Читать книгу Ströme meines Ozeans - Ole R. Börgdahl - Страница 340

Papeete, 1. Dezember 1898

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In den letzten Tagen habe ich mir einige Gedanken zur Kultur der Menschen hier auf Tahiti oder auch auf den Marquesas-Inseln gemacht. Ich habe einen Bericht über ein Ehepaar gelesen, das in irgendeinem asiatischen Staat als Missionare unterwegs war. Es kam zu einem Vorfall, bei dem der Ehemann und das Kind des Paares ums Leben kamen. Die Frau überlebte, wurde aber des Landes verwiesen. Es ist niemals zu dulden, wenn Menschen getötet werden, aber Missionare sind keine Vergnügungsreisenden, sie wollen eine Botschaft übermitteln, eine Religion, ihre Religion. Was ist, wenn der Platz für die Religion in einem Land schon besetzt ist, dann muss es doch zum Konflikt kommen. Ich weiß nicht, was richtig ist. Natürlich muss ich unseren Gott für den einzig wahren halten, aber haben wir dennoch das Recht, unseren Glauben anderen zu bringen, ihn vielleicht sogar anderen aufzuzwingen. Ich fühle mich auch deswegen wohl auf Tahiti, weil die Kirche hier ist, weil meine Kultur hier ist. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Kirche diese Kultur auch den Menschen hier aufzwingen muss, denn es ist ein Aufzwingen, dies kann keiner verleugnen und das hat auch nichts mit meinem eigenen Glauben zu tun. Es ist doch vermessen anzunehmen, dass die Menschen, die schon immer auf Tahiti gelebt haben, keine eigene Religion, keine eigenen Mythen besitzen oder besaßen. Auf der Insel ist es noch heute überall zu sehen. Es sind die großen Steinskulpturen, Bilder von Göttern und die behauenen Steinplateaus, die mir Victor erst vor ein paar Monaten im Wald gezeigt hat und die früher wohl als Altäre Verwendung fanden. Unsere französischen Missionare jedoch, von denen wir annehmen, dass sie den rechten Glauben vermitteln, verbieten das für uns Fremde, das hier doch wohl über Jahrhunderte Gültigkeit hatte. Es gibt zwar den Vorwurf des mystischen, der Zauberei oder gar des Kannibalismus, so wie es auch Melville beschrieben hat, aber diese Berichte sind schon ein halbes Jahrhundert alt und entsprechen bestimmt nicht mehr der Wahrheit. Es gibt diese Verteufelung der alten Sitten, aber ich finde diese Sitten harmlos und keineswegs bedrohlich. Vielleicht mussten der Missionar und sein Kind sterben, weil sich die andere Seite gegen das ihr Fremde gewehrt hat. Dieses Recht hätten die Menschen auf Tahiti sicherlich auch, aber ich danke Gott, dass sie es nicht in Anspruch nehmen.

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