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5.Namensgebung und mögliche Ursachen der Dschihad-Teilnahme

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Wie bereits geschildert, werden die tschetschenischen Dschihadistinnen in der Öffentlichkeit häufig als Schwarze Witwen bezeichnet. Dieser Name erinnert zunächst an eine Spinnenart, die ihren männlichen Partner nach dem Liebesspiel verspeist.133 Tatsächlich weist die Namensgebung im vorliegenden Fall jedoch keinen Fauna-Bezug auf, sondern ist, neben dem Verweis auf die schwarze Ganzkörperverschleierung der Protagonistinnen, vielmehr Ausfluss der nüchternen Realität, dass die meisten Selbstmordattentäterinnen mit tschetschenischem Hintergrund, häufig verwitwete Frauen waren, die aus Trauer um ihren Verlust, Vergeltung an den ›Tätern‹ üben wollten. Zudem handelte es sich bei ihnen um Frauen ›fortgeschrittenen‹ Alters,134 die aus individueller Perspektivlosigkeit und um den Eltern die vermeintliche Schande zu ersparen, eine ›ältliche‹ Tochter ihr Leben lang mit ernähren zu müssen, in den Dschihad gingen.135 Ein dritter Grund für die Tschetscheninnen, in den Dschihad zu ziehen, liegt in der beruflichen Perspektivlosigkeit, die noch immer in vielen Regionen Tschetscheniens vorherrscht und insbesondere die Frauen betrifft.

Diese grundsätzliche Perspektivlosigkeit ermöglicht den sogenannten ›Anwerberinnen‹ eine besonders ›leichte‹ Rekrutierung der jungen Frauen, die sie mit wahabitischer Literatur und Kleidung zunächst religiös indoktrinieren, um im weiteren Verlauf – auch über Süßigkeiten und Geld – das bereits initiierte Vertrauensverhältnis zu vertiefen.136 Wenn jenes Vertrauensverhältnis einigermaßen gefestigt ist, bringen sie die jungen Frauen entweder nach Russland oder zu einem anderen Zielort, setzen sie dort unter Drogen und unterstellen sie somit ihrer permanenten Kontrolle.137 Zum Teil spielen ihnen verwandte oder fremde ›Cousins‹ zudem vor, sie zu lieben und umgarnen sie mit Aufmerksamkeit und scheinbarer Liebe, die sie zu Hause nie bekamen. Durch diese intensive Zuwendung, die häufig mit der Gabe von weiteren Geschenken einhergeht, erlangen sie das Vertrauen der jungen Frauen, und es gelingt ihnen in der Folge oftmals, sie zu verführen, wodurch diese ihre Jungfräulichkeit verlieren.138 Der Verlust dieser sexuellen ›Unschuld‹ bedeutet in tschetschenischen Kreisen, die zumeist sehr puritanisch geprägt sind und bei denen oftmals, in ähnlicher Weise wie in anderen Kulturen auch, die »Ehre der Familie« über die Frau139 definiert wird, eine zusätzliche ›Schande‹, die die Tochter ihrer Familie – neben der beruflichen und familiären Ausweglosigkeit durch ihren Single-Status – bereiten würde.140 Aufgrund der geschilderten, perfiden Vorgehensweise der ›Anwerberinnen‹, den arrangierten sexuellen Kontakten und dem damit einhergehenden scheinbaren ›Ehrverlust‹ der jungen Frauen, willigen diese infolge ihrer scheinbar ›allgemeinen‹ Ausweglosigkeit ein, ihr Leben ›für‹ Tschetschenien, die Muslime oder die ›gemeinsame Sache‹ hinzugeben.

Warum immer noch die Frauen hierfür instrumentalisiert oder benutzt werden, ergibt sich zum einen aus der Annahme, dass weibliche Attentäterinnen weniger oft kontrolliert werden als männliche, weil man dem weiblichen Geschlecht diese Form der Gewaltanwendung weniger zutraut.141 Zum anderen ergibt sich dieser Umstand aus der Tatsache, dass männliche Tschetschenen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, denen noch immer in Tschetschenien ansässigen russischen Milizen als potentielle Gefahr für die russische Obermacht gelten. Jene russische Hegemonie über Tschetschenien wird durch den tschetschenischen Verbündeten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Präsident Ramzan Kadyrow, und seine Milizionäre vertreten, die die jungen Tschetschenen häufig entführen und körperlicher142 sowie sexueller Misshandlungen unterziehen. Um ihren Söhnen diese Torturen zu ersparen, bringen ihre Mütter sie zumeist vor dem Erreichen der Adoleszenz ins benachbarte Ausland.143

Eine weitere Gruppe junger Tschetscheninnen hat sich für den Dschihad entschieden, weil sie sich aufgrund der Erzählungen der Familie, wie »schön und wild Nokhchi Mokhk« vor der Okkupation durch die Russen gewesen sei144 und was diese den Tschetschenen angetan hätten und noch immer antun,145 in der Pflicht sahen bzw. sehen, in den Kampf zu ziehen.

Demnach sehen sich viele Frauen auch selber nicht als Opfer ihrer Umgebung oder Indoktrination, sondern als Täterinnen, Verantwortliche oder als Kämpferinnen.146 Es ist fraglich, inwieweit sie eigenverantwortlich handeln, da sie zweifellos kurz vor den Selbstmord-Anschlägen häufig nicht mehr willens sind, diese Befehle auszuführen.147 Da es hiervon sehr viele Fälle gab, gingen diejenigen, die sie dazu überredeten, sich selbst in die Luft zu sprengen, dazu über, die Bomben an ihren Körpern per Fernzündung zu bedienen, um ›sicherzustellen‹, dass die Bomben auch gezündet würden und ihre ›Ziele‹ erreichten.148 Hinzu kommt die Drogenzufuhr, die diese jungen Frauen kurz vor der Tat erhalten, um wie ›ferngesteuert‹ zu reagieren und sich keine eigenen Gedanken mehr über ihr Handeln machen zu können.149

Im Falle der drei ausgewerteten Interviews handelt es sich um Frauen, die der ersten Gruppe, die hier als Witwe definiert wird, der zweiten Gruppe, die in der vorliegenden Untersuchung als ältliche Tochter bezeichnet wird, sowie der vierten Gruppe, die als Traditionsbewusste charakterisiert wird, angehören.150

Dschihad als Ausweg

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