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Die Siedlung

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Draußen am Rande des Großstadt, dort wo der Grüngürtel beginnt, klettert eine Straße den kleinen Berg hoch und verzweigt sich in mehrere Nebenstraßen und Sackgassen. Wir zweigen einmal links und bei der übernächsten Gelegenheit rechts ab und sind bereits auf der Straße des Wahnsinns. Ihre Bewohner sind die Hauptakteure dieser Geschichte. Natürlich kann dies nur eine erfundene Geschichte sein, denn wer glaubt schon, dass diese Geschehnisse wirklich wahr sind?

Also benötigen wir als nächstes einen erfunden Namen für diese besondere Straße. Nennen wir sie einfach Wahnsinnsstraße, dann brauchen wir von dem berühmten Architekten, der vor 100 Jahren diese Stadt prägte und nach dem die Straße in Wirklichkeit benannt ist, gar nicht zu erzählen. Es sind auch keine schönen Geschichten über diesen Architekten, weil er wie ein Tyrann sein Amt und seine Macht missbrauchte. Er hatte sogar den Spitznamen eines berühmt berüchtigten Staatsmannes. Ach ja, das sollte eigentlich nicht erzählen werden! Also Kommando retour, wo ist der rote Faden – es ist alles ist nur erfunden.

Diese Straße ist etwa 600 Meter lang und beginnt mit einer Steigung von etwa 12% und wird zunehmend steiler, sodass es dann im oberen Teil etwa 18% Steigung sind. Es ist eine Sackgasse, die unten etwas mehr als zwei Autos breit ist und dann zunehmend enger wird. Im oberen Teil können zwei Fahrzeuge nur im Schritttempo aneinander vorbeikommen. Dies aber auch nur, wenn die Fahrer sehr versiert sind und die Fahrzeuge keiner mittleren oder oberen Preisklasse angehören, also ziemlich schmal sind.

Meistens gelingt dieses Vorbeifahren auch, aber mindestens einmal in der Woche gibt es einen Versicherungsfall. Manchmal ist Fahrerflucht dabei, zuweilen ein Polizeieinsatz und zuweilen ist auch ein hinterlassener Zettel auf dem parkenden, beschädigten Fahrzeug.

Es verwundert längst nicht mehr, wenn auf dem Zettel etwa folgende Nachricht steht: „Ihr Fahrzeug war mir leider im Weg. Es tut mir ehrlich leid!“ Hiermit endet aber dann das Mitgefühl, denn es gibt meist keine Daten des schädigenden Fahrzeugs, sondern nur eine tiefe Schürfwunde am geparkten Fahrzeug. Dass überhaupt ein Zettel zurückgelassen wird, liegt wohl daran, dass die Bewohner dieser Gegend sehr neugierige Menschen sind, die ständig die Köpfe aus ihren Häusern und Gärten stecken, wenn ein Fahrzeug die Straße hochkommt. So macht es wenigstens für die Späher den Eindruck, dass man Daten hinterlassen hätte.

In der letzten Zeit hat sich allerdings ein neuer Brauch bei den Bewohnern der Siedlung etabliert. Es werden von den Anrainern endlose Listen mit Fahrzeugnummern und Uhrzeiten angefertigt, für den Fall, dass ein Schadensfall eintritt. Aus diesem Grund liegen in den meisten Häusern, in der Nähe des Fensters zur Straße, einige Gegenstände: ein Feldstecher, ein Schreibblock und mehrere Stifte. Diese Vorsorge ist allerdings nur tageslichttauglich, denn abends versagt sie gänzlich. Dies liegt daran, dass es in der ganzen Straße nur vier Straßenlaternen gibt, weswegen an den meisten Plätzen Dunkelheit herrscht. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade die Abendzeit die Hauptverkehrszeit in dieser Straße ist, was später noch näher erklärt wird.

Am Ende der Sackgasse befindet sich eine Art Umkehrplatz, jedenfalls, etwas das dafür gedacht ist. Wer also bis ans Ende der Straße hochfährt, bringt sein Fahrzeug zum Stillstand, schlägt die Lenkung ganz rechts ein und lässt sich wieder nach rechts unten rollen, in eine Ausbuchtung, die aber nur drei Meter lang ist. Dies bedeutet, dass man einige Male vor und zurückfahren muss, bis das Fahrzeug mit der Schnauze wieder bergab fahren kann.

Um sich das besser vorstellen zu können hier eine kleine Skizze


Man kommt also von unten, fährt bis ans Ende und lässt dann den Hinterteil des Fahrzeuges in den Bereich rollen, der rechts ausgebuchtet ist.

Dieser Wendeplatz ist natürlich weit und breit der einzige freie Platz auf der Straße. Daher legen die Bewohner dieser Straße alles auf diesen Umkehrplatz, was sonst im eigenen Garten liegen müsste. Also beispielsweise den Sperrmüll, der in einigen Monaten abtransportiert wird, Sand, den man für den Umbau seines Häuschens benötigt, alte Autoreifen, die man nicht mehr benötigt, Mistkübel, die geruchsintensiv sind und vieles mehr.

Die Polizei, welche immer wieder geholt wird, weil der Wendeplatz nicht frei ist, hat übrigens keine Schaufeln dabei. Der Schotter würde auch gar nicht ausreichend Platz im Streifenwagen haben.

Das Ergebnis dieses Dilemmas ist, dass die Polizei deswegen auch nicht mehr kommt, sie ist einfach irgendwo anders gerade unabkömmlich.

Eine Zeitlang versuchen es die findigen Anrainer mit anderen Bedrohungsszenarien, um die Polizei anzulocken, aber auch dies wird von den Beamten bereits durchschaut. Selbst bei herumstreunenden Einbrechen, jungen Mädchen, die vor einem Unhold flüchten, und anderen Erfindungen eilt die Polizei nicht mehr herbei. Vielleicht kommt sie ein paar Stunden später, wenn sie ohnehin auf Streife ist, oder sie kommt gar nicht.

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