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Ein neuer Auftrag

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Vor drei Tagen im Nordland.

Es ist etwa eine Stunde vergangen, seitdem Finley verschwunden ist. Roarke sinnt über die aktuellen Ereignisse nach, versucht Möglichkeiten durch Gewissheit zu ersetzen. Größere Auseinandersetzungen mit den Dubharan hat es in den letzten Jahren so gut wie keine gegeben. Trotzdem kamen immer wieder Zwischenfälle vor, in denen es ungewöhnliche Todesfälle gab. Diese lassen sich nur durch das Wirken von dunklen Zauberern erklären. Dies geschieht immer häufiger. Sie werden stärker und treten immer öfter aus dem Verborgenen hervor. Sie bereiten sich vielleicht auf eine letzte Auseinandersetzung vor. Besondere Besorgnis bereitet ihm der Tod von Riley und Robert, die beide Träger eines Armreifs waren.

Roarke grübelt über die ungewöhnlichen Orte nach, an denen in den letzten Wochen Aktivierungsimpulse bemerkt worden sind. Es waren eindeutig Rileys und Roberts Armreifen, aber nachdem diese getötet worden waren. Seine Beobachter der Karte sind sehr aufmerksam und zuverlässig. Kann es aber doch sein, dass seine Beobachter etwas nachlässig waren?

Jedenfalls hatten sie an zwei Orten im Westen diese Aktivierungen festgestellt, die ihn stutzig machten. Eine erfolgte in der Burg, in der vor Jahrhunderten ein heftiger Kampf zwischen ihnen und den Dunklen stattfand. Die Überprüfung zeigte aber eine menschenleere Burg, die lediglich von Seevögeln, Krähen und Dohlen bewohnt wird.

An dem zweiten Ort gab es wiederholt Aktivierungen. Das Seltsame ist, sie fanden auf einem einsamen Berg statt. Sein Späher konnte dort aber weder ein menschliches Wesen, noch eine Behausung entdecken. Er fand auch keine Ansiedlung in der näheren Umgebung. Warum gab es die Aktivierungen dort, oder hatten seine Beobachter die Orte falsch lokalisiert?

Roarke schreckt auf. Es poltert laut, dann wird heftig an die Tür seines Studierzimmers geklopft. Es hört sich so an, als solle sie eingeschlagen werden.

»Wer zum Donner ist das«, brummelt er. Laut fordert er: »Herein, aber mit etwas mehr Ruhe!« Seine Augen blicken unter den Augenbrauen erwartungsvoll zur Tür.

Trotz des immer vorhandenen blauen Dunstes in dem Zimmer, seine Pfeife geht nur selten aus, sieht er, wie die Tür schnell geöffnet wird. Im Türrahmen steht etwas atemlos, Finley. Mit seinem rechten Arm hält er eine schlaffe, gehörnte Gestalt fest.

»Also doch!«, murmelt Roarke. Dann fordert er Finley auf: »Lege den Faun dort in die Ecke. Ich werde ihn nachher verhören.« Finley legt seinen Gefangenen in die bezeichnete Zimmerecke.

Nun spricht Roarke einige Worte, während er mit beiden Händen vor der schlaffen Gestalt durch die Luft fährt. Auf der Innenseite seiner linken Hand ist dabei kurz eine Sonne zu erkennen. Silbern glänzende Eisenketten umschließen Arme und Beine des Gefangenen.

»Nun erzähle, was ist passiert?«, wendet er sich an Finley.

»Ich kam direkt vor Maireads Haus an. Sofort durchsuchte ich mit meinen Blicken den Vorgarten. Als ich nichts Verdächtiges sah, betrat ich das Grundstück und schaute durch die Fenster. Ich konnte nur einen alten Mann im Wohnzimmer entdecken, der im Ohrensessel eingenickt war. Das Badezimmerfenster stand offen, also betrat ich von dort das Haus. Ich horchte, ob außer dem Atmen des alten Mannes irgendwelche Geräusche zu hören seien.

Ich bemerkte eine Stiege, die in den Keller führt. Von dort kam ein leises Zischen. Ich hörte: »Wo ist es, wo versteckt es sich?« Vorsichtig spähte ich die Kellerstiege hinab. Eine schemenhafte, dunkle Gestalt suchte etwas im Kellerraum.

