Читать книгу Authentisch sein! - Бхагаван Шри Раджниш (Ошо), Osho, Osho . - Страница 14
Wie kann ich besser lieben?
ОглавлениеLiebe ist an sich genug. Sie braucht keine Verbesserung. Sie ist vollkommen, so wie sie ist. Sie muss in keiner Weise vollkommener werden. Der Wunsch, sie zu verbessern, zeigt ein Missverständnis in Bezug auf das Wesen der Liebe. Kannst du einen Kreis vollkommen machen? Alle Kreise sind vollkommen, und wenn sie nicht vollkommen sind, dann sind es keine Kreise. Vollkommenheit ist eine Eigenschaft des Kreises, und das Gleiche gilt für die Liebe. Du kannst nicht weniger oder mehr lieben, weil Liebe keine Quantität ist. Sie ist eine Qualität, und als solche ist sie nicht messbar.
Deine Frage zeigt, dass du noch nie die Liebe geschmeckt hast und versuchst, deine Lieblosigkeit hinter dem Verlangen: „Wie kann ich besser lieben?“ zu verstecken. Jemand, der die Liebe kennt, kann diese Frage nicht stellen. Man darf biologische Vernarrtheit nicht für Liebe halten; es ist Lust. Es gibt sie bei allen Tieren, daran ist nichts Besonderes; ja, sie existiert sogar bei den Bäumen. Das ist die Art und Weise, wie die Natur sich fortpflanzt. Es ist nichts Spirituelles und auch nicht speziell dem Menschen vorbehalten. Als Erstes musst du also ganz klar zwischen Liebe und Lust unterscheiden. Lust ist blinde Leidenschaft. Liebe ist die Ausstrahlung eines stillen, friedvollen, meditativen Herzens; sie hat nichts mit Biologie, Chemie und Hormonen zu tun.
Liebe ist der Flug deines Bewusstseins zu höheren Sphären, jenseits von Materie und Körper. Sobald du Liebe als etwas Transzendentes begreifst, ist Liebe nicht mehr die eigentliche Frage. Die eigentliche Frage ist: Wie kannst du den Körper transzendieren? Wie kannst du etwas in dir erfahren, was jenseits des Körpers ist – jenseits von allem Messbaren?
Das ist die Bedeutung des Wortes „Materie“. Es kommt von der Sanskritwurzel matra, die „Maß“ bedeutet; es bedeutet „das, was gemessen werden kann“. Das Wort „Meter“ stammt aus derselben Wurzel. Die eigentliche Frage ist also: Wie kannst du vom Messbaren zum Nichtmessbaren gelangen? Mit anderen Worten: Wie kannst du über die Materie hinausgelangen und deine Augen für ein höheres Bewusstsein öffnen? Für das Bewusstsein gibt es keine Grenzen – je bewusster du wirst, umso mehr erkennst du, wie viel mehr noch möglich ist. Kaum hast du einen Gipfel erreicht, taucht ein neuer Gipfel vor dir auf. Es ist eine ewige Pilgerreise.
Liebe ist die Begleiterscheinung eines wachsenden Bewusstseins. Sie ist wie der Duft einer Blume. Suche sie nicht in den Wurzeln, denn dort ist sie nicht. Deine Biologie, das sind deine Wurzeln, und dein Bewusstsein, das ist deine Blüte. Je mehr der Lotus des Bewusstseins sich in dir öffnet, umso mehr wirst du überrascht sein, wirst du verblüfft sein über eine ungeheure Erfahrung, die man nur Liebe nennen kann. Dann bist du so voller Freude, voll Glückseligkeit, dass jede Faser deines Wesens vor Ekstase tanzt. Du bist wie eine Regenwolke, die sich ausregnen und ergießen will. Sobald du von Glückseligkeit überströmst, taucht ein starkes Bedürfnis in dir auf, sie zu teilen. Dieses Teilen ist Liebe.
Liebe kannst du nicht von jemandem bekommen, der diese Seligkeit noch nicht erlangt hat. Und darin besteht das Unglück der ganzen Welt: Alle wünschen sich, geliebt zu werden, und alle tun so, als würden sie lieben. Aber du kannst nicht lieben, solange du nicht weißt, was Bewusstheit ist. Du hast keine Ahnung von satyam, shivam, sundaram – von der Wahrheit, der Erfahrung des Göttlichen und dem Duft der Schönheit.
