Читать книгу Feuer und Siegelfluch - Nina Jolie - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеWenn mir meine Granny als Kind diese ganzen wundersamen Märchen vorlas, dann hatte ich stets nur das gute Ende gesehen. Es war schön, dass es die große Liebe gab. Es war richtig, dass die Wahrheit, und der Mut siegte. Jetzt war das anders. Jetzt stand ich hier in dieser abgefackelten Bar und zu meinen Füßen diese toten Menschen. Jeder vergaß, dass dem Wolf die Steine in den Bauch genäht wurden, damit er im Brunnen ertrank. Dass Schneewittchens Stiefmutter Metallschuhe anzog, die vorher auf heißen Kohlen schmorten. Man hatte das ganze Schlechte verdrängt.
Auch jetzt wollte ich gerne wieder ein Kind sein. Aber hier stand ich, neben diesem Fremden, der dachte, ich wäre eine Hexe. Wie erstarrt blickte ich auf den blutenden Kadaver zu unseren Füßen. Die knochige Gestalt erkannte ich nicht.
„Du musst eine Hexe sein“, murmelte er und sah mich von oben bis unten an. Fast bildete ich mir ein, dass seine Pupillen schmaler geschnitten waren, wie bei einer Katze. Dabei donnerten die schweren Stiefel auf dem Asphalt und sein arrogantes, raues Lachen unterbrach die Stille.
„Pass auf, Kratzbürste.“ Am liebsten würde ich ihm eine Beleidigung an den Kopf knallen, aber er sprach weiter: „Diese Leute im Pub, alle, außer deine zwei kleinen Freunde, sind Hexen gewesen.“ Der Ton, in dem er das sagte, glich beinahe Verachtung, als könne er nicht glauben, dass ich nichts von dieser Welt wusste. Meine Gedanken waren lahmgelegt.
„Deine Dimension hat mich so abgelenkt, dass ich nicht weiß welche Dämonen sie noch zu ihrem Schutz in unsere Welt geholt haben.“
„Meine Dimension?“
„Der Raum, in dem du gesteckt hast. Wer hat dich dort hingebracht?“
„Nic hat in der Bar gearbeitet.“
Er hob eine Augenbraue. „Also nimmst du auch Bonbon´s von Fremden an?“
Als ich nicht reagierte, packte mich der Schwarzhaarige an den Schultern und rüttelte mich wach. Anschließend blickte er auf das Monster. „Es werden mehr von diesen Dingern kommen.“ Als er bemerkte, dass ich ihm nicht traute, setzte er prüde hinterher: „Und die Polizei. Falls dich das mehr erschreckt. Und was für ein Zufall, wir sind die einzigen an diesem Tatort.“ Tatsächlich erwachte ich durch diesen Einwand zum Leben. Für meinen Neuanfang brauchte ich keine laufenden Ermittlungen gegen mich, und schon gar nicht Stress mit John.
Der Mann sah eilig über die Straße, verstaute dabei sein Schwert und zog sich anschließend die dunkle Kapuze auf, sodass er in dem schnellen Schritt in den er verfiel, mit der Dunkelheit verschmolz. Vielleicht weil er ein Teil von ihr war. Weil er genauso viel zu verbergen hatte.
„Was wird das hier jetzt?“
Sein Blick war fokussiert auf unsere stille Umgebung gerichtet, die nur selten von einem vorbeibrausendem Auto gestört wurde. Zu meiner Erleichterung hörte ich keine Polizeisirenen. „Du wirst mir verdammt nochmal erklären, wer du bist!“
„Und du wirst mir verdammt nochmal erklären, was das alles hier soll!“, kreischte ich zurück. Hatten ihn die Toten kein bisschen berührt? Er wirkte nicht einmal aufgekratzt. Unsere Blicke kämpften gegeneinander an, denn niemand gab freiwillig nach. So viel Hass, in einem Ausdruck. Verwundert blickte er mich an. Diesmal war ich es, die die Augen zu Schlitzen formte.
„Wie oft willst du noch die gleiche Antwort von mir hören?“
Über uns krachte der Himmel laut auf, als empfand er meinen Zorn nach. Erste zierliche Tropfen prasselten auf uns hinab, als der Fremde ungeduldig knurrte. „Hör mal zu, Prinzesschen. Ich habe dafür genauso wenig Nerven. Also sag mir, was ich wissen will.“ Ich versuchte, Platz zwischen uns zu bringen, doch er folgte mir Schritt für Schritt in Richtung der abgeplatzten Backsteinmauer, von der eine klamme Kälte direkt in meinen Rücken strahlte. Angstschweiß sammelte sich zwischen meinen Schulterblättern. Doch ich reckte ihm das Kinn entgegen und verbarg, dass ich mich am liebsten heulend in einer Ecke verkriechen wollte.
