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Erinnerungen an eine Trauerfeier

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Entschuldigung, wo geht’s bitte zum Lorettoplatz?

Der Mann mit dem großen Kreuz steht und schweigt. Er hält es vor sich mit beiden Armen. Das Vaterunser spricht er laut und mit Akzent.

Der Gartentisch, darauf eine Kerze, daneben ein Bild der Tante mit ernstem Blick.

Die Orgel spielt. Ein vergessenes Handy trällert eine weltliche Melodie.

Wir hören den Mittelsatz aus einem Klavierkonzert von Mozart.

Blockbildung.

Der Sohn der Toten ringt um Fassung, seine Ansage des Musikquartetts gibt kurz den Blick frei auf Trauer und Gefühle.

Kein Wort über die Verstorbene im Hause der Tochter.

Der hat die Katze immer in den Teppich gewickelt, da hat dann nur noch der Kopf aus der Rolle geschaut.

Langsam und lautlos schließt sich der schwarze Vorhang – eine schöne und schlichte Symbolik.

Sie hatte dann ja auch noch einen Schenkelhals, weil die auf der Pflegestation sie haben fallen lassen. Ja.

Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.

Nicht jeder singt mit.

Es waren ganz erfüllte Jahre. Wir hätten gewünscht, sie bis zum Ende begleiten zu können. Oder sie nach ihrem Tod noch einmal sehen zu können.

Der trauernde Sohn – abweisend abwesend, alle Gäste zu begrüßen.

Das Gedenken des Pfarrers an die Kinder und Enkel der Toten.

Die Kinder der Tochter hatten anderes zu tun.

Welche Zerrüttung, welche Verbohrtheit, welche Armut.

Die Todesanzeige ohne jedes gedenkende Wort.

Ich mache sehr gerne Operationen, Kinder-HNO.

Gestorben am Tag vor ihrem 85. Geburtstag.

In den letzten sieben Jahren ist viel Innigkeit und Nähe entstanden.

So ein Buffet wie dieses hat sie auch immer gemacht. Bis ihr die Krone gebrochen wurde.

Wir sind alle ein bisschen traurig.

Und immer wieder die Begabungen, die von der Mutter auf die Kinder übergingen. Medizin und Musik.

Aus großbürgerlichem Hause.

Bizarr.

Ich habe immer meinen Teil dazu getan, gegen den Verfall in diesem Hause anzugehen.

Die schöne und gelungene Trauerfeier, gestaltet vom Sohn der Verstorbenen und seiner Frau.

Wir haben jetzt auch eine Kettensäge.

Erinnerungen. Ihre Großzügigkeit. Ihre Unbarmherzigkeit.

Geboren im ersten Weltkrieg, in der Kaiserzeit. Welch ein langes Leben.

Die letzten sechs Wochen waren für sie eine Qual.

Auf dem Foto sieht sie niemandem ähnlich.

Welche Mühe war es, ihr einen Becher Flüssigkeit zu verabreichen. Am nächsten Tag ging es ihr schon wieder etwas besser, aber es hat nicht gereicht.

Sie hat lange gelebt, aber es hätte noch ein bisschen länger sein dürfen.

Komm uns mal in Hamburg besuchen.

Ist das auch der richtige Weg zur Aussegnungshalle? Auf den Schildern steht immer nur Verwaltung.

Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Und dann war da noch der Nachbar, den alle nicht mehr grüßen, weil er jetzt eine neue Frau hat.

Lara, fang an!

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