Читать книгу Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer - Norbert Wibben - Страница 12

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Überlegungen

»Ich könnte Onkel Glen fragen, wer aus unserer Familie lebt und über Zauberkräfte verfügt. Dafür müsste ich aber seinen Aufenthaltsort kennen.«

Der Kolkrabe hält den Kopf schräg und klappert mit seinen Augendeckeln. Er sitzt auf der Rückenlehne einer Bank, auf der Raban die warmen Strahlen der Frühjahrssonne genießt und in einer Zeitung liest. Sein Vater ist bereits zur Arbeit gefahren. Seine Mutter konnte von keinen Auffälligkeiten der letzten Zeit berichten. In der Politik gibt es zwar heftige Wortgefechte zwischen den Parteien, aber das ist normal. Andere Vorkommnisse bewegen sich ebenfalls nicht außerhalb des üblichen Rahmens. Die Anzahl von Unfällen oder Berichte über ungewöhnliche Vorfälle mit Tieren, insbesondere mit Vögeln, sind nicht besonders groß. Und auch das Wetter verläuft wie stets im Frühjahr. Trotzdem hofft der Junge, einen Hinweis in der Zeitung zu finden.

Raban hebt den Kopf und blickt den Raben an.

»Was ist? Du hast einen Onkel, weißt aber nicht, wo er zu finden ist?«

»Ja, so ist es. Es ist der Vater von Grimur. Seit den unrühmlichen Taten seines Sohnes und nach dem Familientreffen, hat er sich völlig zurückgezogen. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt.«

»Dann überlege, wer es wissen könnte. Ich habe noch nicht alle Seiten und Artikel der Zeitung überprüft. Lass mich noch einige Zeit lesen. Einverstanden?«

»Muss ich ja wohl«, brummelt der Rabe. »Aber versuche etwas schneller zu lesen. Vielleicht sind Zoe und unsere Kinder in Gefahr, und es zählt jeder Augenblick.« Der schwarze Vogel hockt zwar auf der Rückenlehne, kann aber vor Ungeduld und Sorge nicht still sitzen. Er wackelt mit dem Kopf, hält ihn schräg und dann wieder gerade, wandert ein paar Schritte zur Mitte und dann wieder zum Rand. Die Geräusche die er dabei von sich gibt, klingen überhaupt nicht nach einem Raben: »Pfff … hhhh … achhh … zzz …« Die Töne kommen gepresst heraus, so sehr steht das Tier unter Anspannung.

»Ha. Jetzt weiß ich es«, jubiliert er plötzlich laut.

Erschrocken blickt Raban ihn an:

»Was ist? Was weißt du?«

»Was mich an unseren Überlegungen stört. Warum sollte ein Fithich aus meiner Familie so eine schändliche Tat durchführen. NEIN. Das muss ein Mitglied einer anderen Familie getan haben, wenn überhaupt!«

»Ich weiß nicht, wie sehr der Zusammenhalt in euren Familien ist. Bei uns Menschen kommt es gelegentlich schon vor, dass sie sich auch innerhalb einer Familie schlimme Dinge antun. Wenn du aber überzeugt bist, dass es so ist, wie du sagst, können wir diese Möglichkeit ausschließen. Dann ist es auch nicht wichtig, mit deinem Onkel Glen zu sprechen. – Ich bin gleich mit der Zeitung fertig. Gedulde dich noch wenige Augenblicke.«

Erneut vertieft sich Raban in die Lektüre, während Röiven ungeduldig hin und her wandert.

Einen Augenblick lang stutzt der Junge, als er einen kurzen Bericht liest, der eher eine kleine Randnotiz ist:

»Rückkehr der Raben

Nach dem rätselhaften Massensterben von Vögeln im letzten Jahr, wobei besonders Kolkraben betroffen waren, berichtet uns Professor Harald Ansaepluma von der Universität für Tiermedizin in der Hauptstadt Erfreuliches. Besonders im Norden des Landes haben mehrere Paare dieser Vögel Nester gebaut und mit der Brut begonnen.

Auch wenn diese Vogelart nicht in der internationalen Roten Liste der IUCN (Weltnaturschutzunion) aufgeführt wird, musste sie für unser Land in die Gefährdungskategorie 1 (vom Aussterben bedroht) eingestuft werden. Professor Ansaepluma wertet die Beobachtungen positiv. Er hofft, die Kolkraben in einigen Jahren wieder von der Liste nehmen zu können. Er fordert alle auf, beim Schutz dieser Tierart zu helfen. Sie dürfen keinesfalls beim Brüten gestört werden!«

Der Junge schüttelt den Kopf, legt die Blätter ordentlich zusammen und berichtet enttäuscht: »Leider bin ich nicht schlauer geworden. Die Ereignisse im Land sehen völlig normal aus. Hm.«

»Dann haben wir also jetzt unsere Zeit unnötig vertan! Wir müssen Zoe und die Kinder suchen. Komm, lass uns sofort aufbrechen!«, fordert der schwarze Vogel drängend.