„Frag doch dein magisches Schwert. So irre wie du bist, wird dir das bestimmt antworten.“
Da legte er den Kopf in den Nacken und lachte spöttisch. In der Luft bildete ich mir ein, Ruß zu riechen, wenn die kleinen Windböen mein Haar zerzausten, gepaart mit etwas herberem. Dabei verwandelte sich seine zerknirschte Miene. Die angespannten Schultern lockerten sich in dem schwarzen Mantel. Plötzlich lagen nur noch wenige Zentimeter zwischen uns. Ein Lufthauch, aus kondensierten Atemwolken, die keuchend über meinen Mund schwebten.
„Hier.“ Langsam zog er seine Jacke aus. Er streckte sie mir entgegen. Ich starrte einen Moment zu lange auf seinen hervortretenden Bizeps, der durch das langärmlige Shirt noch einmal betont wurde. Sofort schüttelte ich mit dem Kopf und vertrieb die Gedanken.
„Nein Danke.“ Um das Zittern meiner Arme zu verbergen, kreuzte ich sie vor der Brust. Doch er verdrehte nur die Augen, bevor er mir den Mantel schneller umwarf, als das ich reagierte. Nun war ich es, die genervt seufzte, dann aber doch heilfroh war. Ich roch ein Parfüm. Und Feuer. In Gedanken versunken blickte in den kohlrabenschwarzen Himmel. Der Regen hatte aufgehört, trotzdem waren meine Haare am Kopf angeklatscht. Als ich wieder zu dem Fremden sah, bemerkte ich, dass er mich mit dunklen Augen anstarrte.
„Lucien.“
„Avelina.“
Auf einmal hörten wir ein ohrenbetäubendes Kreischen. Selbst mit zugehaltenen Ohren tat es so weh, dass ich fast auf die Knie fiel. Aus meinem Mund drang ein Wimmern, als Lucien mich packte. Wohin er mich zog, war mir in diesem Moment egal, solange der Schmerz aufhörte.
„Das ist so ein Dämon. Er ist hier irgendwo.“
„Wir laufen gar nicht weg?“, fragte ich panisch.
„Wenn ich ihn nicht töte, wird er zu meinem Clan finden.“ Intuitiv griff ich in Luciens Mantel. Wir beide schauten uns verwundert an, bevor ich mit roten Wangen hektisch wegdrehte. In diesem Moment trat ein langgezogener Schatten am Ende der einsamen Straße in mein Blickfeld. Ich bekam eine Gänsehaut. Inzwischen mussten wir aus dem Zentrum raus sein, doch hatte ich keine Ahnung, wo wir genau waren. Panisch stellte ich fest, dass ich allein nicht nach Hause kommen würde. Lucien zückte ein Schwert. Gleißend hell loderte das Feuer an ihm auf und tauchte die Umgebung in Helligkeit. Sekunden später war der Dämon bei uns.
„Bleib hier!“, befahl er. Mein Atem stockte mir in der Brust, als ich das schwarzgeschuppte Monster im Nebel sah.
Am liebsten wäre ich schreiend weggerannt, aber dieses eine Mal glaubte ich ihm sofort und erstarrte, wie eine Statue.
Der Dämon rannte auf Lucien zu. Sofort hob er sein Schwert. Funken explodierten. Jemand schrie, hoch und laut, sodass ich zusammenzuckte, während der Nebel dicker wurde. Erneut kreischte jemand durch die Trübnis, die mich plötzlich einschloss. Voller Panik bemerkte ich, dass ich meine erhobenen Hände nicht einmal mehr entdeckte.
„Hilfe!“ Augenblicklich zuckte ich zusammen. Zögerlich stellte ich mich auf die Zehenspitzen. Nur leichte Schemen schwebten durch das Weiß zu mir hinüber und bescherten mir eine Gänsehaut.
„Avelina! Hilf mir!“
Sofort sprintete ich los. Mit den Händen wischte ich, die Schlieren vom Gesicht. Gleichzeitig jagte mir Adrenalin durch die Adern und trieb meine Stimme an.