Bei der flackernden Kellerbeleuchtung sah die alte Holzstiege nicht besonders vertrauenerweckend aus. Sie würde vermutlich laut knarren, wenn ich darauf in den Keller hinabsteigen wollte. Also machte ich einen magischen Sprung direkt zu dem Wesen und versuchte es sofort mit einem Blitz zu betäuben. Leider hatte ich mich etwas verschätzt und den Gegner nicht getroffen«, Finley schaut leicht verlegen zu Roarke. Er erinnert sich nur zu gut an dessen mahnende Worte. Schnell fährt er fort: »Es gab einen heftigen Kampf zwischen dem Gehörnten und mir. Wir haben ein ziemliches Durcheinander verursacht. Der Lärm scheint aber nicht bemerkt worden zu sein, da niemand in den Keller gestürzt kam. Endlich konnte ich einen zweiten Blitz setzen. Darauf kam ich sofort zu dir zurück.« Er ist erneut etwas verlegen: »Leider bin ich direkt an deiner Tür angekommen und dagegen gefallen. Der Kampf war doch etwas anstrengend.«

Roarke schaut Finley ernst an: »Alles in allem hast du das gut gemacht. Du solltest aber zukünftig etwas weniger leichtsinnig sein. Du musst dich immer genau auf das konzentrieren, was du vorhast. Sonst ergeht es dir mal schlecht!« Finley nickt einsichtig, erwidert aber nichts.

Roarke überlegt. Er hat seine Pfeife wieder angesteckt und pafft Rauchwolken in die Luft. Nach längerer Zeit spricht er zu Finley: »Die Dubharan konnten vermutlich nicht genau feststellen, von wo das Aktivierungssignal kam. Sie haben offensichtlich Späher zu verschiedenen Orten geschickt, um zu ermitteln, an welchem Ort sich dieser Armreif befindet. Trotzdem haben sie die Aktivierung mitbekommen. Das alleine bedeutet, sie haben ihre Möglichkeiten verbessert und vermutlich ihren Einflussbereich ausgeweitet. Sie werden wieder stärker!«

Erneut schweigt er, um dann fortzufahren: »Daher ist es immens wichtig, dass Maireads Armreif vor ihrem Zugriff geschützt wird! Du musst sofort zurück und beobachten, was weiter geschieht. Falls es erforderlich ist, musst du den Armreif und dessen Träger schützen. Bitte sei diesmal wirklich vorsichtig, es steht viel auf dem Spiel!«

Roarke setzt noch hinzu: »Falls es nicht anders geht, musst du als letztes Mittel den Armreif nehmen. Damit kommst du zu mir, oder zu einem anderen der oberen Drei. Nur wir können ihn sicher verwahren, bis der auserwählte Besitzer des Armreifs gefunden ist.«

»Ich werde diesmal vorsichtiger sein und dich nicht enttäuschen!«

Finley lässt seine linke Hand auf dem Medaillon unter seinem Obergewand ruhen. Er spricht: »Portaro« und ist verschwunden.

Mittlerweile sind drei Tage vergangen, in denen Roarke unruhig auf Finleys Rückkehr wartet.

In dieser Zeit hat das wiederholte Verhör des Fauns nichts Neues ergeben. Angeblich weiß er nicht einmal, wie er in den Keller gekommen ist. Ein böser Zauberer muss ihm einen Streich gespielt und dorthin gezaubert haben. Solche Dinge geschehen immer wieder, besonders einem armen Faun kann so etwas ungestraft angetan werden. Er hat nichts Böses vorgehabt, sondern lediglich den Ausgang gesucht. Einen Auftraggeber gibt es nicht, also kann er auch keine Namen nennen. Der Faun bleibt verstockt bei seiner Version.

Am dritten Tag und nach einem weiteren, vergeblichen Verhör, sagt Roarke zu ihm: »Da du ja nur ein harmloser Faun bist, kann ich dich nicht weiter gefangen halten.«

Freudig blickt der Faun ihn an und setzt sich auf. Er zweifelt jedoch an den gehörten Worten: »Dann darf ich jetzt gehen?«

»Nein! Ich behalte dich noch etwas hier. Ich warte auf Nachrichten von einem Boten. Er versucht, die Wahrheit deiner Worte zu überprüfen.«

Niedergeschlagen legt sich der Faun wieder in die Ecke. Er faucht gehässig: »Mit einem Faun kann man es ja machen!«

Es ist kurz nach Mittag. Roarke pafft schnell nacheinander kleine Wölkchen in die Luft. Rauchringe wollen heute bei seiner Unruhe nicht gelingen. Die Luft flimmert und Finley steht mitten im Raum.

»Ah, endlich!« Roarke steht auf. »Erzähle schnell, was du festgestellt hast.«

Finley berichtet alles, was er bei Eila und ihrem Großvater beobachtet hat.

