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2. Kapitel

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Die Sonne schien in das kleine Zimmer über dem Wirtshaus und schimmerte auf einem wilden Schopf dunkler Haare, die zerzaust über einem kastanienbraunen Gesicht lagen. Eine breite Nase blähte sich extrem undamenhaft auf, dann ertönte ein rasselndes Schnarchen, das in ein Schmatzen und Stöhnen überging. Volle Lippen verzogen sich über leicht schief stehenden Zähnen zu einer Grimasse, und eine schlanke, vernarbte Hand versuchte, die Sonnenstrahlen von den leicht mandelförmigen und resolut geschlossenen Augen fernzuhalten.

Begleitet von weiterem Stöhnen richtete Aurelia sich langsam auf. Ihr Haar fiel ins Gesicht, als sie den Kopf hängen ließ und sich langsam die Schläfen rieb. Beinahe unbewusst tastete sie unter dem Kissen nach ihrem Dolch, bevor sie sich aus dem Bett wand und mit ein paar Spritzern aus dem Waschbecken den Schlaf aus den Augen wischte. Sie blickte kurz auf die müde Erscheinung im Spiegel.

Hellbraune, beinahe goldene Augen standen etwas zu weit auseinander – aber dank ihres dunklen Teints sah man wenigstens die Augenringe nicht so stark wie bei blassen Frauen. Versonnen strich sie die Narbe entlang, die sich vom linken Schlüsselbein herunter bis zu ihrer Achselhöhle zog.

Im Bett regte sich etwas. Sie verzog kurz das Gesicht, dann tippte sie sich an die Schläfe und nickte ihrem Spiegelbild zu.

Mit schnellen, geübten Handgriffen durchsuchte sie die Kleidungsstücke, die um ihr Bett herum verteilt lagen. Einige Münzen und ein kunstvoll verzierter Dolch kamen beiseite, dann fand sie die gesuchten Papiere. Zufrieden lächelnd schlüpfte sie in Hose und Hemd, bevor sie das Fenster öffnete. Mit der Beute in der einen Hand und ihren Stiefeln in der anderen stieg sie leise auf den Fenstersims. Sie warf der Gestalt unter der Decke noch einen letzten Luftkuss zu, dann verschwand sie über die Dächer Kammerbads.

Es war keine riesige Metropole wie Galtdorf oder Notuln, aber es war ihre Stadt. Daran konnte die imperiale Besatzung nichts ändern. Hier, auf den Giebeln und Kaminen, gehörte Kammerbad noch den Abenteurern. Leichtfüßig setzte Aurelia auf die Schindeln des Nachbargebäudes über und hockte sich dort auf den First. Mit etwas Mühe zerrte sie ihre weichen Lederstiefel über die engen, schwarzen Leinenhosen, dann schnürte sie ihr Hemd etwas fester. Sie verstaute ihre gewohnten Messer, Haken, Stifte und Drähte sowie den neuen Dolch in verschiedenen Halftern und Schlingen. Dann sprang sie ein paar Mal auf und ab, um deren Sitz zu prüfen.

Schließlich bändigte Aurelia einen Teil ihrer Locken mit einem Lederband und bedeckte sie mit einem roten Tuch, um sie sich aus dem Gesicht zu halten. Dann ließ sie die Beine vom Dach baumeln und inspizierte die Papiere, die sie von ihrem Bettgefährten »geliehen« hatte. Sorgfältig studierte sie Termine und Frachtpapiere, während sie in der linken Hand ein Stilett durch ihre Finger tanzen ließ.

Ein leises »Ha!« entfuhr ihr, als sie das Gesuchte fand. Das Stilett tippte auf den gesuchten Namen.

»Gräfin del Mar, Ihr habt soeben einen Termin mit meinem guten Freund Eberhart gewonnen!«

Die Papiere verschwanden in Aurelias Hemd, dann stieß sie sich vom Dach ab, federte leicht auf einem gegenüberliegenden Fenstersims ab, um in einem Rückwärtssalto auf dem Kopfsteinpflaster der Gasse zu landen.