„Lucien!“
„Lina!“ In der Bewegung stockte ich hastig. Lucien wusste nicht, dass das mein eigentlicher Rufname war. Aber da war es schon zu spät. Das riesige Monster ragte grinsend vor mir auf. An den messerscharfen Zähnen triefte dicker Schleim zu Boden, der nach Fäulnis stank. Außer Atem versuchte ich, im Nebel zu verschwinden, doch der schwarze Schatten verfolgte mich, bis ich kreischend gegen eine Brust knallte. Erschrocken taumelte ich nach vorn, direkt in die Kralle des Dämons. Es brannte und fühlte sich so furchtbar kalt an meinem Bauch an, dass ich zitterte.
„Was machst du hier ?“, herrschte er mich an, bevor er mich hinter sich drückte. Gleichzeitig schwang er das Schwert durch die Luft. Aber der Dämon war schneller. Von der Seite überrumpelte er den Hexer. Als dunkles Knäul schlitterten sie über die Straße, bevor der verzerrte Schatten fauchend die Oberhand gewann. Das Schwert klapperte, als sie ein Stück entfernt auftrumpften. Schockiert bemerkte ich, dass er keine Waffen mehr hatte und die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Auf der anderen Seite des dicken Schleiers hob der Dämon den merkwürdig sehnigen Arm. Mein Herz raste.
„Lucien!“ Ich sprintete zu seinem Schwert, überrascht, wie schwer es sich in der Hand anfühlte. Im gleichen Moment wie er: „Nein!“, schrie, spürte ich den Schmerz überall in meinem Körper. Wie Gift breitete sich das Brennen in mir aus, bis ich auf die Knie fiel. Tränen verschleierten mir die Umgebung, doch den Griff des Schwertes ließ ich nicht los. Etwas tief in mir zog sich wimmernd zusammen.
„Lass es los!“,keifte Lucien.
Aber ich hörte nicht auf ihn. Stattdessen packte ich fester zu, um stöhnend zu ihm zu krabbeln, der gerade den Kopf auf die Seite drückte, als der Speichel des Dämons ihn nur knapp verfehlte. Überall schwitzte ich plötzlich, weil es plötzlich so unsagbar heiß war. Zum Glück packte Lucien die schwere Waffe und der Schmerz verging in Sekunden. Doch da holte der Dämon mit seiner Pranke aus. Diesmal war es das Monster, das um sein Leben kreischte, als das Metall mit einem ekelerregenden Knacken seinen Oberkörper durchstieß. Heißes Feuer züngelte aus der Wunde empor und drückte sich auf meine Haut. Es war so warm, dass ich es selbst beim Wegdrehen spürte.
„Das werdet ihr Büßen!“, fauchte der Dämon. Dann zerfiel er zu Asche. Das Grau segelte friedlich zu Boden, und verteilte sich, während der Nebel friedlich verschwand. Es schepperte, als Luciens Schwert auf die Straße fiel. Schwerfällig rappelte er sich von der Straße auf, um sich im gleichen Moment harsch zu mir umzudrehen. In seinem Blick lag so viel Wut, dass ich eine Gänsehaut bekam. Genau vor mir blieb er stehen und fixierte mich unter tiefen Luftzügen.
„Ich sagte, misch dich nicht ein.“
„Ich-“
„Du kannst tatsächlich keine Ahnung haben“, unterbrach er mich. „Sonst hättest du niemals so etwas Dämliches getan!“
Unwillkürlich ballten sich meine Fäuste zusammen. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte die Rufe ignoriert. „Ich dachte, du brauchst Hilfe!“
In seiner Stimme schwang Verachtung mit. „Wie hättest du mir helfen sollen?“
Auch wenn es nicht so weh tun sollte, fühlte es sich an wie ein Faustschlag in die Magengrube. Es zog so stark, dass ich mich krümmte.
„Avelina?“
Anstatt zu antworten, kam mir ein dumpfes Stöhnen über die Lippen. Dann wurde die Welt schwarz.
„Gott sei Dank. Sie ist nicht tot.“ Mein Blick haftete an einer weißen Wand. Unter einer dicken Wolldecke zitterte ich, wie dürre Äste im starken Wind. Mir war so kalt und trotzdem spürte ich eine furchtbare Hitze auf den Wangen und Schweißtropfen, die mir an den Schläfen das Haar befeuchteten. Oder war das ein nasses Tuch? Ich wusste es nicht. Das einzige was ich spürte, war mein merkwürdig tauber Körper, ehe mir die Augen zu fielen.
