Читать книгу Nela Vanadis - Nina Lührs - Страница 8

Aikoloh

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„Seid gegrüßt! Was kann ich für Euch tun?“, begrüßte sie der Schneider musternd. „Ah, Besucher aus Midgard.“

Nela schaute sich um, währenddessen Tristan mit dem Mann sprach. Wunderschöne Kleider aus verschiedenen Stoffen und Farben lagen auf einem Tisch ausgebreitet: Seide, Samt, Leinen.

„Wir brauchen schlichte Gewänder. Akzeptiert Ihr Geld aus unserer Welt?“

„Nein. Aber gleich nebenan ist eine Geldstube. Dort könnt Ihr es tauschen“, erwiderte der Schneider.

Daraufhin wandte sich Tristan Nela zu, sogleich ließ er sie leise wissen: „Ich werde schnell Geld wechseln.“ Nur widerwillig stimmte sie zu, denn der Gedanke gefiel ihr gar nicht, hier alleine auf ihn zu warten. Alleine. Schutzlos vor den Birgern.

„Petunia“, rief der Schneider nach hinten, „wir haben Kundschaft.“ Augenblicke später erschien eine rundliche Frau. Ihre Tunika reichte bis zum Boden, gekonnt hatte sie ihre dunklen Haare zu einem Knoten hochgesteckt. Geschult betrachtete sie Nelas Figur und kam langsam auf sie zu.

„Wir brauchen etwas Schlichtes“, informierte der Schneider seine Frau. Während sie Kleidungsstücke aus den Regalen suchte, streifte ihr Blick Nela immer wieder maßnehmend.

Nach kurzer Zeit kam Tristan zurück in den Laden. Die Frau des Schneiders ergriff ihre Hand, ehe sie Nela zu einem hölzernen Wandschirm führte. „Meine Liebe“, sagte Petunia eifrig, „probiert doch mal diese Gewänder an.“ Sie legte die Kleidungsstücke auf eine Ablage, anschließend stellte sie ein Paar feste Lederstiefel auf den Boden. Beim Herausgehen fügte sie noch freundlich hinzu: „Wenn Ihr Hilfe braucht, gebt Bescheid.“

Nun stand Nela alleine hinter dem Paravent und schaute in den großen Wandspiegel. Zwei müde Augen starrten in das abgekämpfte Gesicht. Dreck- und Grasflecke übersäten ihr Kleid. Obendrein war ihre helle Strickjacke ruiniert.

Kraftlos hob sie den Riemen ihrer Tasche mit einer Hand über den Kopf, ließ sie auf den Boden herunter, danach folgten unachtsam ihre Kleidungsstücke. Neugierig schaute sie sich die mittelalterlichen Gewänder an. Schließlich probierte sie den schlichten, dunkelblauen Wickelrock, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, und ein im gleichen Farbton eng anliegendes figurbetontes Oberteil mit weiten Ärmeln, an. Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel, bevor sie ihre schmutzigen Kleidungsstücke zusammensuchte, um sie in ihre Umhängetasche zu stopfen. Anschließend schlüpfte sie in die Lederstiefel, die erstaunlicherweise wie angegossen passten.

„Ihr seht bezaubernd aus“, stieß Petunia gleich erfreut aus, als sie Nela sah. Mit einem Lächeln bedankte sie sich für das nette Kompliment. Flüchtig schaute sie zu Tristan, der eine schlichte, dunkelbraune Lederhose und ein weißes Leinenhemd trug. Über seinen Schultern hing ein dunkelbrauner Mantelumhang.

„Wie viel schulde ich Euch?“, fragte Tristan den Schneider mit einem unterdrückten Gähnen.

„Zwei Goldmünzen“, erwiderte dieser, während Petunia der Walküre einen dünnen, dunkelblauen Umhang reichte.

„Gibt es in dieser Stadt ein Ordenshaus?“ Tristan gab dem Schneider die Münzen.

„Nein. Früher gab es eine Elhazenburg im Eichenhain, aber die wurde schon vor Jahrhunderten zerstört. Das nächste Ordenshaus befindet sich in Nemida. Die Stadt liegt direkt an der großen Hauptstraße Richtung Norden.“

Als Nela mit Tristan die belebte Straße entlangging, wanderten ihre Gedanken zu dem Wikinger, der sie und ihren Schicksalswächter vor den Wölfen rettete. Ein Rudel Wölfe! Sie konnte es immer noch nicht fassen. Was bewog diese scheuen Tiere dazu, Menschen anzugreifen? Die Wölfe litten weder Hunger noch hatten sie sie in irgendeiner Form bedroht.

