Читать книгу Nela Vanadis - Nina Lührs - Страница 11
Einer gegen alle
ОглавлениеEs war dunkel im Foyer, nur das schwache Licht des Mondes hüllte die Dunkelheit in einen trüben Schleier, verlieh ihm zugleich einen hehren und furchteinflößenden Flimmer. Von draußen drang das Zirpkonzert der Grillen in die scheinbar menschenleere Villa. Kein Herz eines Elhazen pochte hörbar innerhalb dieser Mauern, dennoch erwartete der Lysane Fidos Handlanger jeden Moment, denn Jarick war das Ziel dieses perfiden Machtspiels.
Mit geschlossenen Augen verharrte Jarick mittig des Raumes, bereit, jederzeit das Schwert todbringend seinen Gegner entgegen zu strecken. Noch lag Billarehtu locker in seiner rechten Hand. Das Schwert, das er einst selbst in der heißen Esse der Feuerwelt schmiedete, fing das schwache Licht ein und glänzte in einem zarten Silberton, sodann erschien auf der Klinge in den uralten Schriftzeichen sein Name: Billarehtu. Das rudimentäre Emblem der Gerichtslinde Tilia schmückte die Parierstange. Versteckt in den Verzierungen befand sich das Symbol der Alvaren als Widmung an die vergangenen und bevorstehenden Bündnisse. Auf dem Kopf des Knaufs war das kunstvolle Wappen seines Besitzers eingelassen. Unter der Linde, umringt von zwölf Steinen, stand sein Herrschersitz, auf dessen Rückenlehne ein Kauz ruhte und auf dessen Sitzfläche Billarehtu, das Schwert des Rechts, mit dem Ort gen Himmel thronte.
All seine Sinne richtete Jarick auf seine Umgebung. Noch waren die Drauger nicht in der Nähe des Anwesens. Noch bestand die Möglichkeit, dass die Todesdrohung nur ein leeres Versprechen war. Demzufolge würde es keinen Angriff geben, in dem Drauger sterben mussten, die dem Narren eines Tyrannen folgten. Allerdings besaß Theo Frankus eine grausame Ader, vor allem wenn es um den Erhalt seiner Macht ging. Der Draugerjarl besaß eine bizarre Vorliebe für niederträchtige Untertanen. Normalerweise suchte Theo Frankus, zwar umgeben von seinen Lakaien, den direkten Konflikt mit seinem Konkurrenten, aber sein Than Fido spielte gerne Verwirrspielchen, um dann hinterhältig zuzuschlagen.
Geduldig, alle ablenkenden Gefühle von sich schiebend, wartete Jarick auf den Moment des Kampfes.
Obwohl die Handlanger das Anwesen lautlos betraten, nahm Jarick sie augenblicklich wahr. Wie erwartet, handelte es sich um junge Drauger, der Älteste zählte höchstens hundert Lenze. Gewiss gab es gute Kämpfer unter ihnen, aber konnten sie es mit einem Asen, einem Gott aufnehmen? Jarick bezweifelte es. Ein Jammer, wenn die sechs Recken ihr neues, noch so kurzes Leben für diese Nichtigkeit lassen mussten. Wenn Theo Frankus ein wahres Oberhaupt seines Ordens wäre, würde er selbst sich seinem Gegner stellen und die Angelegenheit regeln.
Jarick ließ die Angreifer genau wissen, wo er sich in der Villa befand. Es wäre doch unnötig verschwendete Zeit, wenn sie ihn erst suchen müssten. Zügig näherten sich die Eindringlinge dem Gebäude, dabei teilten sie sich in zwei Gruppen. Eine wartete zögernd vor der unverschlossenen Haustür, während die andere sich der Terrassentür näherte. Kurz verharrten sie, prüften die Umgebung auf eine mögliche Falle. Ein Drauger machte sich ans Werk, die Tür leise aufzubrechen. Naiv flüsterte er: „Die haben vergessen, die Tür zu verriegeln.“ Als der Anführer der Gartengruppe den stummen Befehl zum Angriff gab, schloss er eine Gefährdung seiner Untergebenen aus. Wie falsch er doch mit dieser Einschätzung lag, denn im Innern der Villa erwartete sie ein göttergleicher Krieger.
Jaricks Hand schloss sich fester um das Heft Billarehtus, als die drei Drauger blindlings durch das Wohnzimmer ins Foyer stürmten. Im Garten flatterte Winifred aufgebracht mit ihren Flügeln, dabei Warnrufe ausstoßend.
