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Wealth Management

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»Macht euch ei­ne Piz­za in den Ofen, ich komm heu­te erst am spä­ten Nach­mit­tag aus dem Büro«, sag­te An­ni in den Hörer, den sie mit der hoch­ge­zo­ge­nen Schul­ter ge­gen ihr Ohr drück­te.

»Da wird sich un­se­re Bio­ton­ne aber freu­en, wenn es nichts Ve­ge­ta­ri­sches zum Fut­tern gibt«, er­wi­der­te Ma­ri­us schaden­froh und keuch­te da­rauf­hin scharf, als er sich ver­mut­lich ei­nen Schlag von Ama­lia ein­ge­fan­gen hat­te. »Mom, dei­ne Höl­len­brut schlägt mich!«, me­cker­te er gleich vor­wurfs­voll los und be­stä­tig­te An­ni ih­ren vor­aus­ge­gan­ge­nen und wohl­wis­sen­den Ge­dan­ken­gang.

»Ama­lia soll sich den Back­fisch warm ma­chen«, riet sie, wäh­rend sie die Rech­nun­gen von Cons­tan­tins letz­ter Ge­schäfts­rei­se ab­hef­te­te.

»Mach ich!«, hör­te sie sie im Hin­ter­grund ru­fen.

»Wie war die Deutsch­ar­beit?«

»Ea­sy«, er­klär­te Ma­ri­us kurz. »See you, Mom. Ich hab jetzt Kohl­dampf«, wo­mit er das Ge­spräch be­en­de­te.

»Tschüss, Kin­der. Eu­re Mutter hat euch lieb. Seid schön brav und ver­tragt euch. Lasst euch das Es­sen schme­cken«, mur­mel­te sie sar­kas­tisch vor sich hin. Tja, die­se Zeiten waren vor­bei, was ei­ner­seits in Be­zug auf die Selbst­stän­dig­keit der Kin­der an­ge­nehm war und an­de­rer­seits da­zu führ­te, dass sie immer grö­ßer wur­den und auf der­ar­ti­ge Aus­sa­gen kei­nen Wert leg­ten. Rea­lis­tisch ge­se­hen konn­te sie eh nichts da­ge­gen tun und so­mit war das The­ma schon be­en­det.

Ein Blick auf die Uhr be­stä­tig­te ihr, dass es be­reits halb vier war. Ihr Schä­del rauch­te vor lau­ter Papier­kram, den sie heu­te er­le­digt hat­te. Man soll­te nicht mei­nen, was in ei­nem Ein­mann­be­trieb, plus Tele­fo­nis­tin an der An­mel­dung, die die Termi­ne ih­res Man­nes ver­ein­bar­te, alles an­fiel. Gut, es war nicht immer so stres­sig, aber ak­tu­ell war es ein­fach zu viel, als dass An­ni pünkt­lich aus dem Büro kä­me.

Sie stand von ih­rem Schreib­tisch auf, öff­ne­te das Fens­ter, um fri­sche Luft rein­zu­las­sen, und mach­te sich auf den Weg in die Kü­che, um ei­nen Kaffee zu ko­chen, den sie jetzt drin­gend brauch­te. Ge­ra­de griff sie in die Keks­do­se, die für alle zu­gäng­lich stand, als Cons­tan­tin den Raum be­trat.

»Kaffee?«, frag­te sie ihn, doch er lehn­te dan­kend ab. »Alles okay?«

»Hab gleich ei­nen Neu­kun­den«, sag­te er bloß und An­ni wuss­te so­fort, dass ihr Mann mehr als nur hun­dert Pro­zent ge­ben wür­de, um ei­nen gu­ten er­sten Ein­druck zu hin­ter­las­sen. Da­her goss sie sich ih­ren Kaffee ein, oh­ne ihn in sei­ner Kon­zen­tra­tion zu stö­ren, und ver­ließ den Raum mit ei­nem lei­se ge­mur­mel­ten Viel Glück.

