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1. Begründung der Hilfspflicht

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Die jedermann treffende Hilfspflicht wird durch das Vorliegen eines Unglücksfalls, einer gemeinen Gefahr oder Not ausgelöst.

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a) Unter Unglücksfall ist ein plötzliches Ereignis zu verstehen, das eine erhebliche Gefahr für Personen oder Sachen schafft oder zu schaffen droht,[7] etwa überraschend eintretende Bewusstlosigkeit.[8] Der Begriff der Plötzlichkeit darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden.[9] Sie liegt vor, wenn zur Abwendung der Gefahren ein sofortiges Eingreifen geboten ist.[10] Zu den Unglücksfällen zählt auch ein überraschendes Ereignis, bei dem Schaden noch nicht angerichtet ist, aber ernste Gefahr unmittelbar droht, weil andernfalls unter Umständen die Hilfe zu spät kommen würde.[11]

Beispiele:

Unfälle;[12] unmittelbar drohende Gewalttaten;[13] eine sich rasch verschlimmernde Krankheit kann ebenfalls zu einem Unglücksfall werden;[14] dies gilt jedoch nicht für eine sich langsam entwickelnde Krankheit;[15] abgelehnt worden ist ein Unglücksfall auch für leichtere Verletzungen.[16]

Beachte:

Es ist ohne Bedeutung, ob das Ereignis vorsätzlich, fahrlässig oder überhaupt schuldhaft herbeigeführt wird.[17]

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Auch der Eintritt einer bloßen Sachgefahr genügt.[18] Jedoch wird sie betreffend die Abwägung, welche Hilfe zumutbar ist, zu einer restriktiven Anwendung des § 323c Abs. 1 führen.

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Umstritten ist die Frage, ob auch ein Selbsttötungsversuch (stets) als Unglücksfall anzusehen ist, wie dies die Rechtsprechung annimmt.[19]

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Ein Teil der Literatur vertritt die gegenteilige Auffassung, nach der wegen des Selbstbestimmungsrechts des Menschen grundsätzlich kein Unglücksfall vorliegt.[20]

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Eine vermittelnde Position nimmt die h.L. ein. Sie hält frei verantwortliche Selbsttötungsversuche nicht für Unglücksfälle, wohl aber diejenigen, bei denen keine überlegte Entscheidung zugrunde liegt.[21]

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Angesichts des Umstands, dass nach empirischen Erkenntnissen die Mehrzahl der Selbsttötungsversuche von hilfsbedürftigen, verstörten Menschen und nicht von frei verantwortlichen Bilanzsuizidenten unternommen wird,[22] ist die vermittelnde Auffassung der h.L. vorzugswürdig. Sie vermeidet Wertungswidersprüche zu § 216 und wird zudem dem Ausnahmefall der Bilanzselbsttötung ebenso gerecht, wie der „Masse“ der Fälle, in denen ein „Unglück“ vorliegt (vgl. zur Problematik auch § 1 Rn. 20 f. und § 3 Rn. 12). Weil aber regelmäßig für denjenigen, der zu einem Selbsttötungsversuch hinzukommt, nicht erkennbar ist, ob dieser „frei verantwortlich“ oder „nicht frei verantwortlich“ ist,[23] kommt die h.L. zumeist zum selben Ergebnis wie die Rechtsprechung.

Vertiefungshinweis:

Ob das Vorliegen eines Unglücksfalls aus der ex-post-[24] oder ex-ante-Sicht[25] zu beurteilen ist, ist ebenfalls umstritten. Da § 323c jedoch nicht das Vertrauen selbst, sondern nur Individualrechtsgüter schützen will, ist zutreffend mit der h.M. auf die ex-post-Sicht abzustellen. Beide Ansichten dürften aber kaum zu unterschiedlichen Endergebnissen kommen, da es jedenfalls für die Erforderlichkeit der Hilfeleistung auf eine ex-ante-Sicht ankommt (vgl. Rn. 11).

Beispiel:

A sieht den blutüberströmten B an einer einsamen Bushaltestelle liegen. Ob B schon tot ist oder noch lebt und hilfebedürftig ist, ist für A nicht erkennbar. A geht weiter. Tatsächlich war B zu diesem Zeitpunkt schon tot. – Nach der h.M. liegt schon kein Unglücksfall vor, da B keine Gefahr mehr droht. Nach der a.A. liegt zwar ein Unglücksfall vor, jedoch ist Hilfe nicht mehr erforderlich (vgl. Rn. 11). Nach beiden Ansichten ist das Verhalten des A nicht tatbestandsmäßig.

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b) Gemeine Gefahr wird wie bei § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 definiert (zu den Details vgl. § 35 Rn. 159). Unter gemeiner Not ist eine die Allgemeinheit betreffende Notlage zu verstehen, wie beispielsweise eine Überschwemmung.[26]

Strafrecht Besonderer Teil

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