***
Unruhig saß Nela neben Tristan in der engen Geheimkammer hinter der Apfelblütentapete. Vergebens strengte sie ihr Gehör an, um irgendeinen Hinweis über Jarick zu bekommen. Aber der Raum schirmte jegliches Geräusch von draußen ab, genauso wie er jedes innere gefangen hielt. Nur ihren eigenen Herzschlag und das nervenaufreibende Fingertrommeln auf der Holzplatte des Apfelkerntisches schallten in ihrem Gehörgang.
Möglichst viel Zuversicht ausstrahlend, sah die Walküre zu ihrem Wächter, beruhigend legte Nela ihre Hand auf seine. Augenblicklich erstarb das Trommeln. „Sie finden dich nicht“, flüsterte sie ihm hoffnungsvoll zu. Nur zu gut verstand Nela das lähmende Gefühl der Angst, wenn ein Feind das eigene Leben bedrohte. Tristans Blick wandte sich erneut dem Eingang zu, der von Tills breitem Kreuz verdeckt wurde. Verteidigungsbereit verharrte der Huscarl auf dem beengten Platz. Falls ein feindlicher Drauger es dennoch schaffte, die geheime Tür zu finden und diese gar zu öffnen, würde der Eindringling sofort von Tills Schwert willkommen geheißen.
Jaricks Befehl an den Huscarl hallte in ihren Ohren wider: „Verteidige sie mit deinem Leben!“ Aber wer verteidigte ihren geliebten Wikinger? Bei dem Gedanken, er könne sein Leben verlieren, schnürte sich ihre Kehle zu. Mochte er auch ein mächtiger Ase sein, trotzdem bangte Nela um sein Wohlergehen.
„Till, du musst Jarick helfen“, bat Nela den Drauger flehend, weil seine kriegerischen Fähigkeiten in dieser Geheimkammer nur unnütz vergeudet wurden. Sein Platz befand sich im Foyer, um die Angreifer mit Jarick zusammen in die Flucht zu schlagen.
„Mein Platz ist hier“, erwiderte er stoisch, ohne sich zu ihr umzudrehen.
„Tristan und ich sind in dieser Kammer sicher, aber Jarick kämpft alleine“, versetzte Nela.
„Er ist ein sehr guter Krieger“, versuchte Till, die junge Walküre nachdrücklich zu beruhigen.
„Selbst der beste Krieger trifft irgendwann jemanden, dem er unterliegt.“ Dem konnte Till nicht widersprechen.
„Selbst, wenn dieser Krieger heute unter den Angreifern wäre, verlasse ich keinesfalls meinen Posten, Nela. Deine Sorge ist unbegründet, weil die Eindringlinge alle viel zu jung und unerfahren sind.“
„Kämpfen sie schon?“, wollte Tristan angespannt wissen.
„Ja“, bestätigte Till einsilbig in seiner bewegungslosen Haltung vor der verschlossenen Stahltür.
„Weißt du, was sich gerade im Foyer abspielt?“, wollte Nela angespannt wissen.
„Nein. Leider kann ich den Kampf nicht hören, weil dieser Raum schallisoliert ist. Zudem nehme ich auch keine Aura der Eindringlinge wahr. Irgendetwas, vermutlich Mistelholz, in den Wänden schwächt meine Fähigkeiten.“
„Kannst du Jarick spüren?“, hoffte Nela.
„Ja, aber nur sehr schwach durchdringt seine mächtige Aura den Schutzwall.“ Erleichtert atmete Nela auf.
Die Zeit verstrich. Unzählige Male fragte Nela den Huscarl nach ihrem Wikinger. Jedes Mal gab er ihr dieselbe Antwort: „Er lebt.“ Till wollte sie nur mit seiner Äußerung beruhigen. Der Drauger wusste nicht, was sich außerhalb der Geheimkammer ereignete.
Abrupt sprang Nela auf. „Ich kann hier nicht länger untätig warten!“
Blitzschnell drehte Till sich um. „Du bleibst!“, befahl er energisch.
„Geh mir aus dem Weg!“, forderte Nela den Huscarl auf.
„Nein! Zwing mich nicht, dich mit Gewalt zu halten, Nela“, warnte Till sie.
„Das wagst du nicht!“
„Oh doch! Jarick wird mich pfählen, wenn ich dich hinauslasse.“ Gefasst erkannte Nela, dass Tills Befehl lautete, genau darauf zu achten, dass die beiden Elhazen dort blieben, wo Jarick sie versteckt hatte.
