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2 Kleine Tinder-Typologie für
Frauen und Männer

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Einen Tag und 43 Matches später bin ich mir nicht so sicher, was ich von Tinder halten soll. Das Prinzip der App ist ja selbst für eine Technik-Legasthenikerin wie mich zu verstehen – warum alle so begeistert davon sind, dafür weniger. Die meisten Kerle, die mir bisher angezeigt wurden, sind jedenfalls nicht so wirklich brauchbar. Oder anders gesagt: Um den Großteil der Kerle, die man hier trifft und freiwillig matcht, macht man im echten Leben lieber einen großen Bogen. Überall Oberarm-Tribals und Oberlippenbärtchen, der reinste Ausverkauf. Da kann man doch auch einfach so bis zum Reste-Ficken in der Disco bleiben, ehrlich wahr. Bei beidem hat man eher die Qual als die Wahl. Zwischen den wenigen Guten, die man bei Tinder angezeigt bekommt und bei denen man aus Gewohnheit reflexartig meistens auch noch nach links wischt, findet man vor allem diese drei liebenswerten Artgenossen:

Der Protein-Shaker

Im normalen Leben läuft er einem leicht bekleidet und lautstark stöhnend im Discounter-Fitnessstudio über den Weg – und man selbst anschließend vor ihm weg. Der Protein-Shaker fällt einem vor allem wegen seiner überdimensionalen Oberarme ins Auge, die mühsam mit Whey, Shredz oder Ähnlichem herangezüchtet wurden. Damit der Oberarm auch richtig zur Geltung kommt, ist er zusätzlich mit einem Tribal, einem Tigerkopf oder einem chinesischen Schriftzeichen verziert. Auf Tinder setzt sich der Protein-Shaker gekonnt mit einem halbnackten Selfie vor dem Spiegel in Szene. Besonders wagemutige Exemplare der Gattung zeigen ihre nackte Kehrseite oder – noch besser – was ihr Tinder-Match beim Sex erwartet. Links.

Jungfrau, männlich, sucht …

Exemplare dieser Gattung sind im wahren Leben unauffällig. Bei Tinder sieht man aber mangels Auswahl ein zweites Mal genauer hin und tadaaa – schon entdeckt man blaue Augen, niedliche Locken und ein freundliches Lächeln. Was man auf der Straße gar nicht weiter beachten würde, zeigt plötzlich Wirkung, weil die Konkurrenz so mau ist. »Männlich, Jungfrau, sucht« kann hier auf den ersten Blick schnell mal attraktiv erscheinen. Error. Spätestens bei der dritten einschläfernden Nachricht bemerkt man, warum man diesen Tinder-Typen im wahren Leben noch nie getroffen hat – man ist bisher einfach schnurstracks vorbeigelaufen. Charme gleich null.

Ich will doch nur spielen!

Mit seinem charmanten Lächeln, dem durchtrainierten Körper und dem anziehenden Selbstbewusstsein fällt dieser Tinder-Boy auch im wahren Leben auf. Problem an der Sache: a) Er hat Tinder eigentlich gar nicht nötig und will hier nur mal checken, welche Mädels er das nächste Mal im Club ansprechen kann. b) Er hat Tinder gar nicht nötig, hat gerade aber einfach zu wenig Zeit, weshalb die Flirt-App die schnellste und effizienteste Lösung ist, um sich mal eben kurz einen One-Night-Stand klarzumachen. So oder so, von ihm sollte man besser die Finger lassen, denn auch wenn der Sex ganz gut ist – auf einen Rückruf wartet man vergeblich.

Bisher ist da wirklich kaum etwas dabei. Die Jungs, die ich einigermaßen gut fand, habe ich versehentlich auch gleich nach links gewischt, weil sich mein Finger schon so an die Richtung gewöhnt hatte. Das ist wie bei meiner ersten Führerscheinprüfung – da bin ich auch durchgefallen, weil ich beim Rechtsabbiegen rechts geblinkt habe und dann leider nach links gefahren bin, da ich an der Kreuzung sonst halt immer in die andere Richtung gefahren war. Den Fehler macht man bei Tinder ganz gern, denn wenn man erst mal so eine ganze Reihe potenziell krimineller Shredz-­Konsumenten hatte, will man einfach nur ganz schnell weg. Man bleibt dann aber irgendwie doch da – vielleicht aus Langeweile, vielleicht auch, weil man hofft, sein Ego so irgendwie boosten zu können. Im Prinzip ist Tinder da fast wie Pokémon spielen. Nur dass man statt kleiner bunter Viecher Männer sammelt. Das sieht man auch ganz gut an meinem aktuellen ­Tinder-Status: 43 Matches, nur knapp die Hälfte hat sich überhaupt zu einem müden »Hallo« bewegt. Sehr einfallsreich. Ist ja schon im Club nicht gerade der beste Spruch, aber bei so ’nem Online-Schrott, wo man wirklich alle Zeit der Welt zum Überlegen hat, könnte man doch wenigstens mit etwas Originellerem um die Ecke kommen. Vielleicht machen das ja die anderen 25 Matches und hüllen sich deshalb erst einmal in vornehmes Schweigen. Wäre ja ganz nice, besonders bei Alex, dreißig, Anwalt. »I always take my substitutes«, hat er in seinem Profil stehen und ist der Einzige, bei dem ich mich über das Match wirklich gefreut habe. Mit seinen blonden Locken und den strahlend blauen Augen passt er perfekt in mein Beuteschema – mal abgesehen davon, dass er einen echten Beruf hat und nicht im 13. Semester studiert/so ’n bisschen jobbt/mal schaut, was kommt. Keine Ahnung, was einer wie der überhaupt hier verloren hat. Wahrscheinlich braucht er die Tinder-Kontakte nur fürs Ego. Und wenn nicht? Was, wenn er hier wirklich jemanden kennenlernen will, wir uns aber beide zu schade sind, zuerst zu schreiben? Vielleicht sollte ich doch selbst den Anfang machen. Was hat man hier schon großartig zu verlieren?