„Wir kaufen uns zuerst zwei Pferde, damit wir komfortabel zum Ordenshaus in Nemida reisen können, wir stärken uns und suchen uns ein Quartier für die Nacht“, schlug Tristan vor. Zustimmend nickte Nela. Es war sinnvoll, sich zuerst eine Fluchtmöglichkeit zu beschaffen, falls die Birger sie hier ausfindig machten.

Kurzerhand sprach Tristan einen Passanten an. „Verzeiht, könntet Ihr mir sagen, wo ich in dieser Stadt zwei Pferde kaufen kann?“

„Beim Schmied. Immer weiter die Straße entlang“, erwiderte der Bauer gestikulierend.

„Wusstest du, dass wir länger unterwegs sein werden?“, fragte Nela neugierig nach einer Weile. Erklärend zeigte sie auf seine Reisetasche.

„Nein. Das ist meine Notfalltasche, die ich immer mit mir führe.“

Unvermittelt riss er an ihrem Arm, um sie schnellstens von der Straße herunterzuziehen. Erschrocken stieß sie einen Laut aus, als ein ausschlagender Rappe an ihnen vorbeigaloppierte. Sofort erkannte Nela den schwarzen Hengst. Suchend blickte sie sich nach seinem Besitzer um, folglich fand sie ihn vor der überdachten Schmiede, hinter der sich eine große Scheune erhob. Rötlich-orange leuchtete die Glut in der Feuerstelle, neben der ein Amboss stand. Hammer in verschiedenen Größen sowie andere Werkzeuge lagen herum oder hingen an der Holzwand.

„Euer Hengst ist ein schwarzer Teufel“, regte sich der vollbärtige Schmied mit seiner breiten Lederschürze auf. Im ersten Moment wirkte er ruppig, aber er hatte gütige Gesichtszüge.

„Ihr seid nur nicht in der Lage, ein Pferd zu beschlagen, Will“, erwiderte Jarick forsch. Nela hatte nicht damit gerechnet, den Wikinger noch einmal zu sehen, der jetzt sein langes Haar geschlossen trug. Unweigerlich erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.

„Warum kauft Ihr Euch nicht ein ruhiges Pferd, Huscarl?“, erklang verständnislos eine Stimme aus einer schattigen Ecke. Nelas Blick wanderte dorthin, und sie erkannte den aufdringlichen Mann von vorhin.

„Das versteht Ihr nicht, Fido“, entgegnete Jarick ihm nachsichtig. „Ich habe den Hengst aufgezogen.“

„Ja und? Er ist einfach kein gutes Reitpferd.“

„Seid gegrüßt“, hieß der Schmied Tristan und Nela willkommen, als sie näher an die Schmiede herantraten.

„Wir möchten zwei Pferde kaufen.“

„Jarick, entschuldigt Ihr mich kurz? Es dauert ohnehin, bis Euer Teufel zurückkommt“, bat der Schmied. Jarick gab seine stumme Zustimmung, während dieser Fido ein verächtliches Schnaufen herausließ.

„Folgt mir“, forderte Will sie im Gehen auf. Schnell schlossen Tristan und Nela auf.

Auf einer großen Koppel neben der Scheune befanden sich mehrere Pferde. Sofort fielen Nela zwei Füchse auf, die sie an das Pony erinnerten, auf dem sie als Kind reiten gelernt hatte. Unvermeidlich kehrte die Erinnerung an ihren geheimnisvollen Schutzengel zurück. Kurz schaute Nela zu Tristan. Sein Profil glich der Silhouette ihres damaligen Schutzengels frappierend.

„Die beiden Füchse sehen vielversprechend aus“, meinte Jarick, während er über den Zaun kletterte.

„Huscarl! Ich rede mit Euch“, rief Fido empört von der Schmiede herüber. Jarick ignorierte ihn, und hielt auf die Pferde mit dem rötlich-braunen Fell zu. Sanft streichelte er über den Mähnenkamm, bevor er dem Ross das Halfter anlegte. Schließlich führte er die zwei Pferde zu ihnen ans Gatter.

„Euer Benehmen lässt zu wünschen übrig, Huscarl“, stieß Fido erzürnt aus, als er an die Koppel kam. Er hatte die Kapuze seines Umhangs über seinen Kopf gezogen.

„Nennt mich nicht Huscarl“, platzte es verärgert aus Jarick heraus.

„Wieso nicht? Ihr seid doch Mitglied der Garde. Also seid Ihr ein Huscarl.“

„Ich war ein Huscarl. Ich gehöre nicht mehr zur Garde.“

„Für mich bleibt Ihr ein Huscarl“, blieb Fido zänkisch.