Was hast du denn zu geben? Du bist so leer, so hohl. Nichts wächst in deinem Wesen, da ist kein Grün. Da sind keine Blumen in dir; dein Frühling ist noch nicht gekommen.
Liebe ist eine Nebenerscheinung. Der Frühling kommt und auf einmal fängst du zu blühen an, und deine Blüte öffnet sich und verströmt den Duft, der in dir geschlummert hat. Diesen Duft mit anderen zu teilen, diese Grazie, diese Schönheit zu teilen – das ist Liebe.
Ich will dir ja nicht wehtun, aber ich kann nicht anders, ich muss dir die Wahrheit sagen: Du hast keine Ahnung, was Liebe ist. Du kannst es nicht wissen, weil du bisher noch nicht tief genug in dein Bewusstsein eingedrungen bist. Du hast dich selbst noch nicht erfahren. Du hast keine Ahnung, wer du bist.
In dieser Blindheit, in dieser Unwissenheit, in dieser Unbewusstheit kann keine Liebe wachsen. Du lebst in einer Wüste. In dieser Dunkelheit, in dieser Wüste gibt es keine Möglichkeit, dass Liebe zum Erblühen kommt. Zuerst musst du voller Licht sein und voller Freude – so voll, dass du überfließt. Diese überfließende Energie ist Liebe. Dann wirst du Liebe als die höchste Vollkommenheit im Leben erfahren. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als das.
Aber unsere ganze Erziehung ist so neurotisch, so psychisch krank, dass sie alle Möglichkeiten für inneres Wachstum zunichte macht. Vom ersten Atemzug an wird dir beigebracht, ein Perfektionist zu sein, und so wendest du deine perfektionistischen Ideen natürlich auf alles an – sogar auf die Liebe.
Kürzlich las ich diesen Satz: „Ein Perfektionist ist jemand, der sich um alles kümmert und damit den Kummer für andere vergrößert.“ Und das Ergebnis ist diese trübsinnige Welt, in der alle versuchen, perfekt zu sein.
Sobald jemand versucht, perfekt zu sein, erwartet er auch von allen anderen, dass sie perfekt sind. Dann fängt er an, andere zu verurteilen; er fängt an, andere herabzusetzen. So machen es seit jeher eure so genannten Heiligen, so machen es eure Religionen. Sie haben euer Dasein mit dieser Vorstellung von Perfektion vergiftet. Doch weil du nicht perfekt sein kannst, fühlst du dich schuldig und verlierst deine Selbstachtung.
Und jemand, der seine Selbstachtung verloren hat, verliert auch seine Menschenwürde. Sein Stolz ist gebrochen, seine Menschlichkeit durch schöne Worte wie Perfektion zerstört.
Kein Mensch kann perfekt sein. Gewiss, es gibt Erfahrungen, die jeder Mensch machen kann, die das gewöhnliche Vorstellungsvermögen übersteigen. Aber erst wenn man die Erfahrung des Göttlichen gemacht hat, weiß man, was Vollkommenheit bedeutet. Vollkommenheit ist keine Fertigkeit; sie ist nicht etwas, das du praktizieren kannst, sie ist nichts, was du üben oder proben kannst. Aber genau das wird allen Menschen beigebracht, und das Ergebnis ist eine Welt voller Scheinheiliger, die ganz genau wissen, wie hohl und leer sie innen sind, und trotzdem alle möglichen Qualitäten vortäuschen, die nichts als leere Worte sind.
Wenn du zu jemandem sagst: „Ich liebe dich“ – hast du je darüber nachgedacht, was du damit meinst? Ist es nur eine biologische Vernarrtheit ins andere Geschlecht? Denn sobald du deine tierischen Gelüste befriedigt hast, verschwindet die ganze so genannte „Liebe“. Es war bloß ein Hunger, und wenn du ihn befriedigt hast, bist du satt. Die gleiche Frau, die dir als die schönste Frau der Welt erschien, der gleiche Mann, der dir wie Alexander der Große vorkam … jetzt überlegst du, wie du den Kerl am besten wieder loswirst.
Vielleicht versteht ihr mich besser, wenn ich euch diesen Brief vorlese, den Paddy an seine Geliebte Maureen geschrieben hat:
„Meine liebste Maureen, für dich würde ich auf den höchsten Berg steigen und in der stürmischsten See schwimmen. Für einen Augenblick an deiner Seite würde ich jede Härte auf mich nehmen!
Dein dich immer liebender Paddy.