»Das können wir gerne machen, wenn du mir sagst, WOHIN.«

»Wie, wohin? Wir müssen überall suchen.«

»Einverstanden. Und wo fangen wir an?«

»Wo wohl? Also, das ist doch klar. Wir beginnen … Ja, nun … hm. – Kannst du mir einen Rat geben? Minerva hat deine Klugheit doch immer so gelobt. Hast du keine Idee?«

Die Stimme des Kolkraben knarzt mittlerweile recht niedergeschlagen. Er sieht ein, blindes Losrennen, besser gesagt: Losfliegen, macht keinen Sinn.

»Das ist es ja«, bestätigt der Junge diese Gedanken des Vogels. Wir müssen logisch vorgehen, um erfolgreich sein zu können. Die möglichen Verursacher für die Entführung Zoes haben wir eingekreist. Das müssen vermutlich Fithich mit Zauberkräften gewesen sein, oder … Ja –, das wäre auch noch eine Möglichkeit. Es gibt Menschen, die Vogelnester ausnehmen, um die Eier zu sammeln oder an Sammler zu verkaufen. – Hm. Weil im letzten Jahr so viele Fithich getötet worden sind, könnten eure Eier jetzt wertvoll sein.«

»Was sagst du? Es gibt Menschen, die einfach unsere Eier klauen, um sie zu sammeln. Aber die ungeschlüpften Fithichkinder sterben dann doch!«

»Ja, leider gibt es solche Typen. Aber ich glaube, dies können wir auch bei unseren Überlegungen ausklammern.«

»Warum?«

»Die hätten natürlich keinen Grund, das Nest mitzunehmen. Außerdem wäre Zoe dann noch dort, wenn sie die Nesträuber nicht verfolgt hätte.«

»Puh, du hattest mir gerade einen Schrecken eingejagt. Ja, was sollten die wohl mit einem Nest, auch wenn ihre Bezeichnung das vermuten lässt: Nesträuber.«

»Das heißt nur so, weil sie ein Nest ausrauben. – Aber lass uns weiter überlegen. Ein Zauberer könnte das auch gemacht haben. Der Grund wäre dann vermutlich Rache. – Aber es gibt doch außer mir keine weiteren Zauberer unter den Menschen. Elfen mit Zauberkräften würden so was keinesfalls machen. Aber woher sollte ein Zauberer wissen, wo er deine Partnerin und deine Kinder finden kann. Und mir fällt kein Grund ein, warum er sie zusammen mit dem Nest entführt haben sollte. – Wir drehen uns im Kreis und eine Erklärung für die Kratzspuren habe ich immer noch nicht.«

»Was können wir dann tun? Irgendwo müssen wir doch anfangen zu suchen. Auch wenn das nicht so erfolgversprechend sein mag, nur herumsitzen kann ich nicht.« Röiven flattert auf und will davon fliegen, als Raban ihn aufhält:

»Warte! Du hast mich auf eine Idee gebracht.«

»Eine Idee? Sag schon, ja, sag schnell!«, fordert der Vogel aufgeregt.

»Als du vorhin sagtest, Minerva hat meine Klugheit zu Recht gelobt, machte es Klick.«

»Was bedeutet, »es machte Klick«?« Der Rabe sitzt wieder auf der Rückenlehne der Bank und blickt den Jungen mit schräg gehaltenem Kopf an. Seine Augendeckel klappen aufgeregt.

»Das ist so eine Redewendung. Es bedeutet: das hat mich auf eine Idee gebracht. Ich will sagen, du hast Minerva erwähnt. Was meinst du, sollten wir diese Eule um Rat fragen?«

Einen Moment herrscht Stille. Der Rabe und der Junge bewegen sich nicht, sondern blicken sich nur an.

»Jepp! Minerva hatte Recht, du …«

Hier unterbricht Raban seinen Freund schnell:

»Das lass weg. Dein »Jepp« bedeutet also, du stimmst mir zu?«

»Jepp oder Jo oder Klaro oder …«

»Röiven!«

»Ja. Du hast Recht. Diese alte Eule, was jetzt kein Schimpfwort sein soll, kennt viele Geheimnisse. Vielleicht kann sie mir helfen, Zoe und die Kinder ...« Hier verstummt der Rabe schlagartig. Das kurzzeitige Aufflackern seiner früher üblichen Ausgelassenheit ist bei dem Namen seiner Partnerin schnell verflogen. Seinen Kopf lässt er aber nicht hängen. Er blickt den Jungen fordernd an. Dieser entgegnet sofort:

»Ja, wir besuchen Minerva umgehend. Ich sage auf dem Weg in mein Zimmer nur kurz Mom Bescheid, dann kann es losgehen.«

Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer

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