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Verurteilung der Kritiker

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Der ziemlich merkwürdige Vorwurf des »Antiamerikanismus« sollte in einer freien Gesellschaft nicht verwendet werden. Im Grunde steckt dahinter ein totalitäres Konzept. Niemand, der in Italien Berlusconi oder die Korruption des Staatsapparats kritisiert, würde dort jemals als »antiitalienisch« tituliert. In Rom oder Mailand würde man dafür nur schallendes Gelächter ernten. Es handelt sich um eine Bezeichnung aus dem Repertoire totalitärer Staaten. In der Sowjetunion wurden Dissidenten als »antisowjetisch« bezeichnet – der schlimmste Vorwurf überhaupt. Auch unter der brasilianischen Militärdiktatur wurde mit dem Begriff »antibrasilianisch« operiert. Aber solche Bezeichnungen gedeihen nur in einem Umfeld, in dem der Staat mit der Gesellschaft, der Kultur, der Bevölkerung gleichgesetzt wird. Wer dann diesen Staat kritisiert – und mit »Staat« meine ich im Allgemeinen nicht bloß die Regierung, sondern auch das Machtgeflecht aus Staat und Konzernen –, wer also konzentrierte Macht kritisiert, dem wird vorgeworfen, gegen die Gesellschaft, gegen das Volk zu sein. Es ist ziemlich bezeichnend, dass dieser Vorwurf in den USA benutzt wird, soweit ich weiß, sind wir die einzige demokratische Gesellschaft, in der man sich damit nicht einfach lächerlich macht. Die Elite-Kultur zeigt sich hier von einer ziemlich unschönen Seite.

Kritiker werden natürlich in fast jeder Gesellschaft verleumdet und schlecht behandelt. In welcher Form dies geschieht, hängt von der Natur der jeweiligen Gesellschaft ab. In der Sowjetunion steckte man Kritiker in den 1980er-Jahren ins Gefängnis, in El Salvador pusteten ihnen zur selben Zeit US-finanzierte Terrortrupps das Hirn weg. In anderen Gesellschaften werden Kritiker einfach missachtet oder diffamiert. Das ist normal, damit muss man rechnen. In den Vereinigten Staaten gehört eben »antiamerikanisch« zu den Schimpfwörtern. Es gibt viele andere, »Marxist« zum Beispiel, aber wenn man bedenkt, was man alles kritisieren kann, sind die USA in vielerlei Hinsicht immer noch die freieste Gesellschaft der Welt. Es gibt Unterdrückung, aber unter den relativ privilegierten Menschen, welche die große Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, herrscht ein sehr hoher Grad an Freiheit. Wen interessiert es also, wenn er vom politischen Gegner geschmäht wird, davon lässt sich niemand aufhalten.

Requiem für den amerikanischen Traum

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