„Will“, wandte sich Jarick an den Schmied, „mach einen anständigen Preis mit Zaumzeug und Sattel.“ Der Schmied öffnete das Gatter, danach ergriff er die zwei Führstricke, die Jarick ihm reichte. Zusammen mit Tristan und den beiden Stuten im Schlepptau ging der Schmied in die Scheune. Während Tristan das Finanzielle regelte, wartete Nela draußen mit dem Wikinger.

„So schnell sieht man sich wieder“, plauderte Jarick mit einem charmanten Lächeln, das sich kurz darauf in ein schelmisches verwandelte. „Und wie ich sehe, diesmal mit Stiefel.“

„Ja“, fiel Nela nichts Besseres ein. Stille breitete sich zwischen ihnen aus.

„Da ist Euer Teufel“, zeigte Fido wichtigtuerisch auf den Rappen, der erst zögernd vor der Schmiede verharrte, dann auf Jarick zu trottete.

Langsam ging Nela zu dem Pferd, das sie mit seinen Augen musterte. Vorsichtig berührte sie das edle Tier an seiner Stirn und streichelte seine lange schwarze Mähne. Sein Fell fühlte sich wie Samt an. Verwundert stellte Nela fest, dass sich der Hengst in ihrer Gegenwart ruhig verhielt.

„Vorsicht“, warnte Jarick sie. „Normalerweise ist Samru nur bei mir zahm. Vor allem gegenüber Fremden wird er sehr jähzornig.“ Der Wikinger lehnte mit verschränkten Armen an einem Balken des Schauers.

„Samru? Ein ungewöhnlicher Name.“

„Es ist eine Zusammensetzung aus den Wörtern Samt und ruhig.“ Er stieß sich von dem Balken ab, um näher an sie und das Pferd heranzutreten.

„Dann wollen wir mal“, verkündete der Schmied arbeitswütig. Augenblicklich wurde der Rappe unruhig und tänzelte auf der Stelle.

Schaulustig lehnte Tristan sich mit seinen Armen auf einen Holzzaun ab. Augenblicke später gesellte Nela sich zu ihrem Schicksalswächter. Unweit der Feuerstelle stand Jarick, um dem Schmied bei seiner Arbeit zuzuschauen. Will schürte das Feuer, erhitze das Hufeisen und ergriff die Fersen des Pferdes, das wild austrat.

„Vielleicht klappt es, wenn ihn jemand festhält, dem er vertraut“, mischte Nela sich couragiert ein. Jarick trat an Samru heran, behutsam hob er den vorderen Huf hoch.

„Das ist doch alles verschwendete Zeit“, meinte Fido verächtlich, der sich in einer dunklen Ecke der Schmiede herumdrückte.

Zu Nelas Freude verhielt Samru sich ruhig. Auch als der Schmied das Hufeisen befestigte, blieb der Rappe lammfromm. „Es klappt“, stieß Will erfreut aus, daher fuhr er zügig mit dem Beschlagen der Hufe fort.

„Warum habt Ihr die Garde verlassen?“, fragte Fido verständnislos. In seiner Stimme schwang ein Vorwurf mit.

„Ich wollte ein anderes Leben“, antwortete Jarick ihm genervt, denn er wusste, dass Fido seine Antwort nicht nachvollziehen konnte.

„Wie kann man der Garde ein anderes Leben vorziehen? Ihr und Till seid dumm“, brummte Fido verächtlich. „Seit fünf Jahren lebt Ihr nun schon in dieser Gegend und verzichtet auf das Ansehen und den Ruhm, den Ihr in der Garde erlangen könnt.“ Jarick erwiderte darauf nichts, sondern kümmerte sich weiter um seinen Hengst. „Nichts weiter als dieser Gaul interessiert Euch!“ Fido stieß einen abwertenden Ton aus, während er die Schmiede verließ. Erleichtert atmete Jarick auf, als der unsympathische Kerl ihn endlich in Ruhe ließ.

„Lass uns eine Taverne aufsuchen“, schlug Tristan vor, nachdem Will den letzten Huf beschlagen hatte. Zögernd stieß Nela sich von dem Zaun ab und machte sich mit ihrem jetzigen Schutzengel auf den Weg. Nur wenige Schritte waren sie gegangen, als Jarick zu ihnen aufschloss. „Wartet!“ Tristan und Nela blickten zu ihm. „Lasst mich Euch zum Essen einladen“, hoffte Jarick auf eine Zustimmung. Nur widerwillig ließen seine Augen kurz von Nela ab, um Tristan anzusehen.

„Sehr gerne“, nahm Nela die Einladung an. Freude spiegelte sich auf Jaricks Gesicht wider.