***
Unüberlegt stürmten die ersten drei Drauger mit erhobenen Waffen auf den Lysanen zu, während die anderen drei wachsam zur Haustür hereinschlichen. Kurz bevor die Unbedachten Jarick erreichten, ließ er den Jünglingen seine mächtige Asenaura spüren. Überrumpelt von dieser ungewohnten Macht stockten sie in ihrem Angriff. In diesem Moment musste der drauganische Instinkt ihnen verraten, dass ihnen ein Lysane gegenüber stand, der mächtiger als ihr Oberhaupt war.
„Wenn Euch Euer Leben lieb ist, dann verschwindet“, warnte Jarick mit tiefer, machtvoller Stimme. Unheilvoll hallten seine Worte in der Vorhalle wider. Trotzdem griff ihn ein wutschnaubender Drauger aus der leichtsinnigen Gartengruppe mit einem Dolch an. Blitzschnell schwang Jarick sein Schwert, daraufhin flog der Dolch, immer noch das Heft von der Hand umklammert, durch die Luft, während der Drauger schmerzerfüllt aufschrie. Taumelnd, um seine Wunden zu lecken, zog er sich in eine dunkle Ecke zurück.
Blind vor Wut attackierten seine beiden Kumpanen Jarick, auch diese nur mit kurzen Stichwaffen gegen den bevorstehenden Kampf gerüstet. Jarick reagierte, brachte Billarehtu in die richtige Position, um den ersten Drauger abzuwehren, in dessen Augen die Entschlossenheit schimmerte, seinen Gegner qualvoll zu ermorden. Seine Mordgier jubelte bereits über die bevorstehende Tat. Im Bruchteil einer Sekunde entschied Jarick, dass die neun Welten und ihre Bewohner, ob eingeweiht oder unwissend, besser von diesem blutgierigen Jüngling befreit wurden. Gezielt führte Jarick sein Schwert, schlug ohne jegliches Zögern zu. Blut spritzte an die Wände, als der Kopf vom Rumpf auf das Parkett fiel, gefolgt vom Leib. Augenblicklich griff ihn der zweite Drauger im Rücken stehend an. Behände führte Jarick seine Waffe unter seinen linken Arm hindurch, drehte sich auf dem Absatz herum und bohrte Billarehtu in den Bauch des Angreifers, dieser sank, sich vor Schmerzen windend, zu Boden. Nur das laute Kampfgeschrei eines weiteren Jünglings übertönte seine schmerzerfüllten Klagelaute, die bei jedem unerfahrenem Gegner einen Angstschauder auslösten.
Genau jede Bewegung des überreizten Draugers im Visier richtete Jarick Billarehtu mit dem Ort voran dem Jüngling im richtigen Moment entgegen. Unfähig sich selbst noch zu stoppen, spießte der Angreifer sich auf. Blitzschnell zog Jarick sein Schwert aus dem Hals des Draugers, um sich in einer Rückwärtsdrehung dem nächsten Gegner zu stellen. Dieser blieb erschrocken vor der Spitze der langen Klinge stehen, die direkt auf sein rechtes Auge zeigte. Sein Blick traf auf die kalt glühenden Augen des mächtigen Asens. Innerhalb einer Sekunde begriff der Drauger seine Niederlage, umgehend suchte er das Weite.
„Für die Gerechtigkeit“, rief der letzte Drauger sich dem Asen mit einem Schwert stellend. Den ersten Hieb wehrte Jarick schwungvoll ab, dabei verlor der Angreifer beinahe seine Hiebwaffe aus der Hand.
„Junge, lasst es gut sein! Geht und lebt“, riet Jarick ihm eindringlich, während sich die Schwerter kreuzten.
„Nenn mich nicht Junge!“, blaffte der Drauger ihn an. „Nur weil du ein Geborener bist, brauchst du nicht herablassend zu werden.“
„In Anbetracht meines Alters bist du ein Junge. Nur eine Tatsache, keine Beleidigung.“ Lauernd umkreisten sich die beiden, immer auf der Hut vor dem nächsten Hieb.
„Beleidigung und Befehlsmissachtung. Kein Wunder, dass Theo Frankus dich bestrafen lässt“, versetzte der Jüngling.
„Theo Frankus? Ich erhielt nur einen gesetzeswidrigen Befehl von Wigald Rabe“, gab Jarick zurück.
