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c) Islam

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Das arabische Wort „Islam“ ist abgeleitet aus der gemeinsemitischen Wortwurzel s-l-m (salam, shalom) und bedeutet soviel wie „Hingabe, völlige Ergebung, Frieden“. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die Hingabe des Menschen an Gott, an Allah. Allah aber will seine Ergebenen, seine Muslime, nicht knechtisch niederhalten, sondern sie zu Glück und Erfüllung führen. „Wer meiner rechten Leitung folgt, geht nicht in die Irre und wird nicht unglücklich“ (Sure 20,123). Der Islam ebnet den Weg zu dem Leben, für das die Menschen geschaffen sind. „Ihr Gläubigen, hört auf Allah und seinen Gesandten, wenn er euch zu etwas ruft, was euch Leben verleiht“ (Sure 8, 24). In der Hingabe an Gott findet der Mensch Frieden und ewige Erfüllung. Allah ist der alleinige Herr. Er hat keine Götter neben sich. Mohammed wird nicht müde, auf diesen Kernpunkt seiner Lehre immer wieder hinzuweisen: Es gibt nur einen einzigen Gott; ihm andere Götter beizugesellen, ist die schwerste Sünde, die man sich denken kann. Allah hat durch Profeten (Adam, Noach, Abraham, Mose, Jesus, Mohammed) zu den Menschen gesprochen und ihnen seinen Willen kundgetan. Er verlangt, das Gute zu tun und das Böse zu unterlassen.

Zwei Eigenschaften zeichnen Gott nach islamischer Vorstellung in besonderer Weise aus: Güte und Gerechtigkeit. Gottes Güte hat dem Menschen die Natur zur Verfügung geschenkt. Die Schöpfung und das ganze Geschehen in der Welt sollen seinem Wohlergehen dienen. Der Mensch muss für diese Wohltaten Gottes dankbar sein. Undankbarkeit zeugt von Unglaube (im Arabischen wird interessanterweise für Undankbarkeit und Unglaube ein und dasselbe Wort verwendet: kufr). Der gütige Gott ist aber auch der gerechte. Nur die Gläubigen – die Dankbaren – werden nach dem strengen Gericht in das Paradies eingehen; Ungläubige – Undankbare – kommen in die Hölle, deren Qualen in ebenso drastischen Farben geschildert werden wie auf der anderen Seite die Freuden des Paradieses. Der gläubige Muslim lebt so in einem dauernden Nebeneinander von Verlangen nach den Freuden des Paradieses und Furcht vor den Qualen der Hölle, in einem Zwiespalt zwischen Hoffnung und Angst. „Ruft Allah nur mit Furcht und in Hoffnung an; denn nahe ist seine Gnade denen, die Gutes tun“ (Sure 7,57).

Das Gottesbild des Islam weist bei allen Unterschieden doch im Wesentlichen eine Übereinstimmung mit der jüdisch-christlichen Glaubenstradition auf. Das mag auch daher rühren, dass Mohammed für seine Lehre manche Anleihe bei Juden und Christen gemacht hat. Gott ist eine einzige, zugleich gütige und gerechte Macht, die auch mit vielen Namen nicht annähernd fassbar und begreifbar ist. Nach einer alten islamischen Legende hat Allah 999 Namen; aber der eigentliche ist den Menschen verborgen.

Es ist noch nicht allzu lange her, da galt der Islam als eine Religion, deren Anhänger im „christlichen Abendland“ kaum anzutreffen waren. Die Muslime lebten in weiter Ferne. Inzwischen hat sich die Situation dramatisch verändert. Nicht wenige empfinden heute den Islam als eine angsteinflößende Bedrohung, vor allem angesichts der jüngsten, von so genannten „Islamisten“ ausgehenden Terroranschläge.

Die eigentliche Triebkraft der Idee eines umfassenden islamischen „Gottesstaates“ sind vor allem die Fundamentalisten. Sie vertreten die Ansicht, dass der Djihad zur Ausbreitung des Islam besser sei als die Ausbeutung und Menschenverachtung des westlichen Kolonialismus. Djihad wird meist mit „Heiliger Krieg“ übersetzt. Das ist aber falsch. Denn Djihad meint „Anstrengung, um zu Gott zu gelangen.“ Diese Anstrengung kann verschiedene Formen annehmen – Gebet, gute Taten und als letztes Mittel, wenn der Glaube, das persönliche Leben oder das Wohlergehen der Gemeinde bedroht sind, auch Kampf.

Genau diese Bedrohung sehen die islamistischen Fundamentalisten gegeben. Sie weisen dabei auf den quasi-totalen Zusammenbruch westlicher Sitte und Moral hin, vor allem auf die Gefahren, denen die Institution Familie im Westen ausgesetzt ist. Dabei berufen sie sich auf die Anweisungen des Koran im Hinblick auf die Pflicht zum Kampf gegen die Feinde des Islam. Die Muslime, so der Koran, sollen in den Kampf ziehen und für ihr Leben, für ihren Glauben und für die Einheit ihrer Gemeinschaft streiten. Wer durch die Beteiligung am Kampf seine Glaubenstreue unter Beweis gestellt hat, wird den Lohn Gottes erlangen (Sure 4,75), gleich ob er „tötet oder getötet wird“ (Sure 9,111). Allerdings wird den Kämpfern eingeschärft, „nicht maßlos im Töten“ zu sein (Sure 17,34). Ältere Menschen, Frauen und Kinder, sowie Nichtbeteiligte an den Kampfhandlungen dürfen auf keinen Fall Ziel von Angriffen sein. Niemand soll indes zum Glauben gezwungen werden, „da die wahre Lehre vom Irrglauben ja deutlich zu unterscheiden ist“ (Sure 2,257). Jene, die bereit sind, Frieden zu schließen, sollen auch mit friedvollem Verhalten von Seiten der Muslime behandelt werden: „Wenn sie sich von euch fernhalten und nicht gegen euch kämpfen und euch Frieden anbieten, dann erlaubt euch Gott nicht, gegen sie vorzugehen“ (Sure 4,91). Endziel allen Kampfes ist die Oberherrschaft des Islam über alle übrigen Religionen und Gemeinschaften (Suren 9,33; 48,29).49

