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4. Wie man sein Leben zu einem Gesang macht.

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Ein New Yorker Geistlicher fragte eines Tages seine Zuhörer, unter denen sich weltbekannte Männer, wie z. B. Andr. Carnegie, der Besitzer der größten Eisen- und Stahlwalzwerke der Welt, sowie Rabindranath Tagore, der indische Dichter und Philosoph, befanden, nach ihrer Meinung darüber, wie man sich am sichersten gegen die Versuchungen der Weltstadt schützen könne. Die beste der Antworten, die er sich schriftlich erbeten hatte, lautete:

„Dadurch, daß wir zu Gott als unserem allgegenwärtigen und erfahrensten Helfer aufblicken.“ Der Pastor gab dieser Antwort den Vorzug vor allen andern; fügte jedoch hinzu: „in allen unsern Angelegenheiten.“ Mit andern Worten: er meinte, wenn wir bei all unsern Angelegenheiten Gott, der die Liebe ist, im Auge behalten, so ist unser Leben gestärkt und gefestigt; wir sind geschützt vor dem Übel und ziehen wie ein Magnet alles Gute an.

Würde dieser Gedanke nicht bloß von der den großstädtischen Versuchungen am meisten ausgesetzten Jugend, sondern von jedermann, alt und jung, in allen Lebenslagen und Ständen, auf dem Land wie in der Stadt, beachtet und befolgt, wie unendlich viel Elend würde dadurch erspart! Wieviel glücklicher wären wir dann alle! Wie oft machen wir uns das Leben selbst zur Qual durch fortgesetztes Murren über unsre Umgebung, unsre Arbeit, unsre Nachbarn und unsre Lage im Allgemeinen, da wir nicht zu Gott in all unsern Angelegenheiten emporblicken!

Unter meinen Bekannten ist eine Frau, die unaufhörlich ihren Wohnort und die Leute darin verlästert. Sie fühlt sich ihnen nicht verwandt, sondern glaubt sich weit über sie erhaben. Sie hat sich nie mit ihrer Umgebung aussöhnen können und sagt, sie schäme sich, ihre Kinder in einem so „toten gottverlassnen Nest, wo dir Leute keinerlei Ideale haben“, aufziehen zu müssen. So ist sie über alle Maßen unbefriedigt und unglücklich.

Das Unglück kommt hier nicht von der Stadt, sondern von der Frau selbst. Sie weiß keine geistigen Beziehungen zu ihren Nachbarn anzuknüpfen, weil sie nicht von dem Geist der Liebe beseelt ist. Sie wohnte vorher in andern Städten, die nach der Ansicht ihrer Einwohner vortrefflich waren, in denen sie aber nicht glücklicher war, als sie es heute ist.

Die Wurzel dieser Unzufriedenheit ist hier und anderswo kleinlicher gesellschaftlicher Ehrgeiz. Sie ist eine Streberin, die immer nur sucht, in Kreise sich einzudrängen, die gesellschaftlich über ihr stehen, vorzugsweise in solche, deren Mitglieder viel reicher sind als sie selbst. Da sie nun aber mit diesen nicht gleichen Schritt halten kann, macht sie sich und ihre Familie elend, indem sie über den Ort und ihre eigene Gesellschaftsklasse den Stab bricht. Sie dünkt sich höher als diese, und wir können uns vorstellen, wie ein weibliches Wesen, das auf seine ganze Umgebung herabsieht, von dieser behandelt wird. Es ist nur zu begreiflich, daß ihre Nachbarn sie nicht schätzen und ihre Abneigung auf jede nur erdenkbare Weise zum Ausdruck bringen.

Viele Leute liegen allezeit im Streit mit ihrer Umgebung, weil sie in ihren Angelegenheiten nicht zu Gott emporblicken. Statt dessen verschwenden sie eine ungeheure Zeit und Energie, die sie zur Besserung ihrer Lage anwenden könnten, mit Nörgeln und unnützem Widerstreben.

Bist du ein Nörgler, ein Quälgeist, ein Pessimist, so wirst du deiner Umgebung unterliegen und eine Null in der Welt sein. Bist du aber auch in schweren Lebenslagen ein strahlender, hoffnungsfreudiger Optimist, so wird dein Leben ein voller Erfolg sein, sei deine Umgebung auch noch so ungastlich. Gott in dir selbst und in deiner Umgebung zu erkennen, bedeutet immer einen Gewinn.

