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1. AKT: WENN ICH DOCH NUR KÖNIG WÄR …

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Ich wollte schon immer König werden. Bereits seit meiner frühesten Kindheit sehnte ich mich nach der Krone und dem Thron.

Hach, welch schöner Traum!

Mein Leben als bürgerlicher Knabe war alles andere als leicht. Schon gar nicht, mit sieben Geschwistern aufzuwachsen, die allesamt bereits seit ihren ersten Schritten arbeiteten. Bemerkenswert, welch große Fortschritte sie getan und welche Karrieren sie erreicht haben, und all das, obwohl sie noch nicht einmal vierzehn Jahre alt waren.

Ich galt mit meinen fünfzehn Jahren als hoffnungsloser Fall und wurde sogar von meiner eigenen Mutter auf die Straße geschickt. Sie sagte mir, dass ich erst wiederkommen solle, wenn ich eine Arbeit hätte.

Ich habe mich bemüht und mich angestrengt. Den ganzen Tag gesucht und gesucht.

So übte ich mich in der Kunst des Schmiedens, doch da wurde ich mit schwingenden Hämmern davongejagt, als ich das Bein des alten Meisters mit einem kräftigen Schlag mit dem Schmiedehammer gebrochen habe.

Dann ging ich zum betagten Bäckermeister, einem grimmigen Mann, dessen Gesicht man nur mit dem leibhaftigen Tod vergleichen konnte. Ohne Seele und ohne Leben. Ich hielt dort kaum eine Stunde durch. Als seine Bäckerei Feuer fing, wurde ich dafür zur Rechenschaft gezogen.

Er wollte doch, dass der Ofen heiß sein sollte. „Heißer als die Flammen der ewigen Hölle“, sagte er mir.

Dann ging ich zum alten Schneidermeister, der einen Lehrling suchte. Er wies mich in die Kunst der Nadeln und der Fäden ein. Seine Stimme glich einem tiefen, einschläfernden Lied.

Ich sollte bei ihm eine Prüfung ablegen. Auf diese Weise vergewisserte er sich, dass er keine Bengel und Gören in seine Schneiderei ließ, die nur Flausen im Kopf und keine Kreativität in den Finger hatten. Wer seinen Sinn für Mode und Kleider infrage stelle und seinen Erwartungen nicht gerecht werde, brauche sich keine Sekunde lang in seiner Schneiderei aufhalten.

Eine junge Frau, ich glaube, sie war damals Anfang zwanzig, stand mir Modell. Splitternackt . Die Aufgabe war simpel: Ich soll ihr, aus den vorgegebenen Stoffen, innerhalb einer Stunde ein Kleid fertigen. Es musste nicht perfekt und auch nicht für die Königin geeignet sein, aber man solle meinen Willen und mein Talent in den zusammengeflickten Stoffen erkennen.

Ich beendete meine Arbeit vorzeitig. Neunundvierzig Minuten .

Damals verstand ich nicht, weshalb mich der Schneidermeister aus seiner Schneiderei warf. Ich hatte der jungen Dame ein zeitloses Kleid gefertigt und ihm sogar Geld und Stoffe gespart. Es bestand aus einem simplen, schwarzen Korsett. Ich hatte einige Schleifen angebracht, die den üppigen Busen meines Models betonen sollten. Ein zarter Rock, aus beinahe durchsichtigem Material, das sich leichter anfühlte als Luft, reichte bis zu ihren Knien. Ärmel aus schwarzem, engem Stoff umwickelten ihre Arme, sodass sie steif wirkten und kaum zu bewegen waren. Ein Hut bildete die Krönung meines Werkes. Die Krempe hatte die Form von zwei wohlgeformten und gesunden Kugeln. Die Krone ragte empor, beinahe schon wie ein spitzer Turm.

Zunächst hatte ich gedacht, dass mich der alte Schneidermeister aus dem Grund mit wedelnden Scheren aus seiner Schneiderei gejagt hatte, weil mein Model aufgrund des zu eng geschnürten Korsetts luftschnappend ohnmächtig wurde und zu Boden fiel. Aber offenbar wurde ich seinen hohen Ansprüchen nicht gerecht und hatte deshalb bei der Prüfung versagt.