„Egal, wer den Befehl überbrachte, er stammt von unserem Oberhaupt. Weshalb sollte er sonst seine würdigen Krieger schicken, um seine Gebote durchzusetzen?“, entfuhr es dem Drauger überreizt, amüsiert lachte Jarick auf. „Würdig?!“
„Mach dich nicht lustig!“, herrschte der Jüngling ihn an, zugleich schaffte er es mit einem vorgetäuschten Angriff, Jarick zu überraschen, aber nicht aus dem Konzept zu bringen. Nicht dieser Angriff erstaunte ihn, sondern die Tatsache, dass er diese Finte einsetzte. Zügig erlangte der Ase die Oberhand zurück.
Sogleich fragte Jarick den Drauger nach seinem Ansu. Eine Frage, die als äußerst unhöflich angesehen und nur extrem selten beantwortet wurde, denn die besondere Verbindung zwischen einem Ansu und seinem Kenbur machte beide auf unterschiedliche Weise angreifbar. Stets strebte der Ansu danach, seinen Kenbur vor Feinden zu beschützen.
„Das geht dich nichts an!“
„Doch, ich möchte später deinem Ansu dein hübsches Köpfchen überreichen“, forderte Jarick ihn heraus. Keinesfalls beabsichtigte er, diesen jungen Drauger den Tod zu bringen.
„Das wird niemals geschehen. Wer hat dich in die Welt gesetzt? Damit ich ihnen deinen Kopf bringen kann“, entgegnete er dem Asen frech. Natürlich begegnete der Jüngling ihm mit einer Gegenfrage. Kein Lidam verriet leichtfertig seine Sebjo.
„Deine Überheblichkeit wird dich nicht davor bewahren“, versprach Jarick, bevor er in Plauderlaune auf seine Frage einging, „Das wird schwer. Mein Vater befindet sich zurzeit in der Unterwelt Hel. Die Herrin des Totenreiches wird dir den Zutritt verwehren.“
Jarick spürte, dass ein guter Kerl in dem Jüngling steckte, daher war es ein Jammer, dass er unter der Fuchtel dieses niederträchtigen Fido Tanners stand.
„Den Scheiß soll ich dir glauben?“, spie er verachtend aus.
„Laber nicht so viel herum, Hannes. Mach ihn kalt“, keuchte der verletzte Drauger aus der dunklen Ecke. Daraufhin war der Jüngling kurz unachtsam, da er sich von seinem Kumpan ablenken ließ. Natürlich nutzte Jarick diesen Moment. Mit der linken Hand befreite er seinen Mistila aus dem Gürtel, rasch pfählte er den jungen Drauger. Bewegungsunfähig sank dieser mit einem überraschten Gesichtsausdruck zu Boden. „Ich lasse dir dein Leben, Junge“, flüsterte Jarick ihm zu, als er neben ihm kniete. „Betrachte es als Geschenk. Verschwende es nicht dafür, deinen Stolz zu rächen.“
Mit Schwung erhob Jarick sich aus der Hocke, sogleich holte er die Weite Stimme aus seiner Hosentasche. „Jarick Richter. In Lunela Vanadis‘ Villa gab es einen Kampf mit Draugern.“ Der Lysane legte auf.
„Du rufst die Alvaren?“, wunderte sich der verletzte Drauger, der seinen handlosen Arm dicht an seine Brust presste. Notdürftig hatte er den Arm abgebunden, damit der Blutfluss verringert wurde. Jarick sah keinen Sinn darin, ihn ebenfalls zu pfählen, ihn zusätzlich mit dem Mistelholz zu vergiften, weil ihn der Blutverlust schon genug schwächte, unfähig eigenständig in aufrechter Haltung diesen Raum zu verlassen.
„Irgendwer muss hier aufräumen“, erwiderte Jarick herablassend.
„Die Alvaren sind Gesetzeshüter und keine Putzkolonne“, keuchte der Drauger empört.
„Ich wurde angegriffen, habe mich verteidigt und nun müssen sich die Alvaren um euch kümmern. Ihr habt Gesetze gebrochen, für die ihr euch verantworten müsst.“
„Du hast einen Befehl des Jarls missachtet!“, entfuhr es dem Drauger aufgebracht.
„Nein. Den einzigen Befehl, den ich erhielt, kam in Form eines Briefes von Wigald Rabe. Der Obermeister und ich klärten diese Angelegenheit bereits“, erwiderte Jarick gelassen.