Als sie an der An­mel­dung vor­bei­ging, öff­ne­te Su­san­ne, die Tele­fo­nis­tin, via Fun­kan­la­ge die Tür, wäh­rend sie An­ni nett zu­lä­chel­te. »Ei­ne tol­le Blu­se ha­ben Sie an, Frau Weis­haupt.«

»Dan­ke. Ich hab sie mir erst kürz­lich neu ge­kauft.«

Die Tür öff­ne­te sich und her­ein kam … »Super­man?«, platz­te es er­schro­cken aus ihr her­aus, be­vor sich ih­re Ge­hirn­zel­len ver­eint ge­gen die­sen Schwach­sinn stell­ten, den sie dort raus­ge­hau­en hat­te. »Ver­zei­hung, ich mein­te, Herr Eden. Oh Gott, das tut mir leid!« Die Far­be ih­res Ge­sich­tes muss­te der ei­ner To­ma­te glei­chen. Das war mehr als un­pro­fes­sio­nell, es war pein­lich und dumm. Ein ton­nen­schwe­rer Stein der Er­leich­te­rung fiel sog­leich von ih­ren Schul­tern, als eben an­ge­spro­che­ner ihr grin­send zu­zwin­ker­te.

»Hi, Rot­schopf. Lebt der Ba­ris­ta noch?«, frag­te er flap­sig, wäh­rend er die Tas­se in ih­rer Hand ins Au­ge fass­te. Das Ge­fäß fest um­klam­mert, brach sie in ein La­chen aus, was auch sei­ne Lip­pen brei­ter wer­den ließ.

Wie er da stand, der gro­ße stol­ze Mann, in ei­nem fei­nen An­zug und doch so lo­cker und läs­sig. Sei­ne ver­zot­tel­ten Haa­re, die wie­der zu ei­nem Zopf zu­sam­men­ge­bun­den waren, die­se Tat­toos, die ihn ver­we­gen wir­ken lie­ßen … Dann kam An­ni um die Ecke und be­ti­tel­te ihn als Super­man, was er humor­voll hin­nahm. Ihr Herz schlug fäl­schli­cher­wei­se ei­nen Takt zu schnell, so­dass sie sich rasch mit ei­nem freund­li­chen Ni­cken von ihm ver­ab­schie­de­te und in ihr Büro zurück­lief.

Die Tür hin­ter sich ge­schlos­sen, lehn­te An­ni sich da­ge­gen und starr­te ei­ni­ge Se­kun­den den Fuß­boden an. Wür­de er sich bit­te auf­tun, da­mit An­ni da­rin ver­schwin­den konn­te? Marc Eden war der Neu­kun­de von Cons­tan­tin? Oh Gott, wie bla­ma­bel war ihr Auf­tritt nur. Pro­fes­sio­na­li­tät ging Cons­tan­tin über alles und wenn er das mit­be­kom­men hat­te, wür­de sie sich spä­ter ei­ne Stand­pau­ke an­hö­ren kön­nen. Denn eins muss­te man mal klar sa­gen: Cons­tan­tin war nicht nur ihr Ehe­mann, son­dern hier und jetzt war er ihr Chef und als die­ser ver­lang­te er von sei­nen Mit­ar­bei­tern ab­so­lu­te Kon­zen­tra­tion und Per­fek­tion.

Ein Grin­sen schlich un­wei­ger­lich auf ih­re Lip­pen, es war un­ver­meid­bar. Marc Eden konn­te sich an sie er­in­nern. Kopf­schüt­telnd ver­such­te sie, den Ge­dan­ken bei­sei­te­zu­schie­ben, be­gab sich statt­des­sen wie­der an die Steu­er­un­ter­lagen, die sie vor­hin am Sor­tie­ren war.