Der Weg zu Eberharts Zimmer war nicht weit. Aurelia passierte auf ihrem Weg durch das Marktviertel diverse Marktschreier, einen imperialen Rekrutierungsoffizier und zwei oder drei Weltuntergangspropheten. Zur Abwechslung kaufte sie ein paar Früchte von einem der Stände und ließ den Imperialen mit einem brennenden Stapel Pamphlete zurück, aber für ihre Verhältnisse war das recht zurückhaltend. Nur einer der Untergangsfanatiker musste seine blutende Nase halten, nachdem er ihr zu nah gekommen war. Abwesend jonglierte Aurelia mit dem Obst, während sie um die letzte Ecke vor Eberharts Straße bog.

Sie hatte nie verstanden, wie Ihr Kumpan in der Holzgasse wohnen konnte. Das ständige Hämmern und Sägen zu absolut gottlosen Zeiten würde sie in den Wahnsinn treiben. Die Werkstatt, über der Eberhart eingezogen war, wimmelte nur so von muskulösen Gesellen mit Sägen, Hobeln und vor Schweiß glänzenden bloßen Oberkörpern. Aurelia genoss den Anblick, während sie die verschiedenen Früchte verspeiste, dann stolzierte sie zur Treppe im hinteren Teil des Gebäudes. Sie schlug einem der knackigeren Gesellen auf den Hintern und ignorierte die Beschwerden des Werkstattmeisters, als sie die wenigen Stufen zur Kammer ihres Komplizen erklomm.

Eberharts Tür war nicht verschlossen, also polterte sie hinein und schmetterte ein »Guten Morgen«, mit einem unverschämten Grinsen auf den Lippen.

Eberhart verzog schmerzerfüllt das Gesicht und schlug die Hände über die Augen. »Als wäre es nicht genug, dass du mich mit diesem Gift abfüllst, du musst mich auch noch am Tag danach quälen.« Er senkte die Hände. Sein teigiges Gesicht hatte eine durch und durch ungesunde Farbe angenommen. Tintenkleckse von seinen Fingern zogen sich in einem bläuliches Muster über seine Wangen und die Stirn.

Aurelia trat zu ihm an den Tisch und schlug ihm auf den Rücken. »Ach, mach mir nichts vor, mein Dickerchen. Du bist doch schon seit ein paar Stunden auf, wie ich sehe.« Sie deutete auf den Tisch voller säuberlich markierter Abrechnungen.

»Ach, Buchhaltung hilft mir einfach, den Kopf frei zu bekommen.« Er löschte die letzte Rechnung mit einer Prise Sand ab und legte die Papiere dann zusammen in eine Kladde. Einen Moment blickte er sehnsüchtig auf die Karte der Südmeere über dem Schreibtisch, dann drehte er sich schwerfällig zu Aurelia herum.

»Also, was hast du für uns?«

Die Schurkin hockte sich auf den Schreibtisch und zog ein Bein an, sodass ihr Kinn auf ihrem Knie ruhte. Sie senkte verschwörerisch die Stimme.

»Ein ganz dicker Fisch, Eberhart. Gräfin, aber keine der lokalen Größen. Sie nennt sich del Mar, klingt mir nach den Kolonien. Aber das Beste ist: Sie kauft Kunstgegenstände, alte Schriften und alles Mögliche, das mit dem Laroskult zu tun hat. Spezifisch die Zeit des dunklen Korsaren.« Aurelia konnte kaum ruhig sitzen, während sie die Fakten über das neue Projekt herunterrasselte.

