glas an die Lippen und leerte es, ohne auch nur einmal abzusetzen. Eigentlich mochte sie gar keinen Wein, doch dieser hier schmeckte sehr gut – sehr lieblich und fruchtig.
»So, kannst du mir jetzt vielleicht mal erklären, was da eben in dich gefahren ist? Solltest du nicht eigentlich auf deinem Zimmer sein und lernen?«
Zornig sah sie ihn an: »Ich habe die Schnauze so voll. Alle wollen mir immer sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Immer heißt es nur: Jana, tu dies! Jana, mach das! Jana, lass das bitte … Es reicht. Ich habe darauf echt keine Lust mehr. Ich kann es doch eh keinem recht machen.« Sie griff zu der vollen Weinflasche, bekam den Korken aber nicht raus, sodass Ralf, der ihr amüsiert und besorgt zugleich zugesehen hatte, aufstand, sich neben sie setzte und ihr die Flasche aus den Händen nahm. Als sich ihre Finger berührten, durchfuhr es sie wie ein Stromstoß. Schweigend reichte er ihr das neu gefüllte Glas und schenkte sich ebenfalls nach.
»Und das ist der Grund, weshalb du mitten in der Nacht mit einem wildfremden Mann im Flur rummachst?«
Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit so einer Frage, verschluckte sich an ihrem Wein und begann zu husten.
»Ich weiß, es geht mich nichts an, aber was sagt denn Mario dazu?«
Jana spürte, wie sie rot anlief, sah beschämt auf das Glas in ihren Händen, wischte mit dem Finger über den Rand und lallte mit einem Mal: »Ist mir doch egal. Der kann mir echt gestohlen bleiben.«
»Habt ihr euch wieder gestritten?«
»Getrennt, trifft es wohl besser. Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Mir Vorhaltungen machen zu wollen, obwohl er fremdgegangen ist, und dann macht er mir auch noch Vorhaltungen wegen etwas, das während unserer Trennung passiert ist.« Sie berührte ihre Lippen, nahm aber blitzschnell ihre Hand weg, als sie merkte, dass Ralf sie beobachtete. Scheinbar wusste er sofort, dass sie von dem Kuss zwischen ihnen sprach, denn dieses Mal war er es, der sein Glas mit einem Zug leerte und sich wieder nachschenkte.
»Und da dachtest du, es wäre eine gute Idee, mit diesem Halbaffen rumzuknutschen?«, fragte er nach einer erdrückend langen Zeit des Schweigens.
Hatte sie nur das Gefühl oder schwang da wirklich ein Hauch von Eifersucht in seiner Stimme mit? »Das war so doch gar nicht geplant. Ich wollte einfach mal kurz abschalten, mal auf andere Gedanken kommen, den Kopf frei kriegen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Michael mir folgt und … und … Hab ich eigentlich irgendetwas auf meiner Stirn stehen? ›Freiwild‹ oder so was?«
Ralf sah sie eindringlich an und fing an zu lachen.
»Was ist denn daran jetzt so komisch?«
»Nichts. Tut mir leid. Du hast nichts auf der Stirn stehen, nur ein wenig Ruß an der Wange.«
Sie schürzte die Lippen, funkelte ihn böse an, stimmte aber recht schnell in sein Lachen ein, was dann so befreiend und wohltuend war, und wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht.
»Warte, warte, lass mich … Du verschmierst ja nur alles«, schmunzelte er, streckte seine Hand nach ihr aus und berührte ihre Wange mit seinem Daumen.
Wieder durchfuhr es sie wie ein Stromstoß, ihr ganzer Körper begann zu kribbeln. Warum nur löste diese kleine Berührung so ein Gefühl in ihr aus?
»Wird es eigentlich nie langweilig, mich zu retten?«, fragte sie leise, während er vorsichtig den Ruß von ihrer Wange wischte und sie ihn die ganze Zeit unverwandt ansah.
Er hielt inne, sah ihr in die Augen und schüttelte lächelnd den Kopf: »Eigentlich nicht, aber den Job bin ich ja eh bald los.«
Er war ihr so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Noch immer lag seine Hand auf ihrer Wange und noch immer sahen sie sich tief in die Augen. Dieses Gefühl, das sich in ihrem Körper ausbreitete, war unbeschreiblich. Die Luft zwischen ihnen knisterte förmlich. Es war wie damals, wie vor einem Jahr. Es war genau wie vor einem Jahr.
Du würdest ihn also nicht noch mal küssen, wenn sich jetzt noch einmal so eine Situation bieten würde?, kamen ihr Izzys Worte in den Sinn.
Was mache ich hier nur? Das darf nicht sein! Wenn ich jetzt nicht gehe, mache ich noch einen großen Fehler.
»Ich sollte jetzt gehen«, brachte sie gerade noch über ihre Lippen, bevor ihre Stimme versagte. Sie leerte das Glas, das sie noch immer in ihren zitternden Händen hielt, stellte es auf den Tisch und stand auf.