„Theo Frankus wird sich das nicht gefallen lassen“, spie sein Gegenüber aus.
„Richte deinem Jarl aus, dass weder ich noch die Meinen sich von einem Drauger hinterrücks bedrohen lassen. Gerne bespreche ich diese Angelegenheit mit Theo Frankus unter vier Augen.“
Jarick wandte sich ab, um die Alvaren zu empfangen, die gerade auf dem Hof fuhren.
„Wo auch immer du diesen verdammten Walkür versteckt hast, inzwischen wird er tot sein“, rief der Drauger ihm zornig hinterher.
Jarick ignorierte das Gerede des handlosen Jünglings, denn im Gegensatz zu ihm, wusste und spürte der Lysane, dass Tristan lebend in der Geheimkammer verweilte. Doch er würde ihn, Nela und Till erst aus der Kammer befreien, wenn die Handlanger diese Villa verlassen hatten.
Kein Außenstehender durfte erhaschen, dass es in dieser Villa eine Geheimkammer gab, die Menschen vor Asen, Vanen und Drauger verbarg. Auf den ersten Blick erschien diese Villa schutzlos, doch wenn man genau hinsah, gab es Schutzvorkehrungen. Die Geheimkammer, selbst die Lage der Villa. Das Anwesen war umringt von Unwissenden. Weit und breit lebten keine Eingeweihten. Normalerweise war bei einem offenen Angriff das Risiko zu groß, dass die unwissende Welt von der anderen erfuhr. Theo Frankus schickte Jünglinge als Meuchelmörder. Lautlos, ungesehen sollten sie im Schutze der Nacht ihre Opfer töten. A. F. hingegen befahl die Morde am helllichten Tag.
„Ivo, es freut mich, dich zu sehen“, begrüßte Jarick seinen Kenbur. Hinter ihm standen noch weitere Alvaren. Wigald Rabe sandte mehr Gesetzeshüter als nötig, gewiss vermutete er einen größeren Kampf.
„Es freut mich auch, Ansu“, erwiderte dieser.
Rasch kümmerten sich die Meister um die drei verletzten Eindringlinge, während die Schüler sich der beiden Leichen annahmen. Bestürzt eilte Ivo an die Seite des gepfählten Draugers. „Hannes!“, entfuhr es ihm sogleich besorgt und wütend.
„Du kennst ihn?“, fragte Jarick gleich in einem sehr strengen Ton.
„Er ist mein Kenbur“, antworte Ivo leise, fast beschämt.
„Hannes, lass dich nicht unterkriegen“, schrie der Handlose Ivos Kenbur zu. „Fido wird dich holen, sobald er den Walkür erledigt hat.“
Besorgt sah Ivo seinen Erzeuger an. ‚Geht es deinem zukünftigen Schüler gut?‘, formte er die Frage in seinen Gedanken. Jarick nickte nur.
‚Bring deinen Kenbur sofort aus meiner Reichweite. Erziehe ihn, Ivo. Ich möchte nicht noch einmal erleben, dass ein Kenbur meines Kenburs mich angreift und meine Sebjo bedroht.‘ Jaricks durchdringende Stimme hallte in Ivos Kopf, ließ ihn kurz ehrfürchtig inne halten, um sich dann umso schneller seiner Aufgabe zu widmen, damit er schleunigst aus den Augen seines wütenden Ansus verschwand.
„Ja, Ansu“, versprach Ivo ergeben, befreite Hannes` Brust von den Mistila, zog ihn auf die Beine und führte ihn zum Ausgang, während er sein Bündnis zu sich rief.
Nachdem die Villa von den Toten und Verletzten befreit und die Alvaren sich verabschiedet hatten, ging Jarick zügig zum Arbeitszimmer. Dort öffnete er die Tür der Geheimkammer. Erleichtert sahen Till, Nela und Tristan ihn an, als sie den kleinen Raum verließen.
„Ist das Problem gelöst?“
„Nein. Tristan schwebt immer noch in Gefahr. Anscheinend hat Theo mehrere Trupps losgeschickt.“
„Na toll“, entfuhr es Tristan verzagt. „Warum muss ausgerechnet ich Todesängste für einen Machtkampf zwischen zwei Lysanen ertragen? Könnt ihr das nicht in einem Zweikampf regeln?“
„An mir liegt es nicht“, unterstützte Jarick den Vorschlag seines zukünftigen Schülers.