Eberhart strich sich über das Kinn und verteilte mehr Tinte in seinem Gesicht. Dann deutete er mit zwei fetten Fingern auf Aurelia. »Also halten wir fest: Eine ortsfremde Adlige mit tiefen Taschen, die viel Geld für leicht fälschbares Material in die Hand nimmt.« Er ließ seine Faust in die Handfläche der anderen Hand klatschen. »Aurelia, das klingt tatsächlich nach unserem großen Durchbruch!« Er legte die Hände auf die Knie und kam ächzend auf die Beine. Er musste sich kurz am Tisch abstützen und hielt sich den Kopf. »Das Zeug sollte man zum Abbeizen benutzen, nicht zum Trinken.«

Er watschelte zur Rückwand des Raumes und machte sich an dem Wandbehang zu schaffen, der die glorreiche Eroberung der Südmeerinseln durch Admiral von Streithoff zeigte. Eberhart schob den Vorhang zur Seite und legte eine Schiefertafel frei, auf der diverse Ideen, Strategien und unanständige Kritzeleien standen. Er löschte mit einer schon viel benutzten Ecke des Wandteppichs einen Großteil der Notizen aus und nahm ein Stück Kreide aus einer Schublade.

»Wir brauchen: Einen Köder, eine Gelegenheit, ein Problem und ein Finale. Ach, ich liebe den Planungsteil.« Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er sich an die Arbeit machte. Aurelia rutschte vom Schreibtisch und schnappte sich ebenfalls ein Stück Kreide. »Und diesmal wird es ein Meisterwerk!«

Die Ausstellung fand in einem der kleineren Gildenhäuser von Kammerbad statt. Die Gilde der Maler und Bleicher hatte ihre Halle zur Verfügung gestellt, während die Gerber und Kürschner die Finanzierung übernommen hatten. Niemand wollte bei den Gerbern einen Empfang geben und die Halle der Kürschner war gerade einem Brand zum Opfer gefallen. Manche sagten, es seien radikale Druiden gewesen, aber solches Gerede gab es immer.

Die Maler ließen ihre dreistöckige Gildenhalle jeden Monat in einer neuen Farbe erstrahlen. Dieses Mal hatten sie sich im Einklang mit der Ausstellung für ein meergrün mit azurblauen Akzenten entschieden. Ein Banner über dem Eingang verkündete den Titel: »Laros Kult im Wandel der Zeit – Religiöse Texte und Artefakte vom Anbeginn des Imperiums bis heute«. Vor dem Gildenhaus hatte sich eine bunte Menge der Reichen und Schönen versammelt, die sich gegenseitig mit ihren teuren Kleidern und Frisuren zu übertrumpfen suchten.

Aurelia und Eberhart schritten durch die Menge, als gehöre ihnen der Platz. Eberhart trug seine gewohnten weiten, purpurnen Stoffe und die formlose Kappe, allerdings frisch gereinigt und hervorgehoben durch südländischen Schmuck, der ausreichend echt aussah. Er trieb in einer Wolke Lavendelduft dahin, für die etwa ein Hektar Blüten ihr Leben gelassen hatten.

Aurelia hatte ihre Lederkluft eingetauscht gegen ein weites Kleid aus trawonischer Seide in sonnengelb, das ihre dunkle Haut zur Geltung brachte. Im Gegensatz zu vielen der blassen Trophäenfrauen trug sie ihr Kleid hochgeschlossen, dazu Handschuhe – es war schwierig genug, ihre Erziehung oder deren Mangel zu verbergen, aber schwielige Hände und Narben wären doch etwas zu schwer zu erklären gewesen. An ihren Fingern und am Kropfband schimmerten strahlend blaue Steine. Ihre Haare waren kunstvoll hochgesteckt und mit golden schimmernden Kämmen und Nadeln fixiert, ließen aber einige Locken kokett an den Ohren vorbei kringeln.

Wenn sie aus Eberharts Dunstwolke trat, konnte man einen dezenten Duft nach Zitronen und anderen Südfrüchten erahnen. Sie tat ihr Bestes, um ebenso gelangweilt auszusehen, wie die anderen Frauen.