Tristan zog sie beiseite. „Nela, wir sollten vorsichtig sein.“ Seine Stimme mahnte sie eindringlich und erinnerte sie an die Gefahr, in der sie schwebte. Ihr Blick wanderte zu Jarick, spontan verließ sie sich auf ihr Bauchgefühl.

„Ich möchte keinen Streit provozieren.“ Jarick wandte sich ab.

„Wartet, Jarick“, rief Tristan ihn zurück, bevor Nela den Wikinger aufhalten konnte. „Versteht mich nicht falsch… Wir nehmen sehr gerne Eure Einladung an.“ Mit einem nachdenklichen Blick bedachte Jarick die beiden aus Midgard.

Gleich in die erste Taverne kehrten sie ein. Nela nahm das, was der Wirt ihnen empfahl. Ruppig stellte er ihnen einen Krug gefüllt mit Met und einen mit Wasser auf den Tisch. Danach servierte er ihnen das Essen: einen Laib Brot und gebratenes Hühnchen. Darbend stillten Nela und Tristan ihren großen Hunger, während Jarick nur Met aus seinem Becher trank.

„Ihr wart Gardist?“, begann Tristan neugierig das Gespräch.

Jarick stellte seinen Becher auf den Tisch. „Vor fünf Jahren habe ich meine Berufung aufgegeben. Seitdem führe ich hier ein neues Leben.“

„Stammt Ihr von hier?“, mischte Nela sich in die Unterhaltung ein, bevor sie ein Stück Brot aß.

„Nein“, antwortete Jarick. „Wie bestreitet Ihr Euren Lebensunterhalt, Tristan?“

„Ich bin Chronist in der Ordensbibliothek der Walküren und Walkür.“

„Ich wusste es gleich, dass Ihr ein Wächter seid. Ihr habt die entsprechende Aura.“ Durstig griff Jarick nach seinem Becher, trank einen Schluck, ehe er seinen nächsten Gedanken verriet. „Und dementsprechend seid Ihr eine Walküre.“

„Nein“, zögerte Nela. Verwundert schaute er zu ihr, dabei wanderten seine Augenbrauen fragend nach oben. „Ich gehöre weder zu dem Orden noch in diese Welt“, reagierte sie auf seinen fragenden Gesichtsausdruck. „Irrtümlich schickte mich das Schicksal auf einen falschen Pfad.“

„Das Schicksal irrt sich nicht. Ihr seid auf dem richtigen Pfad“, beteuerte Jarick überzeugt. Angespannt saß Tristan neben ihr und nahm hastig einen großen Schluck Met. Nela konnte darauf nichts entgegnen, da die schrecklichen Bilder wieder in ihr Bewusstsein drangen. Ihr Vater hielt sich noch an Nelas Tasche fest, bevor er leblos zu Boden fiel.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Jarick sanft nach einer Weile des Schweigens. Räuspernd wollte Nela ihm antworten, doch sie wurden unterbrochen.

„Huscarl!“, begrüßte Fido den Wikinger erfreut und setzte sich ungefragt zu ihnen. „Es gibt zwei Möglichkeiten einen Gardisten zu finden, wenn er keinen Dienst hat. Saufend in einer Taverne oder hurend in einem Freudenhaus.“ Er lachte frivol. Dieser Fido wurde ihr von Minute zu Minute unsympathischer.

„Fido, Ihr solltet die Worte gegenüber einer Dame mit Bedacht wählen“, entfuhr es Jarick gereizt. Doch der Angesprochene zuckte desinteressiert mit seinen Schultern und lugte in die beiden Krüge. Enttäuscht fragte er Jarick: „Keinen Lebenssaft?“

„Nein“, erwiderte der Wikinger kühl. „Geht und bestellt Euch Euren Lebenssaft.“ Fragend schaute Nela zu Tristan, der mit einem Kopfschütteln andeutete, dass er ihr später die Frage beantwortete.

Lustlos schlurfte Fido zur Theke. „Was soll das heißen, der Vorrat an Lebenssaft ist ausgegangen?“, brüllte er plötzlich trotzig. Augenblicklich wurde es ruhig in der Gaststube, denn die Gäste richteten ihre Aufmerksamkeit auf den Störenfried. Sofort sprang Jarick auf, eilte zu dem Unruhestifter und griff ihn am Kragen, bevor dieser über den Tresen zum Wirt gelangte.

„Fido, dies ist eine Taverne für Menschen. Nicht für Drauger. Wenn Ihr Lebenssaft möchtet, dann begebt Euch dorthin.“ Jaricks kalte Stimme ließ Nela einen Schauer über den Rücken laufen.

