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Die Nummer 2 – Dr. Strauchwieser

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Auf diese Weise hat Herr Oppolzer auch Kontakt zu anderen Menschen der Wahnsinnsstraße, vor allem zu Dr. Strauchwieser (1), der genau vis-a-vis auf Wahnsinnsstraße Nummer 2 wohnt. Es ist das erste megagroße Haus auf der rechten Straßenseite in dem ein Chirurg mit seiner Familie wohnt. Wo wir schon mal da sind, gehen wir doch gleich hinein.

Dr. Strauchwieser ist demnächst 60 Jahre alt und er hat nur mehr Privatpatienten, die auch wissen, dass Qualität ihren Preis hat. In seinem exquisiten Vorzimmer hat er ein sehr auffälliges Plakat, welches einen Spruch aus seiner Studienzeit enthält. „Jeder frische Arzt braucht einen frischen Friedhof!“ steht dort zu lesen. Gemeint ist, dass junge Ärzte viele Fehler machen, und daher brauchen sie auch für ihre Patienten viel Platz auf den Friedhöfen.

Nun, da Dr. Strauchwieser nicht mehr zu den Jungspunden gehört, soll auch jeder Besucher wissen, dass nur ein erfahrener Arzt – wie er – ein wirklicher Profi ist. Dieser Mediziner setzt für etwas Geld seinen reichen Erfahrungsschatz zum Wohl der Patienten ein. Wer also nur Kassenpatient ist, sollte sich besser an die jungen Kollegen halten, die noch herumexperimentieren und auch traurige Erfahrungen benötigen.

Natürlich hat Herr Dr. Strauchwieser einen Swimmingpool im Freien und einen im Haus, zwei Porsche und einen Lamborghini in der Garage, eine Ehefrau, die früher einmal Model war, und zwei Kinder, die Vaters Geld fast schneller ausgeben als er es einnehmen kann. Der Söhne Handel mit berauschenden Substanzen verursacht immer wieder hohe Anwaltskosten. Ihr Vater schimpft gar nicht, er hält die beiden auch nur dazu an, geschickter zu sein, sich nicht erwischen zu lassen.

Stilmöbel zieren sein Haus und das Hausmädchen Doina sorgt dafür, dass immer alles blitzt. Nebenbei kocht sie natürlich, denn sie muss schon dankbar sein, hier ohne Papiere leben zu dürfen. Sie hat sogar ihr eigenes Zimmer und mehr an Luxus kann man ihr kaum bieten. Da sie noch sehr jung ist, im Gegensatz zur Frau des Hauses, findet auch manchmal der Herr des Hauses zu ihr ins Kämmerchen, vor allem, wenn er einige Drinks zu viel hat. Letzte Woche traf der Hausherr dort auf einen seiner Söhne und dies irritierte Herrn Dr. Strauchwieser schon ein wenig. Schließlich hätte man die Termine leicht, ohne jede Peinlichkeit, koordinieren können.

Fallweise wird das Mädchen daran erinnert, wie schwer sie es in ihrer rumänischen Heimat haben würde. Dann läuft wieder alles wie am Schnürchen.

Fallweise geht Herr Dr. Strauchwieser auch zur Kirche, wo er dann im Chorgestühle verschwindet, weil es dort eine adrette Orgelspielerin gibt. Nur während der Predigt soll man doch etwas mehr Abstand von der Tastatur der Orgel halten als letzten Monat. Solche unerwarteten, versehentlich durch Körperübungen ausgelöste Akkorde stören die Predigt doch ein wenig.

Die größte Gefahr geht aber von Kuno aus, einem Rottweiler, der einer jener wenigen Hunde ist, die bellen und beißen. Ursprünglich als Wachhund angeschafft, ängstigt er jeden Passanten, der auf der Straße vorbeigeht zu Tode und dies noch mehr, wenn er von Zeit zu Zeit ausreißt, um in der Gegend herumzustreunen.

Kleine Bisswunden werden natürlich von Dr. Strauchwieser – ausnahmsweise ohne jede Berechnung - versorgt, denn schließlich ist er ein erfahrener Chirurg, der weiß, was er tut. Bei größeren Verletzungen die ebenfalls vorkommen, braucht es ein paar Telefonate mit dem stellvertretenden Polizeichef der Stadt. Dessen Leben hat er vor Jahren gerettet, und dies nach einem alkoholisierten Unfall, der dadurch vertuscht werden konnte.

Am liebsten macht Dr. Strauchwieser aber plastische Chirurgie, wozu er auch einen kleinen Operationsraum in seiner Villa eingerichtet hat. Es gibt auch eine Anästhesistin, die ihm auf Abruf zur Verfügung steht. Geht einmal etwas schief, so bringt er seine Patientinnen selbst ins nahe gelegene Spital, wo ihm ein Bettenkontingent und einige exzellente Kontakte zur Verfügung stehen.

Meistens scheint es aber gut zu gehen. Da betreten einzelne Menschen seine Villa, verschwinden dann für einige Wochen darin und kommen viel später – ganz anders aussehend wieder auf die Straße. Dass es die gleichen Menschen sind, erkennt man nur daran, dass sie dieselbe Kleidung tragen, wie bei der Ankunft einige Wochen zuvor. Einige Siedlungsbewohner halten dies auch auf ihren Handys fest und so hat man dann wieder etwas du tratschen. Warum wohl Menschen ihr Gesicht so total verändern? Wahrscheinlich haben sie sich daran sattgesehen. Oder kann es noch einen anderen Grund geben?

Für alle Fälle sitzt Herr Dr. Strauchwieser auch in der Volksvertretung, sofern er nicht gerade woanders unterwegs ist. Dies verschafft ihm Immunität und die Mitwirkung an neuen Gesetzten, welche auch die Mediziner betreffen. So gesehen muss man sich um den armen, aber materiell reichen Mann keine Sorgen machen.

In der Siedlung ist Herr Dr. Strauchwieser bestens vernetzt, denn hier wohnen auch einige Leute, mit denen er Geschäfte macht. Einmal im Monat, nach Einbruch der Dunkelheit, gibt der Chirurg seine mondänen Partys, bei denen man sich nicht nur blendend unterhält, sondern auch alles Mögliche erwerben kann. Leider stehen gerade jetzt zwei Bodyguards vor der Türe, die nur ausgewählten Personen den Zutritt gestatten.

Man kann aber Stunden später Menschen die Villa verlassen sehen, die eingehüllte Gemälde und manchmal auch Statuen heraustragen, alles schön eingewickelt, dass man als ungeladener Passant nichts zu erkennen vermag.

Es ist kaum anzunehmen, dass Dr. Strauchwieser die Menschen liebt, oder auch nur einzelne von ihnen. Die Liebe seines Lebens gilt wohl den Geldscheinen, von denen er gar nicht genug bekommen kann. Dass er diese Liebe mit vielen Menschen teilt ist klar, nur dass nicht alle Menschen dafür bereit sind, krumme Wege zu gehen.

Da in dieser Straße viele haarklein über das Geschehen informiert sind, ist auch aufgefallen, dass immer wieder Gegenstände dieser Art von Herrn Loibner, dem Bewohner der Wahnsinnsstraße 21 angeliefert werden. Angeblich soll Herr Loibner gar nicht so heißen, denn bei der Post für diese Adresse – die im Schaukasten des ehemaligen Sparvereins liegt - sieht man immer wieder andere Namen, so als ob dort 60 oder 70 Leute wohnen würden. Sehen wir doch einfach mal nach.

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