Einen obszönen, kleinen Bastard nannte er mich. Er verfluchte mich sogar mit folgenden Worten: „Jedes Mal, wenn du Nadel und Faden in die Hand nehmen solltest, solle dir ein Finger von einer herrenlosen Schere abgeschnitten werden.“ Ich besaß jedoch bis zum letzten Atemzug alle zehn Finger.

Zunächst dachte ich, dass nicht ich der Schuldige war, sondern nahm an, dass die Meister die Narren waren. Immerhin waren sie fast so alt wie die Zeit selbst. Deshalb versuchte ich mich anschließend als Bettler auf den Straßen Londons.

Keine Meister. Keine Lehrlinge. Keine Ausbildung. Keiner, der mir sagt, was ich zu tun und zu lassen habe.

Doch als ich mich mit Dreck beschmiert und mir sogar mein selbstgefertigtes Hemd, wohlgemerkt mein einziges, zerrissen habe und mich dann zu den Bettlern am Straßenrand gesellen wollte, verjagten sie mich.

Arthur: Guten Tag! Wäre es den Herren und der Dame genehm, wenn ich mich zu Ihnen auf den Bürgersteig setzen würde, um mich in der Kunst des Bettelns zu üben?

Bettler Nummer 1: Verpiss dich!

Ich taumelte durch die Straßen und wagte es kaum, nach Hause zu gehen. Ohne eine Arbeit konnte ich mich dort nicht blicken lassen, vor allem nicht, da meine jüngere Schwester, die Jüngste in unserem Bunde, eben in einer Fabrik einen Arbeitsplatz ergattert hatte.

Ich schlich durch London und blickte nicht auf, selbst als ich von den noblen Straßen in die dreckigen Gassen ging. Plötzlich fiel ein Mann, in dessen Adern sich mehr Alkohol als Blut befand, vor meine Füße. Ich blickte mich um und erkannte, dass ich vor den Pforten eines stadtbekannten Bordells stand.

Ob sie wohl eine Arbeit für mich haben?

Es war ein altes Bordell mit mickrigen Zimmern und Türen, die jedes Wort durchließen. In diesem Haus gab es keine Geheimnisse. Ich dachte viele, viele Jahre über diesen Schritt nach und doch bekam ich keine Antwort auf meine ewig währende Frage, welcher Mut oder Wahnsinn mich damals geritten hatte, dieses Bordell zu betreten. Doch das Schicksal führte mich auf diesen Weg. Immer weiter und weiter.

Madam Aurora, die Leiterin des bescheidenen Bordells, bereitete mir keinen freundlichen Empfang. Sie versuchte mich mit allen Mitteln hinauszuwerfen. So groß und kräftig, wie sie war, hätte sie meinen schmächtigen Körper ohne viel Kraft und mit nur einer Hand im hohen Bogen aus dem Lusthaus werfen können. Sie sagte, dass dies hier kein Platz für Bettler, Kinder und zahlungsunfähige Kunden sei. Erst als ich ihr meine Dienste anbot, schien sie mir ihr Gehör zu schenken.

Für einen kleinen Lohn, der mich wohl zum miserabelsten Verdiener meiner Familie machte, stellte sie mich als Gehilfen ein.

Madam Aurora (führt Arthur durch das Bordell) : Es werden harte Jahre für dich, Kleiner. Du wirst unsere Scheiße wegräumen, die Sauereien in den Zimmern entfernen und jedes Gemach makellos für den nächsten Kunden aufbereiten. Du wirst zerrissene Kleider flicken und Löcher stopfen. Du wirst für all meine Damen ein offenes Ohr haben und ihnen stets zu Diensten sein. Keine Widerworte oder du sitzt schneller auf der Straße als ein versoffener Bastard, der versucht, sich an einem meiner Mädchen zu vergreifen. Du behältst deine Finger für dich und wahrst die Anonymität eines jeden, den du siehst. Und vielleicht, nur vielleicht, überstehst du hier das erste Jahr.