„Avelina. Du spielst das falsch. Es ist e und dann f. Noch mal!“
Ich seufze leise, ohne das Tante Ella etwas bemerkt.
„Noch mal.“
„Ich will das nicht mehr machen!“, kreische ich und feuere die Flöte auf das grüne Sofa. Da springt Ella auf. Sie ist groß und ihre blonden Haare enden an ihrer breiten Hüfte, in die sie nun ihre Arme stemmt.
„Ich erdulde das hier für dich, Avelina! Für dich!“, schreit sie zurück, bevor ich das Klatschen höre. Dann spüre ich das Brennen auf meiner Wange.
Mit einem erschrockenen Japsen kam ich zu mir. Jemand drückte mich an der Schulter auf ein Bett, doch ich wehrte mich gegen den beharrlichen Griff und keuchte, bis ich die grauen Augen erkannte. Es war nicht Ella.
„Geht´s dir gut?“ Durch meinen trockenen Hals nickte ich. Dann rieb ich mir über mein Gesicht, das sich von diesem merkwürdigen Traum zerknautscht anfühlte.
„Wo bin ich?“
Der angespannte Gesichtsausdruck von Lucien ließ mich nichts Gutes ahnen.
„Bei meinem Clan.“
„Wer ist das?“
Wir beide drehten uns zu dem schwarzhaarigen Mädchen um, das im Eingang des kahlen Schlafzimmers lehnte. Ihre schmalen Lippen zog sie herablassend zu einen Schmollmund, und durch das Haar, das sogar noch dunkler als das von Lucien war, wirkte ihre Haut blass, wie die eines Gespenstes. Der glatte Pony, der ihr nur bis zur Hälfte der Stirn fiel, ließ ihre Wangenknochen noch kantiger erscheinen. Das Mädchen wusste, dass es gut aussah, sonst hätte sie das schwarze Netztop nicht angezogen, durch das der feine Spitzen - BH durchblitzte. Wäre das mein Outfit, hätte ich ausgesehen, als hätte ich mich in einem Fischernetz verfangen.
„Lina. Und deiner?“ Die Unbekannte biss die Zähne zusammen.
„Velvet.“
Bei dem Namen ordnete sich mein Kopf neu, bis ich mich erinnerte. Oliver hatte wie Vieh von ihr gesprochen und dennoch hatte er nicht untertrieben. Mit ihren langen Beinen, die in einem schwarzen Rock steckten, hätte sie jeden Jungen um den Finger wickeln können.
„Was hat sie hier zu suchen, Lucien?“, herrschte sie ihn an. Als wäre ich gar nicht im Raum, zischte sie: „Wir haben uns Sorgen gemacht! Du bist einfach verschwunden! Und jetzt ... Jetzt tauchst du hier mit dieser Sterblichen auf!“
Da war der Beweis. Ich war nicht übernatürlich. „Jetzt ist sie in unserem Sakral! Hast du eine Ahnung, was du da angerichtet hast?“ Währenddessen verzog der Schwarzhaarige keine Miene, und blieb emotionslos, bis sich Velvets hektischer Atem unter ihrem Stofffetzen wieder beruhigte. Inzwischen erklang aus einer der offen stehenden Türen leise, melodische Musik. Tragend, melancholisch. Ich zog die feste Decke enger um mich. Luciens Stimme klang ernst und neutral.
„Sie ist keine Sterbliche.“ Die Blicke der Beiden riefen eine Explosion hervor.
„Ach ja? Und was ist sie dann?“ Diesmal musterte er mich, als er nachdenklich antwortete: „Ich weiß es nicht. Aber eine Sterbliche ist die kleine Kratzbürste definitiv nicht.“
Ich knurrte. „Nennt mich Lina.“
Da hob er eine Augenbraue. „Ich darf also das Ave weglassen, ja? Ich merk´schon, wir kommen uns immer näher.“
„Schick sie weg“, murrte Velvet. „Sie hat zwei Tage dieses Zimmer bewohnt, denkst du nicht, das reicht an Gastfreundlichkeit?“
Vor Schock wich mir das Blut aus den Wangen. „Zwei Tage?“, wiederholte ich schockiert. Nur langsam setzte ich mich auf, wobei ich das Ziepen im Bauch ignorierte. Schnell suchte ich nach meinem Handy. Da drehte Lucien sich zu mir um. „Wärst du mir nicht dazwischen gerannt, wäre das alles nicht passiert.“
Ich sagte nichts. Stattdessen fragte er an Velvet gerichtet: „Wie geht es Will?“
Bei seiner Frage schielte sie arglistig zu mir hinüber. Seufzend stand ich auf. Zuerst war mir schwindelig. Ich taumelte, bis Lucien mich um die Hüfte griff. Wir sahen uns an. Kein Laut kam mir über die Lippen. Zu intensiv war dieser Ausdruck auf seinem Gesicht und das Gefühl seiner ausgeprägten Bauchmuskeln an meinem Bauch. Dann stieß ich mich ab, und merkte, wie heftig mein Herz pochte. Irritiert schüttelte ich den Kopf.