Wir sollten uns bemühen, mit jeder Umgebung, sie mag beschaffen sein, wie sie will, so viel wie möglich „in Fried und Freundschaft“ zu leben, schon um ruhig unsre Arbeit verrichten zu können, um den Reibungen aus dem Weg zu gehen, die unsere Nerven zerreißen und unsere Kraft zerstören. Reibungen sind für uns Menschen, was der Sand für einen Mechanismus ist, der das Zapfenlager viel rascher zerreibt und abnützt, als es die Arbeit tut, welche die Maschine normalerweise zu verrichten hat.

Niemand kann seines Lebens froh werden und Gutes wirken, solange er andern gegenüber eine feindselige und pessimistische Haltung einnimmt. Pessimisten sind allezeit finstere Elemente, und diese wirken negativ, zerstörend, nicht aufbauend. Der Optimist, d. h. der Lebensbejaher, ist ein positives, aufbauendes Element; er findet den rechten Ton seinem Nächsten gegenüber; dadurch verbessert er seine Lage und sichert sich die Zuneigung und Hilfsbereitschaft der andern.

Wenn deine Arbeit oder deine Umgebung dich nicht befriedigt oder gar anwidert, so mache dich unverzüglich ans Werk, um dich für eine bessere Stellung und eine höhere Sphäre auszurüsten. Zanken, Zerren und Kritisieren pflegen die Dinge nur noch schlimmer zu gestalten und treiben dich unter Umständen von dem, was nach deinem Empfinden unter deiner Würde ist, zu einer noch verächtlicheren Handlungsweise und in eine noch geringere, dir noch weniger zusagende Umgebung hinein. Nörgelnd, schnaubend und wie ein Bullenbeißer, der gegen seine Nachbarn beständig die Zähne fletscht, durchs Leben zu gehen, heißt eben das aus seiner Nähe treiben, was man am liebsten an sich locken möchte. Willst du deine Umstände verbessern, so mußt du dich mit ihnen befreunden. Die Philosophie, welche auf den Widerstand verzichtet, hilft dir Lebenskräfte sparen und Vorräte anlegen, statt sie zu vergeuden. Sie hilft dir, eben das zu tun, was du zu tun begehrst. Sie arbeitet mit Gott, nicht gegen ihn. Sie blickt zu ihm empor in all deinen Angelegenheiten.

Unlängst stieß ich in irgend einem Buch auf folgende Zeilen, die mir einen tiefen Eindruck machten:

„Ich kämpfe keinen Kampf,

Ich singe meinen Sang.“

In ihnen liegt der ganze Unterschied zwischen denen, die im Leben versauert sind, unaufhörlich das Schicksal anklagen und ihre Arbeit als einen Sklavendienst und eine Menschenschinderei betrachten, und denen, die — mag kommen was will — wie Hagedorns „munterer Seifensieder“ und Lafontaine's sangeslustiger Schuhflicker ihr Lied singen, das Leben mit frohem Auge ansehen und in ihrem niedrigen Tagewerk ihr Vergnügen finden.

Der Optimist macht das Leben zu einem Gedicht, zu einem Gesang, der Pessimist, obwohl er dieselben Stoffe und Mittel, es zu gestalten, zur Hand hat, zu trockenster, traurigster Prosa.

Wie wir unser Leben gestalten, hängt davon ab, unter welchem Gesichtswinkel wir es betrachten. Unsere innere Haltung entscheidet, ob wir glücklich oder elend sein werden, ob unser Leben wohlklingende Harmonie oder schriller Mißklang sein wird.

Es gibt Leute, die eine staunenswerte Fertigkeit darin besitzen, nach falschen Tasten zu greifen und dem feinsten Instrument nichts als Mißakkorde zu entlocken. Wo sie gehen und stehen, stimmen sie die Tonart des Pessimismus an. Ihre Lieder gehen alle aus Moll. In ihren Bildern herrscht der Schatten vor. Um sie her kein Sonnenstrahl, kein Frohsinn, nichts, was Auge und Herz erfreut. Ihr Blick ist immer düster und zum Boden gerichtet; die Zeiten sind immer hart und das Geld rar. Ihr besseres Selbst scheint zusammenzuschrumpfen, ihr Lebenssaft zu vertrocknen, jede Knospe des Frohsinns zu verdorren; in ihrem ganzen Leben keine Blüte, kein Wachstum, kein sich Recken und Strecken.