»Das Mädchen aus Maireads Haus ist zusammen mit dem großen Hund gerade im Zug Richtung Süden abgereist«, beendet er seinen Bericht.

»Gut. Gehe zu deinen Eltern und ruhe dich dort etwas aus. Am späten Nachmittag kommst du bitte wieder zu mir. Ich werde in der Zwischenzeit versuchen, einen Sinn aus deinem Bericht zu gewinnen. Vermutlich musst du noch heute Abend wieder los.«

Finley nickt kurz und verlässt den Raum. Roarke nimmt seine mittlerweile erloschene Pfeife, zündet sie umständlich wieder an. Er grübelt, die Stirn in schwere Falten gelegt. Er nimmt ein altes Buch zu Hilfe und blättert eifrig darin herum.

»Wohin geht die Reise, zu Artagan, Alveradis, Erdmuthe oder Sisgard? Nach Serengard und zu Wisgard kann ich ausschließen, da die Reise nicht in Richtung Norden erfolgt.«

Er grübelt lange weiter, bis es an der Tür klopft und Finley, auf seine Aufforderung hin eintritt. Der Rauch im Zimmer ist womöglich dichter als sonst, aber Roarke blickt zufrieden zu Finley.

»Hast du dich etwas ausgeruht?«

»Ja, ich fühle mich taufrisch.«

»Das ist gut, denn du musst auch sofort wieder los.«

Roarke erläutert Finley seine Überlegungen und schließt: »Also, das Mädchen ist Maireads Enkelin Eila. Sie ist offensichtlich der auserwählte Zauberer für Maireads Armreif. Mit Hilfe ihres Großvaters Brian, und vermutlich durch Aufzeichnungen von Mairead, wissen sie, – oder vielleicht vermuten sie es – , dass Eila in Gefahr ist. Da sie keine ausgebildete Zauberin ist, muss sie eine entsprechende Ausbildung bekommen. Brian kann sie nicht unterrichten, aber er kennt Erdmuthe als Ausbilderin aus Mairead Erzählungen und wird sie dorthin geschickt haben. Das passt auch zu der Fahrtrichtung ihres Zuges. Der große Hund ist wohl zum Schutz bei ihr, da Brian für die Begleitung auf der Reise zu alt ist.«

Finley nickt zustimmend.

»Da wir aber nicht wissen, wo sich Eila jetzt befindet, beginnst du am besten in der Nähe von Erdmuthe, also am Rande des Klosters »Das heilige Kreuz«. Von dort gehst du erst übers Moor und dann in Richtung der Eisenbahnstation, die ich dir genannt habe. So wirst du Eila finden.« Roarke fährt eindringlich fort: » Bitte beeile dich, vielleicht sind die Späher der Dubharan ebenfalls auf der Suche nach ihr!«

»Ich habe mich bereits von den Eltern verabschiedet und kann sofort los.«

»Das ist sehr gut. Und achte auf mögliche Späher. Vielleicht wirst du plötzlich angegriffen, also sei immer extrem vorsichtig!«

»Das werde ich« , erwidert er, jetzt ohne jede Überheblichkeit.

Seine linke Hand berührt sein Medaillon unter dem Obergewand, er spricht: »Portaro« und ist verschwunden.

»Und nun zu dir«, spricht Roarke den Gefangenen an.

»Kann ich jetzt gehen?«, fragt dieser harmlos zurück.

»Ja, du kannst weg von hier. Da du nichts weißt, macht deine Gefangenschaft hier keinen Sinn.«

»Wo bin ich hier eigentlich und wie komme ich zurück? Du musst mich wieder zurückbringen«, fordert er frech.

»Ich bringe dich hier weg, allerdings nicht dorthin, wohin du möchtest! Du sollst nichts verraten können und wirst an einem sicheren Ort untergebracht bleiben.« Damit umfasst er mit seiner linken Hand den rechten Arm des Faun, dann sind beide verschwunden.

Eine halbe Stunde später erscheint er wieder und setzt sich in seinen bequemen Lehnstuhl. Er lächelt etwas, stopft seine Pfeife neu, entzündet sie und pafft den ersten Ring in die Luft.

»Der Faun ist bei den Elfen in deren Festung Serengard gut und sicher untergebracht. Sobald das gefahrlos möglich ist, wird er freigelassen. Zuerst muss Eila in Sicherheit sein!«, murmelt er zufrieden. Ein weiterer Rauchring verlässt seinen Mund, von seinen Blicken verfolgt.

Die Dubharan

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