Als sie ei­ne Stun­de spä­ter den PC her­un­ter­fuhr und in den Flur trat, hör­te sie die Män­ner durch die ver­schloss­ene Büro­tür spre­chen. Noch ein­mal lausch­te sie Super­mans Stim­me, die ihr in die­sem Augen­blick ei­ne Gän­se­haut ver­pass­te, dann mach­te sie sich auf den Heim­weg. In­ner­lich er­mahn­te sie sich selbst, als ihr be­wusst wur­de, dass sie den Kun­den ih­res Man­nes ganz of­fen­sicht­lich an­him­mel­te und das in sei­nem Bei­sein. Am Sonn­tag wür­de sie drei ex­tra Vater Un­ser in der Kir­che be­ten und hof­fen, dass ihr die­se ge­dank­li­che Sün­de ver­ge­ben wur­de. Um Got­tes wil­len, was dach­te sie da nur für ei­nen un­fass­ba­ren Mist?

End­lich stell­te sie das Auto in der Ga­ra­ge ab und be­trat das Haus, in dem ihr lauts­tark die Musik ent­ge­gen plärr­te. Im Flur lag ein Zet­tel von Ama­lia, dass die­se heu­te bei So­phie war und ger­ne dort über­nach­ten wür­de. Ein Blick in die Kü­che brach­te ihr Stress­le­vel augen­bli­cklich fast zum Über­lau­fen. »Un­mög­lich«, mur­mel­te sie. Ei­ne Piz­za und ein Back­fisch soll­ten die zwei sich ma­chen. Es sah aller­dings aus, als hät­te ein Tor­na­do sein Un­we­sen in der Kü­che ge­trie­ben. Heu­te wür­de zu­min­dest Ma­ri­us ihr hel­fen, das stand fest. Die­sen Saus­tall be­rei­nig­te sie nicht allei­ne: ein Topf mit an­ge­brann­ten Pud­ding­res­ten, ver­schüt­te­te Milch auf Tisch und Boden, be­nutz­te Schüs­seln, Piz­za­res­te, of­fe­ne Ge­trän­kef­la­schen. So­gar ein ver­welk­ter Kopf­salat lag ne­ben dem Kühl­schrank. Wa­rum? Was hat­ten sie vor? Woll­ten sie ei­nen Vi­ta­min­an­griff star­ten? Nie­mals wür­den ih­re bei­den Kin­der frei­wil­lig und oh­ne Auf­for­de­rung auch nur ein Blatt Salat an­rüh­ren. Oder woll­ten sie nur schon mal vor­sor­gen, da­mit An­ni ja nicht auf die Idee kam, ih­nen das Grün­zeug vor die Na­se zu set­zen? Immer­hin war er welk und konn­te so­mit in den Müll­ei­mer. Nicht zu ver­ges­sen waren die Schu­he, die mit­ten in der Kü­che auf dem Boden lagen, als hät­ten sie kein Schuh­regal im Flur ste­hen. Das Licht brann­te, weil die Strom­rech­nung of­fen­bar noch nicht hoch ge­nug war. Ent­schlos­sen mach­te sie sich auf den Weg nach oben, be­trat nach ei­nem kur­zen Klop­fen Ma­ri­us’ Zim­mer und frag­te sich zu­gleich, wa­rum sie das ge­tan hat­te, denn bei die­ser Lauts­tär­ke wür­de man nicht mal sein ei­ge­nes Wort ver­ste­hen, ge­schwei­ge denn ein An­klop­fen.

»Ma­ri­us, mach die Musik …« Ein wil­des auf­sprin­gen­des Et­was, was sich von dem Schoß ih­res drei­zehn­jäh­ri­gen Soh­nes schlag­ar­tig ent­fern­te, schaff­te es tat­säch­lich, dass An­ni sprach­los war. Wäh­rend Ma­ri­us den Lärm lei­ser stell­te, ver­ab­schie­de­te sich das jun­ge Fräu­lein mit ei­nem knall­ro­ten Ge­sicht und hän­gen­den Schul­tern zur Tür her­aus.