An der Tür kontrollierte ein livrierter Diener die Einladungen und begrüßte die Gäste. Eberhart drückte ihm zwei leere Papierbögen in die Hand, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Bevor der verblüffte Diener etwas sagen konnte, warf ihm Aurelia einen verschwörerischen Blick über die Schulter zu und schüttelte den Kopf. Sie deutete mit ihrem geschlossenen Fächer auf die »Einladungen«, dann tippte sie sich erst auf die Lippen, dann strich sie sich über die linke Schulter.

Der Diener stutzte, dann zog er sich am rechten Ohrläppchen und strich sich mit dem Zeigefinger am Kinn entlang. Dann steckte er die »Einladungen« ein und wandte sich den nächsten Gästen zu.

Eberhart schnüffelte ein wenig an seinem Handgelenk und murmelte aus dem Mundwinkel: »Welche Geheimgesellschaft war das noch gleich?«

Aurelia verbarg ihre Antwort hinter dem Fächer: »Purpurne Hand. Diese Kultisten treiben sich überall herum. Zum Glück gehörte er nicht zur Roten Krone, diese komischen Zwinkercodes lassen einen aussehen wie eine Wahnsinnige.« Sie ließ ihren Blick über die versammelte Gesellschaft gleiten.

Es war eine interessante Mischung aus niederem Adel, Bürgerlichen und Gildenmitgliedern. Eine ansehnliche Anzahl von Priestern, Mönchen und Nonnen war ebenfalls vertreten, was bei dem gegeben Thema der Ausstellung nicht allzu verwunderlich war.

Eberhart nahm sich einen Moment Zeit, um die komplexen Strömungen und Interaktionen der Gesellschaft auf sich wirken zu lassen. Dort gab es eine Ansammlung von Neureichen, die sich um einen der einflussreicheren Adligen scharten und um seine Aufmerksamkeit buhlten. Hier steckten die Mitglieder offiziell verfeindeter Gilden die Köpfe zusammen, um eine geheime Preisabsprache zu tätigen. Vor einer riskanteren Darstellung der »Sturmgeborenen in den Wellen« ereiferten sich ein paar Nonnen. Wo würde man eine wahrhaft an der Kunst interessierte Person jetzt finden?

Er entdeckte sie schließlich bei den Manuskripten. Er tippte Aurelia leicht an und nickte in Richtung ihres Ziels.

Sie trug ein weites, schulterfreies Kleid aus nachtblauem Satin, reich verziert mit trawonischer Spitze und abgesetzt mit Seide und Brokat. Ihre glatten, schwarzen Haare fielen in Wellen ihren Rücken hinab, gehalten von einem silbernen Diadem und durchsetzt mit Satinbändern und glitzernden Silberfäden. In der schmalen, fast geisterhaft blassen Linken hielt sie mit müheloser Eleganz einen spitzenbedeckten Fächer, während sie mit dem rechten Zeigefinger an ihr Kinn tippte. Ihre Nägel waren im selben Ton gehalten wie ihr Kleid, und ihr Lidschatten trug eine ähnliche Farbe. Dagegen waren ihre Lippen nachtschwarz nachgezogen. Ein Schönheitsfleck unter dem rechten Auge wirkte wie eine verlorene Träne.

Sie stand vor einer Illustration, die den Triumph der Sturmgeborenen über den Schreckenskapitän in recht blutigen Details darstellte. Eberhart gesellte sich zu ihr und studierte die Abbildung. Die Tochter Laros‘ stand auf einem Wellenberg, der die Knochenbarke des Schreckenskapitäns und seiner untoten Horden unter sich begrub. An ihrer Seite kämpften Meerjungfrauen, Delphine und andere Meeresgeschöpfe, während Skelette, Geister und Gruselgestalten an Deck der Flotte des Schreckenskapitäns standen.

Der Kapitän selber hatte einen Totenschädel statt eines Gesichts und schwang ein Schwert, das eher einer Klaue ähnelte. Die Sturmgeborene führte Laros‘ Heiligen Dreizack in der Rechten, in der Linken trug sie einen violetten Kristall, mit der sie die Geschöpfe des Herrn der Meere rufen konnte.