Kenner des Islam vertreten die Ansicht, dass die militant-aggressive Form des Islam eher eine Durchgangsphase darstelle – hin zu einer Form des muslimischen Denkens und Lebens, das sich als Partner einer kulturell und religiös pluralistischen, weltweiten Gemeinschaft der Menschen versteht. In beeindruckender Weise hat einmal der in der islamischen Welt wie in den westlichen Ländern angesehene Gelehrte des Islam, der frühere Dekan der Theologischen Fakultät der Azhar-Universität und jetzige Minister für Religiöse Stiftungen in Kairo, Professor Mahmoud Zakzouk, die Überzeugung zum Ausdruck gebracht: „Der Islam will den Frieden. Und der Weg zum Frieden ist auch der Friede“50.

In seinem Verhältnis zum Christentum wird der Islam von Gefühlen der Anziehung wie der Ablehnung hin- und hergerissen. Anziehung durch die Einheit und Organisation der Kirchen, durch ihre erzieherischen und sozialen Dienste, durch ihr moralisches, politisches und diplomatisches Gewicht, das sie international haben, durch die karitativen und sozialen Leistungen. Aber viel stärker und tiefgreifender als diese Anziehung scheint die Ablehnung zu sein. In der islamischen Welt wird das Christentum oft mit der „westlichen Welt“ identifiziert. Der Westen – und damit auch die christliche Kirche – sei für die Kreuzzüge, den Kolonialismus, den Kapitalismus, den Marxismus und die verbreitete Zerrüttung der Familie und Moral zumindest mitverantwortlich. Auch werden die Kirchen immer wieder kritisiert, weil sie mit Israel und dem Zionismus im Einverständnis seien.

Es bleibt die Frage: Wenn es theologisch so substanzielle Entsprechungen gibt – wie den Glauben an den Gott Abrahams, die Sicht des Menschen als Geschöpf Gottes, die Annahme eines geoffenbarten göttlichen Gesetzes, die Gründung der Gesellschaft auf göttliche Ordnung und die Erwartung einer endzeitlichen Vergeltung in Gott – warum besteht dann diese enorme Schwierigkeit für den Islam, sich dem auf diesen Fundamenten von der Kirche angebotenen Dialog zu öffnen?

„Der eigentliche Grund scheint zu sein: Die großen, dem Christentum und Islam gemeinsamen religiösen Prinzipien und deren ethisch-soziale Implikationen werden nicht auf dieselbe Weise im täglichen Leben interpretiert und verstanden, weil die beiden Religionen verschiedene religiöse Wurzeln haben: Jesus Christus und Muhammad. Wie die ganze spirituelle Wirklichkeit des Christentums von der geschichtlichen Gestalt Jesu durchdrungen ist, oder, anders gesagt, sich immer wieder am Grundmodell von Jesu Leben und Lehre messen lassen muss, so ist die Wirklichkeit der islamischen Glaubenslehre und -praxis geprägt vom Grundmodell des Lebens und der Lehre des Muhammad. Die geschichtlichen Vermittlungen in Jesus und Muhammad drücken auf ihre Weise sowohl dem Islam als auch dem Christentum tiefgehend verschiedene Merkmale auf, trotz der gemeinsamen Themen in der Lehre und des grundsätzlichen Übereinkommens im Ideal des Islam als Totalhingabe an Gott im religiösen Grundvollzug. Es handelt sich um Unterschiede, die besonders spürbar werden, wenn es sich um die Konkretisierung des Glaubens im täglichen Leben und in der Politik handelt. Heute, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der intensiven Belehrung der letzten Päpste, den Aufrufen vieler Bischofskonferenzen, christlich-ökumenischer Gremien und christlich-muslimischer Gruppen, scheint es mir für einen Christen nicht mehr legitim, sich geistlich vom Islam zu trennen, den Islam in seiner geschichtlich-religiösen Dimension zu ignorieren oder gar zu den alten Positionen des Kampfes und der Polemik zurückzuführen. Der Geist des Evangeliums verlangt von uns, auf die Muslime mit Achtung und Sympathie zu schauen und geduldig alle Wege zu suchen, um sie besser kennen zu lernen, mit ihnen in Kommunikation zu treten und, wo immer möglich, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das verlangt gleichzeitig die Entwicklung von Klugheit und eines kritischen Unterscheidungsvermögens. Dort, wo Ziele und Formen des Vorgehens als islamisch (oder christlich) ausgegeben werden, die dem Zusammenleben und der Würde aller Menschen in einer weltweiten Gemeinschaft zuwiderlaufen, müssen sie deutlich als schädlich und inadäquat aufgezeigt werden“51.

Noch erscheint es keineswegs sicher, ob beide Seiten, Christen wie Muslime, die Herausforderung und Chance zur gegenseitigen Annäherung und zur weltweiten Zusammenarbeit wahrnehmen, und ob Christen und Muslime bereit sind, „das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“52.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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