»Hi, Mom.« Er dreh­te sich zu sei­nem Lap­top und tipp­te et­was schein­bar sehr Wich­ti­ges.

»Hi, Mom?«, frag­te An­ni per­plex und hoff­te ver­zwei­felt, dass da noch weite­re In­for­ma­tio­nen aus sei­nem Mund kom­men wür­den. Ver­geb­lich. »Mehr fällt dir nicht ein? Was war das ge­ra­de? Und sieh mich ge­fäl­ligst an, wenn du mit mir sprichst!«

»Bleib mal smooth, es ist doch nichts pas­siert!«

Das waren Si­tua­tio­nen, in de­nen sich selbst lie­be­vol­le, lie­ben­de und für­sor­gli­che Müt­ter da­ran er­in­nern muss­ten, dass Ge­walt egal in wel­cher Form kei­ne Lö­sung war. Okay, ru­hig blei­ben, An­ni. »Kön­nen wir bit­te da­rüber re­den?«

»Es gibt nichts zu be­re­den, ich hab sie nicht flach­ge­legt, Mann!«, motz­te er.

Wenn ei­nes fests­tand, dann war es das, dass An­ni de­fi­ni­tiv in der fal­schen Stim­mung war, um ein solch fra­gi­les The­ma ge­gen sei­nen Wil­len und mit Sam­thand­schu­hen an den Fin­gern, die ihn am liebs­ten ge­ra­de er­wür­gen wür­den, zu be­spre­chen. Sie wür­de Cons­tan­tin da­rum bit­ten, das zu über­neh­men. Wenn sie ehr­lich war, fehl­te ihr die Kraft da­zu, wes­halb sie nur sag­te: »Das The­ma ist noch nicht vom Tisch. Du kommst jetzt run­ter und räumst mit mir zu­sam­men die Kü­che auf.«

An­stands­los folg­te Ma­ri­us ihr, was ihr ei­nen wei­te­ren klei­nen Schock ver­pass­te. In­ner­lich auf­ge­wühlt fand sich An­ni nur Se­kun­den spä­ter in dem Saus­tall wie­der, wäh­rend sie das Spül­was­ser ein­ließ und Ma­ri­us den Salat in den Kühl­schrank le­gen woll­te. »Müll!«, kom­men­tier­te sie et­was zu harsch und be­ob­ach­te­te aus dem Augen­win­kel, wie er ih­rem Wort stumm folg­te. Of­fen­sicht­lich hat­te Ma­ri­us ein schlech­tes Ge­wis­sen und ver­such­te es sich mit Haus­ar­beit rein­zu­wa­schen. Um das Ge­spräch wür­de er den­noch nicht drum­he­rum kom­men. Drei­zehn Jah­re war er alt. Ja, ist es denn zu fas­sen? An­nis Mutter war wirk­lich lieb, den­noch hät­te sie sich ei­ne zwei­mona­ti­ge Aus­gangs­sper­re ein­ge­han­delt, wä­re sie in dem Al­ter beim Knut­schen er­wischt wor­den. Wo­mög­lich hät­te sie auf ein Mäd­chen­in­ter­nat wech­seln müs­sen. Ih­ren Kin­dern muss­te man nicht er­klä­ren, wo die Ba­bys her­ka­men, sie wuss­ten, was Sex war. Außer­dem waren sie heu­te de­fi­ni­tiv auf­ge­klär­ter, als sie es selbst da­mals war und doch be­schlich sie ein un­gu­tes Ge­fühl da­bei, dass ihr Sohn sich schein­bar alt ge­nug fühl­te, um sich dem an­de­ren Ge­schlecht auf die­ser Ebe­ne zu nä­hern.

Ma­ri­us half ihr die Kü­che auf­zu­räu­men und lief da­rauf­hin wort­los in sein Zim­mer, nur um kurz da­rauf wie­der die Musik an­zu­stel­len, die man im gan­zen Haus hör­te.

