Читать книгу Die großen Themen des christlichen Glaubens - Norbert Scholl - Страница 34

b) „Gott“ als Tremendum und Fascinosum

Оглавление

Schon in den frühesten Zeugnissen von Religion wird das Göttliche als Tremendum und Fascinosum erfahren, als ein zugleich erschreckendes und wohltuendes, abweisendes und anziehendes, Angst einflößendes und in Bann schlagendes Geheimnis.

So stellt, wahrscheinlich auf uralten Traditionen fußend, Lao-tse (um 800 oder um 600 v. Chr.), der legendenumwobene Begründer des Taoismus, in seinem Buch Taoteh-king einen abstrakten Begriff „Tao“ als Urgrund der Welt dar. Tao ist zugleich geistig und ewig ruhend; es bringt alle Dinge der Welt, auch die Materie, hervor, ohne seine Ruhe aufgeben zu müssen. Zugleich besitzt Tao die höchsten ethischen Eigenschaften, die auch als Norm für das menschliche Handeln zu gelten haben. Das Tao soll durch Nachahmung, nicht durch Kultakte verehrt werden. Es arbeitet im stillen Wirken der Natur ohne Hast und Leidenschaft. Selbst Unrecht soll nach der Lehre des Lao-tse mit Güte vergolten werden. Das Tao ist auch die den Gegensätzen in der Natur, dem Yin und dem Yang, übergeordnete einigende Kraft.

Manchen aufgeklärten Zeitgenossen ist es kaum noch bewusst, dass die archaische Denkweise auch im modernen Menschen keineswegs erstorben ist. Die Symbole verschwinden nie aus der psychischen Aktualität. Wohl aber können sie ihre Erscheinungsform ändern. Insbesondere psychisches Leiden kann Menschen auf jene Ursprungssituationen religiösen Denkens zurückwerfen. Psychosen und Neurosen lassen die verschütteten Tiefen der Seele aufbrechen; sie offenbaren nicht aufgearbeitete Konflikte, nicht integrierte Urerlebnisse. So gründet die Platzangst vielleicht letztlich in der Scheu, den Bannkreis eines heiligen Ortes zu betreten. Der Waschzwang könnte eine Urerinnerung an die Unreinheit und an die heilende und reinigende Kraft des Wassers darstellen. Der Wiederholungszwang mag ein Grundgesetz kultischer Riten, Beschwörungen und Zauberformeln enthüllen. Depressionen mögen die tiefe Verstörung über menschliches Unvermögen und Versagen, über Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein offenbaren. Der Fetischismus kann Ausdruck des Glaubens an eine Macht sein, die leblosen Gegenständen innewohnt und die man sich für ein bestimmtes Ziel dienstbar machen möchte.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

Подняться наверх