»Faszinierend, nicht wahr?« Eberhart sah die Gräfin nicht an, aber achtete aus dem Augenwinkel auf ihre Reaktionen. »Der Triumph des Göttlichen über das Dämonische. Wahrhaft inspirierend.«

Die Stimme der Gräfin war rauchig und ein leichter, schwer zu identifizierender Akzent klang mit, der ihre »R’s« rollen und die scharfen Konsonanten weicher klingen ließ.

»Inspirierend – eine interessante Wortwahl. Wusstet Ihr, dass die Sturmgeborene nach dieser letzten Schlacht verschwunden ist?« Sie wischte mit dem Fächer an ihrem Gesicht vorbei. »Als wäre sie selbst vom Meer verschlungen worden, ebenso wie der Schreckenskapitän.«

Eberhart strich sich über das Kinn. »Ich dachte immer, sie wäre aufgestiegen an Laros‘ Seite, oder etwas Ähnliches?« Er winkte einem der Diener, neue Getränke zu bringen.

»Tatsächlich ist das einer der Punkte, in der die Kirchengeschichte seltsam unpräzise wird. Es gibt unzählige detaillierte Beschreibungen der Gräueltaten des Schreckenskapitäns, ebenso wie den glorreichen Aufstieg der Sturmgeborenen aus den kalten Tiefen von Laros‘ See zu seiner Streiterin. Aber ihr Schicksal nach der letzten Schlacht bei der Mahlstrominsel – da wird es plötzlich sehr vage.« Sie fuhr mit dem Fächer die drohenden, schwarzen Felsen entlang, die sich im Hintergrund der Schlacht abzeichneten.

»Ja, das ist das Problem mit Künstlern und Priestern – sie sind oft mehr daran interessiert, etwas gefällig zu machen, statt präzise wiederzugeben.« Er nahm zwei Gläser vom Tablett des herbeigeeilten Dieners und reichte eines der Gräfin. »Dabei hat Klarheit und Genauigkeit doch ihre eigene Schönheit.«

Mit einer erhobenen Augenbraue nahm die Gräfin das Glas entgegen. »Solche Direktheit ist in meinem Kreisen eher selten. Sie wird als ... krude und bürgerlich betrachtet. Es gilt als schick, seine Anliegen in Lagen von Komplimenten, Anspielungen und sonstigem Geplapper zu verbergen, sodass man erst Schicht um Schicht durchdringen muss, bevor man zum Kern der Angelegenheit kommt.« Sie erhob das Glas zum Gruß. »Wem verdanke ich also diese plumpe Missachtung der imperialen Gepflogenheiten?«

Eberhart stieß sein Glas klingend gegen das ihre. »Eberhart Brettschneider, meines Zeichens Freihändler und Abenteurer.« Er schlug sich lachend auf den Bauch. »Wobei meine zweite Leidenschaft etwas in den Hintergrund getreten ist, seit ich die entsprechenden Geldmittel habe.«

Sie neigte graziös den Kopf und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Estella Veronica Asuncion del Mar, Gräfin von Maracasar.« Sie senkte kurz die Augen. »Im Exil.«

Eberhart schaute einen Moment betroffen und tat, als suche er nach Worten. Dann versuchte er es mit einem Scherz. »Die Freuden der Kolonialherrschaft. Ich hoffe, es wendet sich bald alles zum Guten, Gräfin.« Er machte eine unbestimmte Geste mit der freien Hand. »Immerhin ließen Sie Euch den Titel ... «

Die Gräfin hob abwehrend die Hand. »Lasst uns das Thema wechseln, Herr Brettschneider. Ich bin hier, um mich von meinen Problemen abzulenken, und ich wollte Euch gewiss nicht damit belasten.« Unmittelbar wandte sie sich wieder der Illustration zu. »Also, was haltet Ihr sonst noch von dem Stück?«