Andere sind just das Gegenteil. Sie werfen keine Schatten. Sie verbreiten eitel Sonnenschein. Jede Knospe, an die sie rühren, öffnet ihre Blumenblätter, um in strahlender Schönheit süßen Wohlgeruch zu spenden. Sie nahen dir nie, ohne dich mit ihrem Frohsinn zu erwärmen; sie sprechen nie mit dir, ohne dich anzuregen und zu begeistern. Sie streuen Blumen um sich, wohin sie auch ihre Schritte lenken. Sie sind im Besitz des Steins der Weisen, der die Prosa in Poesie, die Häßlichkeit in Schönheit, den Mißklang in Harmonie verwandelt. Sie sehen nur das Beste in ihrem Nebenmenschen, und ihre Worte klingen immer heiter und hilfreich.

Der eine ist mit ganzem Herzen bei seinem nichts weniger als anziehenden Beruf und verleiht ihm nicht bloß Würde und Erhabenheit, sondern läßt ihn dadurch, daß er ihm seine Künstlerseele einhaucht, in himmlischer Schönheit erstrahlen, während der andere den erhabensten und schönsten Beruf zum Sklavendienst herabwürdigt.

Es gibt Frauen, die verbreiten solch strahlende Schönheit, warme Herzlichkeit und lachenden Frohsinn in den niedrigsten Wohnstätten, in Hütten mit leeren Stuben und nackten Wänden, daß diese wie glänzende Paläste erscheinen. Sie strahlen ein Licht aus, das durch die Ärmlichkeit ihrer Umgebung dringt und schöner nie gesehen ward, weder zu Wasser noch zu Land. Sie strahlen die Anmut und Süßigkeit der Liebe aus, welche die schlichteste und dürftigste Heimstätte verwandelt und verschönt, während andere Frauen trotz der Millionen, die sie aufzuwenden haben, ihren Wohnpalästen keinen Reiz, keine Anziehungskraft zu verleihen wissen. Die kostspieligsten Teppiche, die ausgesuchtesten Erzeugnisse der Kunst, all der raffinierte Luxus, mit dem sie sich umgeben, ersetzen nicht den Mangel an Harmonie, an jenem Glanz und Frohsinn, den ein feiner Geschmack erzeugt, welcher selber wieder von einem untrüglichen Sinn stammt für das, was zusammengehört und zusammenpaßt, und aus einem Herzen, das in warmer Liebe und Aufopferung für den Nebenmenschen schlägt.

Wem das Herz auf dem rechten Fleck sitzt, der kann die unscheinbarsten Gegenstände, die einfachste Verrichtung schön und angenehm gestalten; wem nicht, dem wird nichts im Leben schön oder wahr oder erhebend sein.

Wer sein Leben im rechten Licht betrachtet, wer vergnügt und hoffnungsfreudig sein Tagewerk verrichtet, immer in der Erwartung, daß ihm das Beste in den Schoß fällt, weil er an Gott als seinen Vater und den Spender alles Guten glaubt, der wird seine Fähigkeiten zu erstaunlicher Höhe erheben. Seine innere Haltung wird Hilfsquellen erschließen, die dem Unglücksraben und Schwarzseher verschlossen bleiben, weil seine innere Stellung seine Natur, sein Wesen nicht zu öffnen vermag. Er verneint das Leben, und damit verringert er seine schöpferischen Kräfte. Könnten wir nur den Geist des Optimismus in uns wachrufen und groß werden lassen, könnten wir in hoffnungsvoller Freude die Dinge ansehen, wie wir sie als Kinder eines allmächtigen Vaters natürlicherweise ansehen müßten, so würden wir unsre Leistungsfähigkeit verdoppeln und die Widerwärtigkeiten des Lebens auf ein verschwindend geringes Maß zurückführen.

