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Die Wirkung von Rembrandtlicht
ОглавлениеDer Blick des Betrachters wird durch das Auge der Schattenseite und seine doppelte Akzentuierung als dunkler Akzent im hellen Lichtdreieck in der ansonsten dunklen Umgebung magisch angezogen. Er kann innerhalb des Dreiecks frei umherwandern und dabei die Mimik des Modells erfassen, die im Seitenlicht verborgen bleibt. Lachfältchen unter den Augen oder markante Falten, die das Leben hinterlassen hat, werden deutlich erkennbar. Auch wird der Mund vom Licht erfasst, wodurch der Betrachter ein Lächeln oder eine Angespanntheit erkennen und unterscheiden kann. Die Mimik des Mundes und der Augen lässt so auf die Emotionen des Modells schließen. Dennoch bleibt die Wange als – gestalterisch gesehen – große, langweilige Fläche im Schatten verborgen. An dieser inhaltlichen »Leerstelle« ist der Betrachter in der Lage, das weiterzuspinnen, was ihm Auge, Mund und Gesichtsformen nahelegen. Diese Leerstellen können vom Betrachter mit seinen Vermutungen und Projektionen angereichert werden. Durch den aktiven Prozess des Betrachtens erscheint das Modell tiefgründiger, lebenserfahrener, auf jeden Fall »geschichtenreicher« als etwa bei Seitenlicht. Seitenlicht lässt einen im Dunkeln eher das Böse vermuten, da es kaum Informationen über das Modell preisgibt. Bei Rembrandtlicht spielt die aktive Interpretation des Betrachters eine große Rolle. Diese wird genutzt, um ihn über das weiterfantasieren zu lassen, was das Modell durch seinen Ausdruck nahelegt.