Mü­de. An­ni war er­schöpft, sie fühl­te sich schlapp und doch wuss­te sie, dass sie sich ei­ne Aus­zeit nicht gön­nen konn­te, denn dann wür­de Fa­mi­lie Weis­haupt sang- und klang­los un­ter­ge­hen. Ei­nen kur­zen Mo­ment gönn­te sie sich je­doch, in­dem sie sich ein­fach an den Tisch setz­te, die Fü­ße auf dem ge­gen­über­lie­gen­den Stuhl ab­leg­te und mit den Hän­den die Oh­ren zu­hielt, so­dass sie we­nigs­tens ein paar Mi­nu­ten Ru­he fin­den konn­te.

Nach­dem An­ni spä­ter das Es­sen für alle vor­be­rei­tet hat­te, mach­te sie sich auf den Weg zum Sport. Sie moch­te es, dass es ein der­ar­ti­ges An­ge­bot in der Ge­mein­de gab und sie nicht erst nach Köln fah­ren muss­te, um das näch­ste Fit­nesss­tu­dio nut­zen zu kön­nen. Wenn man in solch ei­nem klei­nen Kaff wohn­te, lern­te man, ge­nau die An­ge­bo­te an­zu­neh­men, die man auch mal oh­ne Auto er­rei­chen konn­te.

»Hi, An­ni, spät dran heu­te!«, wur­de sie von der Trai­ne­rin be­grüßt, die ihr mit aus­ge­streck­ter Hand ei­ne be­reit­lie­gen­de Gym­nas­tik­mat­te zu­wies.

»Ging nicht eher«, ant­wort­ete sie knapp und be­gann, ih­re Mus­keln zu deh­nen und sich auf­zu­wär­men. Der Alters­durch­schnitt in die­ser Grup­pe lag de­fi­ni­tiv über fünf­zig, weil Boden­gym­nas­tik bei der jün­ge­ren Ge­ne­ra­tion schein­bar nicht mehr so an­ge­se­hen war. An­nis Rü­cken dank­te es ihr je­doch je­de Wo­che, dass sie sich um ih­ren Körper küm­mer­te.

Ei­ni­ge Sport­übun­gen spä­ter räum­ten sie ge­mein­sam die Mat­ten in den Ge­rä­te­raum und fan­den sich in der Um­klei­de­ka­bi­ne, wo das Ge­schnat­ter der äl­te­ren Damen längst vol­le Fahrt auf­ge­nom­men hat­te, wie­der.

»Nein, und sie hat ihn wirk­lich ver­las­sen?«, hin­ter­frag­te Hil­trud ge­schockt. An­ni wuss­te sog­leich, um wen es sich han­del­te, denn, dass die Ehe­leu­te Rom­mel­fan­gen sich ge­trennt hat­ten, war am Sonn­tag schon das Top-The­ma nach der Kir­che.

»Ja. Das muss man sich mal vor­stel­len. Da ge­hen die mit gro­ßem Tam­tam hei­ra­ten, bauen ei­nen Luxus­bun­ker …«

»Es ist ein nor­ma­les Haus«, warf An­ni ein. Nicht dass man sie wahr­ge­nom­men hät­te, die Fas­zi­na­tion alles zu dra­ma­ti­sie­ren, ließ die Dorf­ge­mein­de über Lei­chen ge­hen.

»… set­zen drei Kin­der in die Welt – Gott hab sie se­lig – und dann tren­nen sie sich, weil der Mann ei­ne an­de­re hat«, en­de­te sie mit ih­rem Vor­trag und kas­sier­te zu­stim­men­des Ni­cken aller An­we­sen­den.