»Hey, wollen wir uns auf eine Magnesium-Tablette treffen?«, tippe ich auf meinem iPhone und komme mir dabei unheimlich originell und humorvoll vor. Wenn er den versteht, sind wir wahrscheinlich schon mal einigermaßen auf einer Wellenlänge. Die reinste natürliche Selektion, ganz in Darwins Sinne. Für ein bisschen Ablenkung müsste der Gute allerdings irgendwann mal antworten, was er zwei Tage später immer noch nicht getan hat. Peinlich. Kann wirklich nur hoffen, dass ich diesem Alex nicht irgendwann zufällig über den Weg laufe. Was macht man eigentlich, wenn man jemanden trifft, von dem man bei Tinder abserviert wurde? Größe zeigen und ganz gleichgültig grüßen? Oder sich ignorieren, weil man sich vorher ja eigentlich eh noch nie getroffen hat? Wie sollte man sich überhaupt begrüßen? Mit Küsschen, Umarmung oder Händedruck? Alles so was von kompliziert, vielleicht sollte ich die App doch einfach wieder löschen. Dann kann man wenigstens nichts verkehrt machen. Gerade als mein Finger sich entschlossen auf den Menüpunkt »Einstellungen« zubewegt, blinkt eine neue Nachricht auf: Alex.

*

Langsam könnte Zoe ja schon mal kommen. Die Leute im Herren Simpel, der Bar, in der wir uns verabredet haben, gucken schon ganz komisch. Na ja, ich bin selbst daran schuld. Wir hätten uns ja nicht hier treffen müssen. Sie hatte noch vorgeschlagen, zu mir zu kommen, aber so finde ich es am unverfänglichsten. Ich meine, klar, ist ja nicht so, dass es einem nicht ab und zu ganz gelegen kommt, dass Frauen die neuen Männer sind und sich über die Zahl ihrer Bettgeschichten definieren. Aber ich bin mir immer gar nicht so sicher, ob ich mit so einer wirklich was anfangen will. Außerdem habe ich Zoe ja noch nie gesehen und es kann ja auch sein, dass jemand, der auf Fotos ganz gut aussieht, in Wirklichkeit das totale Grauen ist. Ich meine, von Tom Cruise denkt ja auch keiner, dass der perfekt auf ein Bobbycar passt. Sieht man auf Fotos eben leider nicht. Von daher sollte man bei so was immer vorsichtig sein – sonst liegst du am Ende des Abends mit Gollum im Bett. Man sollte sich die Möglichkeit zur Flucht halt irgendwie offenhalten.

Zumal die meisten Frauen, die bei Tinder unterwegs sind, einen kleinen Schaden haben. Vor allem drei Typen trifft man hier, die man eigentlich alle nicht wirklich kennen will:

Das Selfie-Girl

Das Selfie-Girl ist zwischen 17 und 23 Jahre alt und liebt es, sich schräg von unten in die Kamera guckend zu inszenieren. Beliebte Accessoires sind ein Duckface, die beste Freundin, niedliche Katzenbabys oder Hundewelpen (die ihr selbstverständlich nicht selbst gehören). Das Selfie-Girl hat so unheimlich spannende Interessen wie Lesen, Malen, Yoga und Reiten. Heimlich gehört auch Sex mit älteren Jungs zu ihren Lieblingsbeschäftigungen – das sagt sie aber lieber niemandem, weil »iiih« und so. Mit dem Selfie-Girl kann man super viel Spaß haben. Einzige Voraussetzung ist, dass man selbst ebenfalls gern liest/malt/Yoga macht und der größte Wunsch ist, Instagram-Star zu werden.

Die Romantikerin

Die Romantikerin hat beim Anlegen ihres Profils weder Kosten noch Mühen gescheut. Da gibt es tiefgründige Zitate (»Auch aus Steinen, die im Weg liegen, kannst du dir etwas Schönes bauen«) und professionelle Fotos aus der letzten Bewerbung. Mit ihr zu schreiben, fühlt sich einigermaßen verkrampft an, wenn man kein großer Fan von Liebeskomödien à la Frühstück bei Tiffany und Notting Hill ist. (»Ich bin auch nur ein Mädchen, das vor einem Jungen steht und ihn bittet, es zu lieben!«) Wer noch nicht genug Geld für eine Hochzeit im extragroßen Rahmen zusammengespart hat, sollte bei dieser Art von Frau lieber schnell nach links wischen.

Die Tinder-MILF

Die Tinder-MILF hat von ihren jüngeren Freundinnen (mit denen sie immer noch gern Party macht) gehört, dass Tinder jetzt DER SHIT ist. Und dass da viele Jungs unter 25 rumhängen. Also nichts wie hin! Auf Fotos erkennt man die Tinder-MILF nur mit einiger Übung, denn sie versteckt sich meist unter einer ­Extra-Schicht Make-up oder auf überfüllten Gruppenfotos. Wenn man sich dann versehentlich mit einer zum Date trifft, hilft nur noch »Augen zu und durch«.

Viele Frösche musst du küssen, Tinderella!

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