„Was soll das? Ihr seid doch auch ein Drauger!“, empörte Fido sich, als Jarick ihn aus der Lokalität hinauswarf.

„Dieser Fido Tanner ist die reinste Plage!“, regte der Wirt sich auf. Nela konnte seine Äußerung sehr gut nachvollziehen, denn in ihr war dieser intensive Drang geweckt worden, sich so schnell wie möglich aus Fidos Reichweite zu entfernen.

„Ja“, seufzte Jarick, als er zum Wirt ging, der sich überschwänglich bei ihm bedankte.

„Wir sollten uns ausruhen“, meinte Tristan besorgt, sobald er Nelas Erschöpfung bemerkte.

„Gerne“, hauchte sie ermattet, denn sie war hundemüde und sehnte sich nach einem Bett.

Tristan gesellte sich zu Jarick und dem Wirt, um eine Schlafstätte zu erfragen. Da die drei Männer zu weit entfernt waren, und der Geräuschpegel in dem Gastraum wieder anstieg, verstand Nela das Gesprochene nicht. Also wanderte ihr Blick durch die Gaststube. Vereinzelt saßen Gruppen von Männern und Frauen an Tischen, doch ihr Augenmerk blieb an einem Mann hängen, der in einem abgeschiedenen Winkel des Wirtshauses saß. Er war groß, von kräftiger Statur, hatte rotblonde Haare und trug einen Vollbart. Sein dunkles Gewand sowie seine Waffen zeichneten ihn als Krieger aus. Wachsam beobachtete er seine Umgebung. Nela wandte ihre Augen ab, als sie den stoischen Blick des Kriegers bemerkte. Eine zierliche Frau mit langen hellblonden Haaren, deren Kleidung in verschiedenen Grüntönen gehalten war, saß an dem Nachbartisch und beobachtete sie neugierig. Neben ihr auf dem Tisch lag ein Bogen, den sie sachte mit ihrer Hand berührte.

Während Tristan sich wieder zu ihr setzte, erzählte er von dem Gästezimmer in der Taverne. Nachdem sie ihre Getränke ausgetrunken hatten, erhoben sie sich von der Holzbank, daraufhin kam Jarick vom Tresen auf sie zu.

„Danke für alles“, verabschiedete Nela sich mit einem Lächeln. „Vielleicht begegnen sich unsere Wege wieder.“

„Bestimmt, wenn es das Schicksal will“, flüsterte er leise. Tief schaute er in ihre Augen, bevor er sich ruckartig losriss und die Taverne verließ.

Die Frau des Wirts zeigte ihnen ihre Unterkunft für die Nacht und entzündete eine weiße Kerze auf einem kleinen Tisch. Der Raum war karg mit zwei Betten an den Wänden sowie einer kleinen Schrankkommode möbliert. Durch das kleine Fenster drang nur spärlich das Licht der Abenddämmerung.

„Nela, ich denke, es ist einfach besser, wenn wir uns ein Zimmer teilen. Wenn…“, begann Tristan zögernd.

Nela nickte. „Ich verstehe es. Ich bin sogar froh darüber.“ Tief atmete sie durch. „Da ist dieses Band...“

Verstehend nickte Tristan. „Es ist schwer in Worte zu fassen. Das Schicksalsband verbindet uns. Ein unsichtbarer Faden, den das Schicksal gesponnen hat, um uns zusammenzubringen und -zuhalten. Ich spüre es, wenn du in Gefahr bist“, versuchte er es ihr zu erklären. „An deinem vierzehnten Geburtstag führte das Schicksal mich zu dir. Ich wusste sofort, dass ich dein Schicksalswächter bin. Seitdem beschütze ich dich im Verborgenen.“ War Tristan tatsächlich ihr Schutzengel?

„Ich spüre diese besondere Freundschaft immer deutlicher“, gab Nela zu, während sie sich auf ein Bett setzte.

„Ich möchte dir etwas schenken“, sagte Tristan leise, dabei holte er ein Lederband mit einem Steinanhänger, auf dem eine Rune eingraviert war, aus seiner Hosentasche.

„Das ist die Rune Elhaz. Jeder Wächter gibt seiner Walküre diese Kette. Offiziell bist du nicht meine Walküre, und ich bin auch kein Wächter, sondern ein Chronist. Der Orden sieht es nicht vor, Unwissenden einen Wächter zur Seite zu stellen.“ Nela nahm das Geschenk dankbar entgegen, augenblicklich legte Tristan die Kette um ihren Hals. Erschöpft ließ sie sich auf das Bett nieder und schloss die Lider.

Nela Vanadis

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