»Die Kin­der sind nicht tot, sie ha­ben jetzt le­dig­lich ge­trenn­te Eltern«, ver­such­te An­ni auf das un­fass­bar über­trieb­ene ›Gott hab sie se­lig‹ ein­zu­ge­hen. Im Auf­plus­tern waren die­se Damen un­schlag­bar.

»Le­dig­lich?«, echauf­fier­te sich Brun­hil­de augen­bli­cklich. Ganz toll, An­ni. Sonst hört dir hier kei­ne Sau zu und wenn du dich mal un­glü­cklich aus­drückst, wird direkt da­rauf hin­ge­wie­sen.

»Ich woll­te das kei­nes­wegs ver­harm­lo­sen, son­dern ein­fach da­rauf hin­wei­sen, dass die Kin­der heu­te viel stär­ker sind, ge­wis­se Si­tua­tio­nen meis­tern kön­nen. Si­cher ist das schwer für sie und ich wün­sche es kei­nem, aber …«

»Kind­chen, man hei­ra­tet nicht, um sich dann zu tren­nen, nur weil der Mann sich mal nach ei­ner an­de­ren um­ge­guckt hat«, fuhr ihr Brun­hil­de aber­mals über den Mund.

Wie bit­te? »Frau Rom­mel­fan­gen wird von ih­rem Mann hin­ter­gan­gen und ihr nehmt ihn in Schutz?« Was war das denn für ei­ne haar­sträu­ben­de Lo­gik?

»Frü­her hat man sol­che Kri­sen über­stan­den. Die Leu­te ha­ben heu­te kein Durch­hal­te­ver­mö­gen mehr.«

»Al­so jetzt schlägt es ja Drei­zehn!« An­ni stemm­te ih­re Faust in die Hüf­te und sah in die Run­de, die ih­re vol­le Auf­merk­sam­keit auf sie ge­rich­tet hat­te. »Sie wur­de ver­dammt noch­mal be­tro­gen und hat alles Recht der Welt sich von ihm zu tren­nen. Zu­mal uns das über­haupt nichts an­geht. Wenn die bei­den den­ken, dass ih­re Ehe be­en­det ist, ha­ben wir das still­schwei­gend zu ak­zep­tie­ren. Wa­rum soll­ten sie sich durch ihr Le­ben quä­len, wenn sie bei­de glü­cklich sein kön­nen? Man lebt nur ein­mal!«

Ver­ein­zelt senk­ten sich die Köp­fe, was An­ni als ein Schuld­ein­ge­ständ­nis auf­fass­te. Nicht so Brun­hil­de, die sich ge­ra­de vor ihr auf­bäum­te.

»Pass mal auf, Kind­chen. Komm du erst in un­ser Al­ter. Er­le­be du das, was wir er­lebt ha­ben, dann re­den wir weiter. Du hast doch kei­ne Ah­nung, wie das Le­ben funk­tio­niert.« Sie griff sich ih­re Sport­ta­sche und ver­ließ die Hal­le.

Als An­ni ih­re Sa­chen eben­falls zu­sam­men­ge­packt hat­te und auf dem Heim­weg war, frag­te sie sich, wa­rum sie das eigent­lich mit­mach­te? Klar, der Sport war wich­tig, aber je­de Wo­che die­ses glei­che stu­pi­de Ge­re­de und Ge­läs­ter über die Dorf­be­woh­ner? An­ni woll­te gar nicht wis­sen, was sie über ih­re Fa­mi­lie spra­chen. Ihr Mann war oft un­ter­wegs, weil er für man­che Ge­sprä­che zu den Kun­den rei­sen muss­te. Ih­re Kin­der wur­den recht lo­cker er­zo­gen, gin­gen bei­de nicht auf die hie­si­ge Schu­le, son­dern auf ein pri­va­tes Gym­na­si­um in Köln. Fa­mi­lie Weis­haupt füg­te sich ins Dorf­le­ben ein, ja. Den­noch waren sie spe­ziell, wenn man das aus der Sicht der Gym­nas­tik­damen sah.

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