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a) Buddhismus

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Auf die Frage nach Gott hat Buddha keine Antwort gegeben. Dennoch kennt der Buddhismus eine letzte, tiefste, allumfassende Wirklichkeit, ein Absolutes. Dieses ist freilich jenseits aller Begriffe und Worte. Weil menschliches Reden und Beschreiben immer in irgendeiner Weise zu irdischen Vorstellungen in Beziehung steht, muss das Absolute „leer“ sein. Alle Bestimmung würde es eingrenzen, jede Begriffsbildung würde es einschnüren. Nur das Unbestimmte ist offen. Nur das Unbegriffene ist unbegreiflich. „Der Buddhist ist kein Nihilist; nur, er widersteht allen Versuchen zu bestimmen, was das wesentlich Unbestimmte ist. Das Absolute kann nicht einmal identifiziert werden mit Sein oder Bewusstsein, da dies seine Natur als den unbedingten Grund der Erscheinungen kompromittieren würde. Die letzte Wirklichkeit wird (…) angenommen als die Wirklichkeit aller Dinge, ihre wesentliche Natur. Sie ist oft einförmig und universal, weder abnehmend noch zunehmend, weder entstehend noch vergehend. Das Absolute allein ist in ihm selbst“ (Tirupattur R. V. Murti45). Erkennbar ist das Absolute nur in der Intuition, in der Versenkung, im Eins-Werden mit ihm. Dieses ist erreicht, wenn der Mensch zu vollem Gleichklang mit dem Absoluten gelangt, wenn er nicht mehr mit dem Ich denkt, plant oder handelt, sondern in Harmonie mit dem Kosmos.

Dieser Zustand kann als Nirvana bezeichnet werden – als Auslöschung und Vollendung. Freilich muss zwischen Nirvana in diesem Leben und im Leben nach dem Tode unterschieden werden. Für dieses Leben gelten die vier erhabenen Wahrheiten:

 Der Mensch bleibt dem Leid und der Not der Welt unterworfen;

 die Ursache dafür liegt im Verlangen und Begehren;

 Verlangen und Begehren können ausgelöscht werden;

 dazu gibt es einen Weg.

Im Nirvana nach dem Tode gibt es kein Leiden mehr, weil dann alles Verlangen und Begehren erloschen (oder erfüllt?) ist. Der Buddhist glaubt, dass „Nirvana“ ewig sei, beständig, unvergänglich, unbeweglich. „Weder dem Altern noch dem Tode unterworfen, ungeboren und ungeworden, dass es Macht, Segen und Seligkeit bedeute, ein rechter Zufluchtsort sei, ein Obdach und ein Platz unangreifbarer Sicherheit; die wirkliche Wahrheit und die höchste Wirklichkeit; dass es das Gute sei, das höchste Ziel und die einzige Erfüllung unseres Lebens, ewiger, verborgener und unbegreiflicher Frieden“ (E. Conze46).

Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt in seiner „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ den Buddhismus sehr kurz und treffend: „In den verschiedenen Formen des Buddhismus wird das radikale Ungenügen der veränderlichen Welt anerkannt und ein Weg gelehrt, auf dem die Menschen mit frommem und vertrauendem Sinn entweder den Zustand vollkommener Befreiung zu erreichen oder – sei es durch eigene Bemühung, sei es vermittels höherer Hilfe – zur höchsten Erleuchtung zu gelangen vermögen.“47

Ein mit dem theologischen Sprachgebrauch vertrauter Leser wird leicht manche Berührungspunkte zwischen der Nirvana-Vorstellung und dem christlichen Gottesbild erkennen. Vielleicht befremdet ihn nur, dass dieses Nirvana ein unpersönliches, fernes Es ist. Aber ist Gott wirklich ein „Du“, das auf einer Linie mit dem menschlichen Du gedacht und erfahren werden kann? Gerade die in der Nirvana-Vorstellung angedeutete Unterbrechung kann den Abstand deutlich machen. Gott ist nicht nur der Nahe, er ist auch der Ferne. Er ist nicht nur der Vertraute, sondern auch der Unbekannte, der ganz Andere. Christliche Rede von Gott läuft nicht selten Gefahr, allzu genau über ihn Bescheidwissen zu wollen. Theologie bedenkt oft zu wenig, dass all ihre klugen und wohldurchdachten Aussagen von Gott unendlich hinter der Wirklichkeit zurückbleiben. Vielleicht sind die tiefe Ehrfurcht vor dem Geheimnis Gottes und die Angst vor schneller Geschwätzigkeit (auch) ein Grund, warum Buddha auf die Frage nach Gott mit Schweigen antwortete.

Schweigen kann dialogischen Charakter haben. Wir sprechen von „beredtem Schweigen“ oder von einer „schweigenden Begegnung“. Solches Schweigen übersteigt das Wort, ist gefeit gegen die Gefahr missverständlicher Formulierung, falscher Deutung. So gibt es auch eine schweigende Offenbarung des Heiligen, des Mysteriums. Nur im Schweigen des Menschen kann Gottes Wort vernommen werden. Aus schweigender Begegnung erwachsen Anbetung, religiöse Hingabe und Nachfolge.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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