»Nun, wie ich schon sagte, bin ich eher ein Mann der Fakten als ein Mann der Kunst. Ich könnte Euch sagen, auf welchem Material die Zeichnung illuminiert wurde und welche Tinte wahrscheinlich benutzt wurde, aber den künstlerischen Wert zu bestimmen ... Das übersteigt meinen Horizont. Wenn Euch das Thema interessiert, ich bin im Zuge meiner Reisen auf das eine oder andere Schriftstück aus dieser Zeit gestoßen. Nichts so Feingeistiges wie dieses Material hier, Berichte der damaligen Hafenmeister und Gildenoberhäupter, Listen mit Dingen, die der Schreckenskapitän geplündert hat. Welche Schiffe aufgrund seiner verlustig gegangen sind, welche Investitionen man getätigt hat, um seiner Herr zu werden.« Er lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. »Ach entschuldigt, das muss furchtbar langweilig klingen.« Er hob die Schultern. »Aber für jemanden wie mich erzählen Zahlen und Rechnungen eine lebendigere Geschichte dessen, was damals passiert ist, als irgendwelche Predigten oder Psalme.«

Die Gräfin legte den Kopf ein wenig zur Seite und schaute ihn nachdenklich an. »Ihr meint, Ihr habt authentische Aufzeichnungen der Raubzüge des Schreckenskapitäns? Die Orte, an denen er gewesen ist?« Sie wirkte aufrichtig interessiert.

Eberhart legte eine Hand ans Kinn. »Ja, so könnte man es sagen. Ich habe es noch nie auf diese Weise zusammengetragen, aber man könnte gewiss seine Wege auf Grundlage dieser Aufzeichnungen ermitteln.« Er schaute versonnen auf den Teppich. »Man könnte damit zumindest einschränken, in welchem Gebiet seine Flotte operiert hat.«

Die Gräfin ließ ihren Fächer zusammenschnappen und tippte Eberhart auf die Brust.

»Wir müssen das definitiv weiter ausführen, aber nicht hier. Ihr müsst mich besuchen. Was haltet Ihr von einem Abendessen, sagen wir in zwei Tagen? Ein Nein lasse ich nicht gelten, das ist zu faszinierend.«

Der Händler verbeugte sich mit ein wenig Mühe, die linke Hand auf der Brust, die rechte mit dem Weinglas ausgestreckt.

»Es wäre mir eine Ehre, Euch aufzuwarten. Es ist erfrischend, jemanden zu treffen, der meine Begeisterung für die Vergangenheit teilt.« Er erhob sich mit einem leisen Keuchen. »In zwei Tagen, Gräfin. Genießt die Ausstellung.« Sie entließ ihn mit einem leichten Nicken, dann verschwand Ihr Gesicht hinter dem Fächer und sie wandte sich einem anderen Exponat zu.

Eberhart zog sich zurück und wanderte noch ein wenig Interesse heuchelnd durch die Ausstellung, bis er Aurelia entdeckte. Sie unterhielt eine Gruppe von Gildenvertretern mittleren Alters mit einer anzüglichen Geschichte.

Er wartete etwas abseits, bis sie ihn entdeckte und sich von Ihren Verehrern verabschiedete. Sie kam lächelnd an seine Seite und ließ sich unter den neidischen Blicken der Anwesenden aus der Halle führen.

»Hattest du Erfolg?«, flüsterte sie, als Sie auf die Straße getreten waren.

»Der Köder ist geschluckt. Unsere Gelegenheit werden wir in zwei Tagen vorstellen. Und bei dir?«

Sie lächelte strahlend. »Unser Problem ist das Thema des Abends. Wenn Sie davon nichts hört, können wir es nur noch an die Wand der Kathedrale schreiben.«

Eberhart atmete tief ein und ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Meine Liebe, unser Plan läuft beinahe zu gut. Aber nur beinahe.«

Keine Helden - Piraten des Mahlstroms

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