Читать книгу Die großen Themen des christlichen Glaubens - Norbert Scholl - Страница 51

Der Mensch

Оглавление

Bei der Verleihung des Romano-Guardini-Preises der Kath. Akademie in Bayern hat sich der tschechische katholische Religionsphilosoph Tomás Halík mit der von vielen Menschen erlebten „Abwesenheit Gottes“ beschäftigt.34 Er kam dabei zu einem überraschenden Schluss: „In einer Zeit, in der Gottes Abwesenheit den Menschen besonders bedrängt, kann der Mensch dem Ruf Folge leisten, Gott in der Welt zu repräsentieren.“ Dies bedeute nicht, „Gott zu spielen“, eine „God like position“ anzunehmen. Es verlange vielmehr, „wie Gott zu sein“, der in seiner großzügigen, bedingungslosen Liebe alle Grenzen überschreitet (er lässt die Sonne scheinen und den Regen fallen über Gute wie Böse). Es bedeutet, an Gott zu erinnern, wie ein Zeichen zu leben, das eigene Leben in eine „Erinnerung“ zu verwandeln, in eine vergegenwärtigende Erinnerung, in ein Zeugnis für Gott und eine Bezeugung Gottes.“

Halík erinnerte in seinem Vortrag an ein Wort von Benedikt XVI.: Jene, die nicht fähig sind, den Weg zur Annahme Gottes zu finden, sollten versuchen, so zu leben, „als ob es Gott gäbe.“ Für Halík bedeutet das, „als wirklich freier Mensch zu leben – das heißt, die Freiheit auch für sich zu behaupten, in der Freiheit zu stehen und sich nicht von Neuem das Joch der Knechtschaft auflegen zu lassen –, es bedeutet dreierlei: nicht abhängig zu sein (Abhängigkeit loszuwerden) und nicht eigenwillig (Eigenwillen loszuwerden) und vor allem verantwortlich zu sein. Ein solches Leben „impliziert Gott“: das eigene Leben so zu leben und auszurichten bedeutet de facto, „es auf die Anwesenheit Gottes zu öffnen“; im Leben eines so lebenden Menschen „lebt“ immer auch Gott – die Freiheit ist sozusagen die eigentlichste Biosphäre Gottes, sein Lebensraum.“

Auf ähnliche Gedanken treffen wir auch bei Gotthold Hasenhüttl: „Wo ein Mensch sich den anderen erschließt, wo er offen ist für neue Möglichkeiten und den anderen in seiner Annahme aufatmen lässt, da wird Gott gegenwärtig, weil Liebe geschieht. Im Ereignis der Liebe wird die letzte Wirklichkeit sichtbar. So kann man beinahe sagen, dass Gott in den ‚Banalitäten‘ des Lebens zur Sprache, zum Vollzug kommen kann. Im Schluck Wasser, im Krankenbesuch, im Dienst am Nächsten, in menschlicher Zuneigung, in der Hingabe des Lebens – überall kann Gott Ereignis werden. Gott ist den Menschen unendlich nahe, wenn der eine dem anderen hilft. In diesem Ereignis, das erfahrbar ist, kann Gott geschehen, wird Gott in unserer Mitte gegenwärtig.“35

Jeder kann vielleicht solche Begegnungen mit Menschen nennen, die eigentlich Gottesbegegnungen sind. Situationen, in denen sich Gott ereignete, in denen der Mensch zum Ort der Gottesbegegnung wurde. „Ich sehe Gott überall an unserer Seite, wenn wir Unrecht beim Namen nennen und uns über Gewalt empören. Ich sehe ihn handeln, wenn wir uns dagegen auflehnen und für gequälte Menschen einstehen. Ich sehe Gott am Krankenbett, wenn einer nur die Hand hält oder ein gutes Wort sagt. Ich sehe ihn handeln, wenn Ärzte heilen und Forscher Krankheiten bekämpfen. Ich sehe Gott, wenn Menschen sich ein Lächeln schenken und einander Kraft geben in schweren Zeiten, wenn wir uns vom Leid berühren lassen, weinen und trösten zur rechten Zeit, wenn wir aushaken und aufbegehren. Ich sehe Gott in jedem Gesicht, das sucht und hofft, und in jeder Antwort, die Hoffnung gibt und Geborgenheit schenkt. Ich sehe Gott in jedem Funken Liebe, der in dieser Welt flackert. Und sollte einmal der letzte dieser Funken in eisiger Nacht verlöschen, sehe ich Gott in seiner Schöpfung brennen, um erneut Licht und Liebe zu entzünden für eine Welt, die sich nichts sehnlicher wünscht als Vertrauen in einen guten Sinn, den ihr niemand streitig machen kann.“36

Die großen Themen des christlichen Glaubens

Подняться наверх