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Zweifel gehört zum Glauben

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Oben habe ich schon einmal Kardinal Woelki und sein Bekenntnis zum Zweifel erwähnt. Im gleichen Interview spricht er auch von Glaubenszweifeln: „Mit meinem Zweifel muss ich leben, aber eben auch mit dem Glauben. Beide sind ein Teil von mir. Ich weiß, dass ich nicht immer alles verstehen kann und auch nicht immer erkenne, was Gott will. Doch ich fühle mich zugleich gehalten von ihm. Der Glauben ist in meinem Leben bislang immer stärker gewesen als der Zweifel. Darüber bin ich glücklich.“

Der Zweifel besitzt sogar eine heilsame Funktion für den religiösen Glauben. Er ist nicht Feind, sondern Schutz des Glaubens: Er |12|schützt davor, Geltungsansprüchen oder Heilsversprechungen zu schnell und leichtfertig auf den Leim zu gehen. Er hält davon ab, Aussagen ungeprüft zu übernehmen und schlechte Argumente mit guten zu verwechseln. Er bewahrt vor allzu forschem Auftreten und vor übertriebener Selbstsicherheit, denn er lehrt mich, dass sich dahinter nicht selten Unsicherheit oder gar gähnende Leere verbergen.

Der Zweifel muss ein Hausrecht beanspruchen dürfen in unserem Glauben, in den Gemeinden, in der Kirche. Wir dürfen ihn nicht aussperren, weil er uns unbequem erscheint, weil er unsere Selbstgewissheit durchkreuzt, weil er uns in unserer Scheinsicherheit verunsichert. Allerdings muss ich auch am Zweifel immer wieder zweifeln. Denn auch der Zweifel „glaubt nur“.

Es darf uns nicht beunruhigen, wenn heute viele gläubige Menschen mit massiven Glaubenszweifeln ringen. Denn „keiner kann dem Zweifel ganz, keiner kann dem Glauben ganz entrinnen; für den einen wird der Glaube gegen den Zweifel, für den anderen durch den Zweifel und in der Form des Zweifels anwesend. Es ist die Grundgestalt menschlichen Geschicks, nur in dieser unbeendbaren Rivalität von Zweifel und Glaube, von Anfechtung und Gewissheit die Endgültigkeit seines Daseins finden zu dürfen. Vielleicht könnte so gerade der Zweifel, der den einen wie den anderen vor der Verschließung im bloß Eigenem bewahrt, zum Ort der Kommunikation werden“, so schrieb der junge Professor Joseph Ratzinger vor fast 50 Jahren.6

Glauben im Zweifel

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