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Bildung und Indoktrinierung

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Eine direkte Ursache-Wirkung-Relation lässt sich schwer nachweisen, doch die allgemeine Tendenz ist kaum zu übersehen. Nehmen wir beispielsweise die Indoktrinierung der Jugend. Anfang der 1970er-Jahre war eine Reihe von Prozessen zu beobachten, die der Kontrolle der Studenten dienten. Wer sich noch an die Zeit kurz nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen in Kambodscha erinnert, weiß, in welchem Aufruhr sich das Land damals befand. Die Studenten streikten, täglich gab es Demonstrationen in Washington und so weiter. Die Kontrolle hatte viele Facetten, so veränderte sich zum Beispiel die Architektur der Hochschulen. Fortan vermied man es bei Neubauten, Versammlungsgelegenheiten für Studenten zu schaffen – nebenbei bemerkt, ein weltweites Phänomen. Lassen wir ihnen ruhig die Straßen, so lautete die Devise, aber geben wir ihnen keine Versammlungsorte wie Sproul Hall in Berkeley, wo sie zusammenkommen und aktiv werden können.

Seit den 1970er-Jahren sind die Studiengebühren stetig gestiegen und erreichen inzwischen schwindelerregende Höhen. Noch einmal, ich glaube nicht, dass sich anhand von Dokumenten nachweisen lässt, dass dies auf gezielte Planungen zurückzuführen ist, aber die Auswirkungen sind klar – damit wurde weiten Teilen der Bevölkerung der Zugang zu höherer Bildung genommen. Wer es dennoch schafft, steckt hinterher in der Schuldenfalle. Mit 100.000 Dollar Schulden nach dem Studienabschluss ist man nicht mehr frei. Und man kann weder wie ein Unternehmen Konkurs anmelden, noch gibt es für diese Art Schulden die Möglichkeit der Privatinsolvenz. Sie verfolgen einen womöglich ein Leben lang, sogar die Rente kann noch dafür gepfändet werden. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als sich der Macht zu beugen.

So ziemlich dasselbe passiert im Schul- und Kindergartenbereich. Hier gibt es die Tendenz, statt Bildung schlichte Fertigkeiten zu vermitteln und die Entwicklung von Kreativität und Unabhängigkeit zu untergraben – nicht nur bei den Schülern, auch bei den Lehrern. Die zunehmende Konzentration auf Prüfungswissen und Bildungsgesetze wie George W. Bushs »No Child Left Behind« und Obamas »Race to the Top« haben genau diesen Effekt. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei all dem um Methoden der Indoktrination und Kontrolle. Ein anderer Weg, der zum selben Ziel führt, besteht natürlich darin, die kostenlose Bildung einzuschränken oder ganz abzuschaffen.

Auch der Zuwachs an Charter Schools, Vertragsschulen, ist ein nur leicht verbrämtes Bestreben, das öffentliche Schulsystem zu zerstören. Durch Charter Schools werden öffentliche Gelder in private Institutionen umgelenkt und so das öffentliche Schulsystem geschwächt. Die Charter Schools erzielen aber trotz aller Vorteile keine besseren Ergebnisse, was nahelegt, dass man die öffentlichen Einrichtungen zerstören will.

Siehe: Alan Schwarz, »Aufmerksamkeitsdefizit oder nicht, Pillen für bessere Schulleistungen«, New York Times, 9. Oktober 2012; S. 46.

Die New York Times berichtete von Ärzten, die Kindern aus ärmlichen Verhältnissen Medikamente zur Verbesserung ihrer schulischen Leistungen verschreiben, obwohl sie genau wissen, dass diesen Kindern nichts fehlt – krank ist hier nur die Gesellschaft. Dies zeigt, dass wir alle eben entschieden haben, nicht die Gesellschaft zu ändern, sondern die Kinder. Es geht dabei um Kinder aus Armutsvierteln mit schlecht ausgestatteten Schulen, deren Leistungen zu wünschen übrig lassen. Also traktieren wir sie mit Medikamenten. Eigentlich aber haben nicht wir als Gesellschaft dies entschieden, sondern die Herren über unsere Gesellschaft.

Requiem für den amerikanischen Traum

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