Ich blickte mich um; meine Augen wanderten durch das entstellte Etablissement, das mit billigen Materialien, Stoffen und gefälschten Antiquitäten ausgestattet war. Trotz der beklemmenden Atmosphäre war hier doch ein gewisser Charme zu spüren. Madam Aurora, die mich in ihre kleinen Räumlichkeiten im Dachboden des Hauses gezerrt hatte, streckte mir ihre Hand entgegen und ich schlug ein. Sie gratulierte mir zu meiner Anstellung.

Als ich das Haus verließ, lag der betrunkene Mann laut schnarchend auf dem Bürgersteig. Begeistert erzählte ich ihm von meiner Chance auf eine echte Arbeit. Er erbrach vor meinen Füßen.

Ich besaß nun eine Arbeit. Wie jedes Mitglied meiner großen Familie.

Hatte ich eine andere Wahl? Wohl kaum. Entweder Hilfsarbeiten in einem Bordell oder eine Enthauptung durch meine Eltern. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer.

Ich hatte also Arbeit gefunden. In einem Bordell. Dieser unglaubliche Gedanke kreiste wie eine wildgewordene Wespe durch meinen Kopf. Während meine Geschwister in Fabriken, Fleischereien, Schneidereien oder in Schmieden arbeiteten, wurde ich zum Diener in einem Lusthaus.

Beim gemeinsamen Abendbrot, das aus einer Suppe aus Wasser und einem Brot, das so hart war, dass der Teller unter ihm zerbrach, bestand, wurde ich zunächst davor gewarnt, in einem so sündigen Haus zu arbeiten. Doch unsere Situation wog mehr als Mutters Sorge um unsere Stellung in der Gesellschaft.

Mutter Watson: Aber bedenke, mein Kind. Sollte dich jemand um deine Arbeit fragen, so behaupte, dass du in der Fabrik deiner Schwester arbeitest.

Arthur: Jawohl, Mutter.

Mutter Watson: Und solltest du erwischt werden, wenn du aus dem Bordell schreitest, so sage, dass du jemand anders bist und erwähne unseren Namen nicht.

Vater Watson (mit nervöser Stimme) : Und falls Madam Aurora fragen sollte, sage ihr, dass du nicht mein Sohn bist und dass du nicht weißt, wo ich mich aufhalte.

Damals, als kleiner Knabe, verstand ich noch nicht viel von der Welt. Sie war für mich ein fremder Ort mit vielen Geheimnissen. Deshalb war es mir auch ein Rätsel, wieso mein Vater sich so vor der alten Madam Aurora scheute. Doch wenn ich nur ein wenig, nur zwei oder drei Jahre älter gewesen wäre, hätte ich meine Antwort auf diese Frage gehabt.

Dann hätte ich auch verstanden, wieso Vater immer Briefe in unserem kleinen Kamin verbrannt hatte, die nach Parfüm rochen und mit einem knallroten Kussmund versehen waren. Dieser alte Lustmolch.

Einst habe ich sogar einen seiner Briefe vor den heißen Flammen des Kamins retten können. Ich konnte zwar nicht viel erkennen, aber die Sätze „… einer der Größten, den ich je hatte“ und „du bist ein unbeschreiblich guter Küsser“ blieben wie ein alter Schatz, tief in meinen Erinnerungen, vergraben.

Ich hütete diesen einen halbverbrannten Brief wie ein Prunkstück; ich versteckte ihn in meinem Kopfkissen, nahm ihn überallhin mit, wohin ich auch ging. An manchen Tagen steckte ich ihn sogar in meine Beinkleider, um ihn niemals zu verlieren.

Ich dachte mir, vielleicht brauche ich eines Tages Vaters Hilfe bei dem einen oder anderen Gefallen, der lieber unausgesprochen bleiben sollte. Mithilfe des Briefes könnte ich ihn somit erpressen, ohne dass er viele Fragen stellen würde. Wozu hat man denn eine Familie?

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