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4. Wollen schafft Wirklichkeit

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Die Sehnsucht, die wir im Herzen tragen, die Wünsche, die unsre Seele erfüllen, sind mehr als bloße Luftgebilde der Einbildung oder müßige Träume. Sie sind Weissagungen, Vorausverkündigungen, Vorboten und Vorläufer dessen, was dereinst Wirklichkeit werden kann. Sie sind die Gradmesser dessen, was als Möglichkeit in uns liegt, sie bezeichnen die Höhe unsres Strebens und die Weite unsrer Kraft.

Viele Menschen lassen ihre Sehnsucht allmählich abflauen, weil sie nicht wissen, dass gerade durch die Stärke und Wärme dieser Sehnsucht unsre Kraft zur Verwirklichung wächst.

Die Sehnsucht, die uns erfüllt, gibt uns schöpferische Kraft, das zu tun, was wir tun wollen, sie wirkt auf unsre Fähigkeiten wie ein Mittel, das sie stärkt und frisch erhält, und lässt so unsre Träume zur Wahrheit werden.

Die Natur ist wie ein Geschäft, in dem alle Waren den gleichen Preis haben: wenn wir ihn bezahlen, so erhalten wir, was wir wollen. Unsre Gedanken gleichen Wurzeln, die wir in den Boden der allgemeinen Weltenergie einsenken und durch die diese Energie in uns einströmt und alles anzieht, was zur Erfüllung unsrer Sehnsucht dient.

Der Zugvogel hat den Trieb nach Süden zu fliegen nur deshalb, weil es einen wirklichen Süden gibt. Ebenso hat der Schöpfer diese Sehnsucht nach einem höheren, reicheren Leben, in dem das, was in uns liegt, sich vollkommen entfalten kann, nicht in uns gelegt, ohne uns auch die Möglichkeit ihrer Erfüllung zu sichern. Hinter all unsern guten und berechtigten Wünschen steht die Gottheit selber als Bürge ihrer Erfüllung.

Aber das gilt freilich nicht von unsern kindischen Wünschen nach Dingen, die wir bloß haben möchten, aber gar nicht wirklich brauchen, nicht von den Dingen, die süß scheinen und wenn wir sie kosten, in unsrem Mund zu Asche werden, sondern nur von der berechtigten Sehnsucht der Seele nach voller, freier Selbstentfaltung, nach einem Leben, in dem wir uns nach dem Bild gestalten können, das uns in unsern höchsten Augenblicken vorschwebt. Unsre Ideale sind die vorausfallenden Schatten der Wirklichkeit, die hinter ihnen steht.

Wir vermehren oder vermindern unausgesetzt unsre Leistungsfähigkeit je nach der Art der Gedanken, Gefühle oder Ideale, die uns erfüllen. Willst du den Charakter eines Menschen kennen, so frage ihn nur nach seinem Ideal, denn das ist das Gestaltende in ihm.

Die Gedanken, Gefühle, Ideale oder Wünsche, die uns am stärksten bewegen, die gestalten unser Leben und unser Wesen. Deshalb muss in uns immer der Zug nach der Höhe lebendig sein: wir müssen entschlossen sein, niemals, weder in Gedanken noch in Handlungen, herabzublicken nach dem, was unter uns liegt, oder gar uns damit zu begnügen, sondern alles, was wir tun, soll den Stempel der Vollkommenheit tragen. Diese Richtung unsres Geistes nach aufwärts zieht unser ganzes Leben nach oben: ein solcher Geist ist stets in der Verfassung, seine größte Kraft auszugeben und kann mit all den tausend Feinden unsres Glücks, unsres Erfolges und unsrer Leistungsfähigkeit fertig werden.

Wenn wir etwas beständig in Gedanken bejahen, dann sind wir auf dem Weg, es zu erreichen, auch wenn es zunächst kaum möglich erscheint. Wenn wir das Ideal, das wir verwirklichen wollen, sei es nun körperliche Gesundheit oder geistige Vornehmheit, uns so lebhaft als möglich vor die Augen des Geistes stellen und mit aller Kraft danach streben, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es erreichen, viel größer, als wenn wir das nicht tun.

Die Sehnsucht muss sich zum Entschluss verfestigen, nur dann ist sie wirksam und arbeitet an ihrer eigenen Verwirklichung. Heiße Sehnsucht und kraftvolle Entschlossenheit vereint geben schaffende Kraft; Sehnen und Streben zusammen machen erst den Erfolg. Dagegen verschwindet ein bloßes Sehnen ohne ernstes Streben, eine Sehnsucht, die nichts zu ihrer eigenen Verwirklichung tut, ganz von selbst.

Unsre Ideale sind die stärksten Charakterbildner und haben den größten Einfluss auf die Gestaltung unsres Lebens. Unser beständig im Herzen getragenes Ideal prägt sich in unsrem Äußeren und in unsrem Leben aus.

Alles, was wir im Leben erreichen, haben wir vorher in unsrem Geist geschaffen, wie ein Haus schon wirklich und fertig vor dem Geist des Baumeisters steht, ehe auch nur ein einziger Stein auf den Grund gelegt wird. Die Bilder unsrer Träume sind die Pläne zu unsrem Lebensbau. Aber sie bleiben bloße Pläne, wenn wir uns nicht mit kräftigem Entschluss daran machen, sie auszuführen, gerade wie der Plan des Baumeisters nur auf dem Papier bleibt, wenn der Maurer und der Zimmermann nicht an die Arbeit gehen.

Willst du in irgendeiner bestimmten Richtung vollkommener werden, so stelle dir die betreffende Eigenschaft so lebhaft und so andauernd wie möglich vor und denke dir ein ganz bestimmtes Ideal. Halte das beständig vor deinen Blicken fest, bis du spürst, wie es dich emporzieht und sich allmählich verwirklicht. So wird schließlich der schwache und unvollkommene Mensch verschwinden, den Fehler, Sünden und Laster aus dir gemacht haben, und an seine Stelle tritt der ideale Mensch, dein andres, besseres, göttliches Selbst.

Es liegt eine unwiderstehlich schaffende Kraft darin, dass wir unsern Geist beständig auf die Richtung einstellen, nach der unsre Sehnsucht geht: sie zieht das Ersehnte geradezu herbei und macht das wirklich, was wir wollen.

Unsre geistige Haltung, die Sehnsucht, die unser Herz erfüllt, ist ein beständiges Gebet, das die Natur schließlich erhört.

Nach Höherem streben

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