Die Hälfte unserer Verdrießlichkeiten kommt davon her, daß wir die Zukunft immer in trübem Licht betrachten und von ihr immer das Schlimme, nie das Gute erwarten. Neun Zehntel der Leute, denen wir begegnen, sehen aus, als kämen sie von einem Begräbnis, und nicht, als wären sie auf dem Weg zu des Lebens großem Jubel- und Freudenfest.

Die Gewohnheit Schlimmes vorauszusagen, die beständige Furcht, daß ein Unglück im Anzug ist, zerstört den Seelenfrieden und damit die Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Wir beweisen damit, daß wir in unserem Tun und Treiben nicht auf Gott schauen, sondern auf irgend eine teuflische Macht, die wir für stärker halten als den Schöpfer aller Dinge. Hast du dir jemals darüber Rechenschaft abgelegt, wie oft im Tage du den Ausdruck „ich fürchte“, „um Gottes willen“ oder Wendungen ähnlichen Sinnes gebrauchst. Viele von uns tun das und bedenken nicht, welch gefährliche Wirkung diese Worte auf Geist und Gemüt ausüben. Ich versuchte einmal, bei einem pessimistisch veranlagten Freunde festzustellen, wie oft im Tage er diesen Ausdruck brauchte. Als ich ihm am frühen Morgen begegnete, begrüßte er mich mit den Worten: „Ich fürchte, wir bekommen einen sehr kalten Winter, und die Kälte kann mein Geschäft schwer beeinträchtigen.“ Kurz darauf bemerkte er: „Ich fürchte, wir geraten in ernsthafte Verwicklungen mit England; und was kann nicht alles daraus entstehen?“ Zu Familienangelegenheiten überspringend fuhr er fort: „Ich fürchte, mein Junge, den ich in einer auswärtigen Schule untergebracht habe, wird krank. Überhaupt müssen wir uns auf manche Scherereien und Verdrießlichkeiten gefaßt machen. Und dann die Dienstboten! Ich fürchte, wir werden bald wieder wechseln müssen, und die neuen sind immer unbrauchbarer als die alten.“ Wir trennten uns dann; beim Weggehen aber gedachte er noch des Stands unserer Valuta und befürchtete, es werde noch schlimmer kommen. Als wir uns zufällig beim Mittagbrot wieder trafen, fürchtete er sich vor dem Fisch, dem Gemüse, dem Nachtisch und fürchtete sich weiter durch die ganze Mahlzeit und den ganzen Tag hindurch. Solange wir zusammen waren, habe ich sein „ich fürchte“ wenigstens fünfundzwanzigmal gehört.

Es gibt kaum ein Menschenkind, das nicht diesen oder jenen schwarzseherischen Ausdruck zwei oder dreimal im Tag, vielleicht aber auch viel öfter, gebraucht. Wir lassen dabei außer acht, daß wir jedesmal, wenn wir solche Worte in den Mund nehmen, einen Mangel an Selbstvertrauen bekunden und zweifeln, daß wir imstande seien, gegen all das, was wir befürchten, aufzukommen. So oft wir sagen, wir fürchten uns vor der Armut, vor Krankheit, vor geschäftlichen Schwierigkeiten, vor diesem und jenem, so untergraben wir die Kraft, dem Übel zu widerstehen, und führen unserem Gemüt ein Gift zu, das seine Wirkung auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit nicht verfehlen wird.

Lassen wir ab von Dingen, die uns doch nur Schaden bringen. Fort mit der Furcht und der Schwarzseherei, die sich mit der Vorstellung quält, als führen die Pfade des menschlichen Lebens nur in Sümpfe und Abgründe. Betrachten wir lieber das Leben vom Standpunkt des Optimisten aus, der immer das Paradies und das gelobte Land mit Milch und Honig vor Augen hat. Der Optimist hält es mit Cäsar Flaischlen und singt:

„Hab Sonne im Herzen, ob's stürmt oder schneit,

Ob der Himmel voll Wolken, die Erde voll Streit.

Hab Sonne im Herzen, dann komme, was mag,

Das leuchtet voll Licht dir den dunkelsten Tag.

Hab ein Lied auf den Lippen mit fröhlichem Klang,

Und macht auch des Alltags Gedränge dich bang,

Hab ein Lied auf den Lippen, dann komme, was mag,

Das hilft dir verwinden den einsamsten Tag.“

Der Weg der Liebe

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