„Ich werd´ dann wohl draußen warten.“ Niemand hielt mich auf.
Noch im gleichen Moment wie das Schloss ein Klicken von sich gab, ging das hitzige Gemurmel sogar durch die Tür. Eigentlich hätte ich jetzt weggemusst, doch ich rang mich nicht dazu durch, auch nur einen Schritt zu machen. Stattdessen legte ich den Kopf gegen die Wand, das Ohr möglichst nah. Es erinnerte mich an meine Kindheit. Aufregung legte sich wie ein Mantel um mich, als ich weitere Gesprächsfetzen verstand: „Er hat ein Mädchen gesehen, Luc. Wenn das-“
„Wir wissen es nicht“, schnitt er ihr das Wort ab.
„Falls es aber doch so ist, sollten wir Sie-.“
„Ich sagte bereits Nein zu deinem Vorschlag, Velvet.“ Durch einen ohrenbetäubenden Knall, zuckte ich zusammen.
„Schön! Wie du willst!“
„Vel-“
„Du bist Schuld, wenn sie uns verfluchen! Ganz allein du!“, kreischte sie, bevor es erneut schepperte. Plötzlich riss jemand die Tür auf. Schnapp atmend taumelte ich ein Stück zurück, während Lucien die Arme vor der Brust kreuzte.
„Du kannst aufhören zu Spannern.“ Er lief durch den dunklen Flur, bis zu einer Treppe.
Eher widerwillig entschuldigte ich mich, was er aber konsequent ignorierte, während er weiter auf die geschwungene Treppe zusteuerte. „Und jetzt?“ Als er sich zu mir umdrehte, waren seine dunklen Augen zusammen gekniffen. „Jetzt lernst du die Anderen kennen.“ Eilig ging er weiter, bis er am Anfang der Stufen verharrte. Unschlüssig stand ich immer noch mitten im Raum, bis er sich erneut seufzend zu mir umdrehte. „Hör mal. Ich will nicht den ganzen Tag hinter mich blicken müssen um nach zu schauen, ob du mir auch artig folgst. Also komm jetzt endlich.“
„Ich bin kein Hund“, murrte ich, obwohl ich mich dann doch beeilte. Es roch nach frischen Nelken und Räucherstäbchen, als wir die geschwungene Treppe nach unten stiegen. „Was ist dieses Sakral eigentlich?“ Als meine vor Dreck strotzenden Schuhe, wie ein Maulwurf, auf dem glänzenden Boden eine krümelnde Spur aus Erde hinterließen, wollte ich schon nach einem Kehrer fragen, als der Dreck, wie in Treibsand, versickerte. Blinzend starrte ich auf die wieder sauberen Fliesen, bis Lucien achselzuckend in mein Blickfeld trat. „Wir haben es nicht so mit Saubermachen.“ Er stülpte sich die dicken Stiefel von den Schuhen und ihn nur auf Socken zu sehen brachte mich irgendwie zum Schmunzeln.
„Was ist so komisch?“
„Nichts.“
„London ist ein Hexenherd. Hier leben wir als Clans, in einem Haus. Das ist unser Sakral. Unser Allerheiligstes.“ Entschieden schüttelte ich den Kopf. „Deine Freundin ist auch der Meinung, dass ich eine Sterbliche bin. Ich bin ganz normal.“ Da stoppte Lucien mitten im Flur, sodass ich genervt gegen sein breites Kreuz prallte. Ernst sah er mir in die Augen. „Du bist kein Mensch. Denn wärst du einer, würdest du hier jetzt nicht stehen können. Du konntest mein Schwert anfassen, und in der anderen Dimension überleben. Wärst du eine Sterbliche, liebe Avelina, wärst du jetzt tot.“