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3.Gasawat

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Die tschetschenischen Kämpferinnen verwenden in ihren Ausführungen zur ›Notwendigkeit‹ des Kampfes oftmals den Begriffs Gasawat, um ihre Teilnahme am kriegerischen Dschihad zu begründen.116 Der Begriff Gasawat bedeutet in der Übersetzung »Heiliger Krieg« und bezieht sich auf den Aufruf des ersten Imams des nördlichen Kaukasus, Scheich Mansur, an die lokalen Bauern und Stämmen, sich in Form des Gasawats gegenüber jeglicher Form sozialer Ungerechtigkeit, den Russen sowie deren regionalen Verbündeten, die als personifizierte Unterdrücker und Helfer des Bösen betrachtet wurden, zu erheben.117

Inwiefern korrespondiert der hier beschriebene religiös legitimierte Volksaufstand jedoch mit der gegenwärtigen Dschihad-Teilnahme der tschetschenischen Kämpferinnen? Und wie ist es möglich, dass tschetschenische Frauen am Kampf teilnehmen, obwohl das kaukasische Moralgesetz Adat der Frau weder die Rolle der Rächerin noch die der Kämpferin zugesteht?118

Um diesen Zusammenhang zu begreifen, empfiehlt sich ein kurzer Exkurs in die Konzeption des Terminus Dschihad. Der Begriff Dschihad leitet sich aus dem arabischen Wort (Jahd) ab und wird als »Anstrengung« oder »Bemühen« übersetzt.119 Die Übersetzung des Begriffs Dschihad als »heiliger Krieg« ist demnach inadäquat, zumal das Synonym des Verbes ›kämpfen‹ aus dem arabischen Wort qital abgeleitet wird und viermal so oft im Koran Verwendung findet wie der medial präsentere Begriff Dschihad.120 Grundsätzlich wird der Dschihad in drei Dimensionen aufgesplittet:121 den kleinen, kriegerischen Dschihad, dessen Bedeutungsgehalt theologisch betrachtet sehr gering ist, den mittleren Dschihad, verstanden als ›Wissensstreit‹, sowie den großen und bedeutsamsten Dschihad eines jeden Gläubigen, die kontinuierliche Anstrengung, ein rechtschaffener Gläubiger zu sein.122 Die Verquickung des Konzeptes des kleinen Dschihads mit dem tschetschenischen Äquivalent des Gasawats der Kämpferinnen basiert auch auf dem Kult um die im historischen Exkurs erwähnten Muriden. Diese berühmten kaukasischen Kampftruppen waren nicht nur für ihre Glaubensfestigkeit hinsichtlich der Prinzipien der Scharia sowie des Gasawats bekannt, sondern wurden auch aufgrund der sozialen Gerechtigkeit, die sie in ihrem Umfeld konstituierten, verehrt.123 Die tschetschenischen Kämpferinnen versuchen demnach durch ihr Wirken, die Tradition dieser ›ehrenvollen‹ Kämpfer zu imitieren und hierdurch deren Andenken zu huldigen. In eben jener Tradition agierte auch Bassajew, der sich selber als Amir der Islamischen Brigade der Märtyrer bezeichnete, während der saudische Abu al-Walid vielmehr dem wahabitischen Dschihad-Konzept nacheiferte. Ein verbriefter Hinweis auf das Konzept des kleinen Dschihads bzw. Gasawats und die individuelle Pflicht zur Teilnahme daran, findet sich ebenfalls im Majlis al-Shura, dem nationalen Scharia-Verteidigungsrat, aus dem Jahr 2003 zur Verteidigung des Islams und dessen Verbreitung sowie zum Schutz ›Gläubiger‹ und ›Ungläubiger‹, die sich unter dem Schutz der muslimischen Rechtsprechung befänden.124

Während das Kaukasus Emirat, als eine dschihadistische Gruppe mit Verbindungen zu Al-Qaida (AQ), bis zu Beginn der 2000er Jahre maßgeblich für terroristische Aktionen verantwortlich war, verlor diese Bewegung seit der Entstehung des Islamischen Staates, dem gegenüber viele lokale DschihadistInnen den Treueeid ablegten, an Bedeutung, obwohl das Kaukasus Emirat nach wie vor über zahlreiche Unterstützer verfügt, die in seinem Namen Anschläge verüben.125 Es existieren inhaltliche Übereinstimmungen hinsichtlich der dschihadistischen Ideologie des Kaukasus Emirats und der Gruppe Junud al-Sham, welcher die Respondentinnen vermeintlich angehören, bspw. im Hinblick auf die Ablehnung Andersgläubiger oder die Rechtfertigung von Gewalt.126 Unterschiede finden sich in Bezug auf die nationalstaatlichen Bestrebungen, die während der Interviews mit den Tschetscheninnen zum Teil erkennbar wurden und im weiteren Verlauf dieser Untersuchung detailliert werden.

Dschihad als Ausweg

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