PS: Ich komme am Freitagabend vorbei, falls es nicht regnet.“
Sobald du zu jemanden sagst: „Ich liebe dich“, weißt du gar nicht, was du da sagst. Du weißt nicht, dass es nur Lust ist, die sich hinter dem schönen Wort „Liebe“ versteckt. Sie geht vorüber, sie ist sehr vergänglich. Liebe ist etwas Ewiges. Sie ist die Erfahrung der Buddhas, nicht der unbewussten Menschen, von denen die ganze Welt voll ist. Nur sehr wenige Menschen haben erfahren, was Liebe ist, und es sind diejenigen, die das höchste Erwachen, die höchste Erleuchtung, den höchsten Gipfel des menschlichen Bewusstseins erlangt haben.
Wenn du wirklich wissen willst, was Liebe ist, vergiss die Liebe und besinne dich auf die Meditation. Wenn du Rosen in deinem Garten haben willst, vergiss die Rosen und kümmere dich um den Rosenstrauch. Du musst ihm Dünger geben, ihn begießen und dich darum kümmern, dass er die richtige Menge Sonne und Wasser bekommt. Wenn für alles gesorgt ist, werden die Rosen zur rechten Zeit erblühen. Du kannst sie nicht früher hervorholen, kannst sie nicht zwingen, sich eher zu öffnen, und du kannst von einer Rose nicht verlangen, vollkommen zu sein. Hast du je eine Rose gesehen, die nicht vollkommen ist? Was willst du mehr? Jede Rosenblüte ist vollkommen in ihrer Einmaligkeit. Wie sie im Wind, im Regen, in der Sonne tanzt … Kannst du ihre ungeheure Schönheit, ihre absolute Freude nicht sehen? Eine kleine gewöhnliche Rosenblüte strahlt die verborgene Herrlichkeit der Existenz aus. Liebe ist eine Rosenblüte in deinem Sein. Doch du musst dein Sein darauf vorbereiten: Vertreibe die Dunkelheit und alles Unbewusste. Werde immer wachsamer und bewusster, dann wird die Liebe von selbst kommen, zu ihrer Zeit. Du brauchst dich nicht darum zu sorgen. Und wenn sie kommt, ist sie immer vollkommen.
Liebe ist eine spirituelle Erfahrung. Sie hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sie hat nichts mit dem Körper zu tun – nur mit deinem innersten Sein. Aber du hast deinen eigenen Tempel noch nicht einmal betreten. Du weißt überhaupt nicht, wer du bist, und du fragst mich, wie du besser lieben kannst. Zuerst sei du selbst; zuerst erkenne dich selbst, dann kommt die Liebe als Belohnung. Sie ist eine Belohnung aus dem Jenseits. Sie regnet auf dich mit Blüten herab und erfüllt dein Dasein; sie ergießt sich über dich ohne Ende … Und mit ihr kommt eine ungeheure Sehnsucht zu teilen.
In der menschlichen Sprache kann dieses Teilen nur durch das Wort „Liebe“ angedeutet werden. Es sagt nicht viel, weist aber in die richtige Richtung. Liebe ist der Schimmer der Achtsamkeit, der Bewusstheit.
Werde bewusster. Liebe stellt sich ein, wenn du bewusster wirst. Sie ist ein Gast, der kommt, der unausweichlich zu allen kommt, die bereit und willens sind, ihn zu empfangen. Aber du bist noch nicht einmal so weit, die Liebe zu erkennen.
Wenn die Liebe vor deiner Tür steht, wirst du sie nicht erkennen. Wenn die Liebe an deine Tür klopft, wirst du tausendundeine Entschuldigung finden. Du wirst denken, vielleicht ist es ein starker Wind, oder du wirst irgendeine andere Entschuldigung haben. Du wirst deine Tür nicht öffnen. Und selbst wenn du die Tür öffnest, wirst du die Liebe nicht erkennen, weil du sie nie zuvor gesehen hast. Wie kannst du sie erkennen?
Du kannst nur das wiedererkennen, was du schon kennst. Wenn die Liebe zum ersten Mal zu dir kommt und dein Dasein erfüllt, wirst du völlig ergriffen und überwältigt sein. Du wirst nicht wissen, wie dir geschieht. Du weißt nur, dass dein Herz tanzt; du weißt, dass himmlische Musik dich einhüllt, und du nimmst Düfte wahr, die du noch nie erlebt hast. Aber es braucht ein wenig Zeit, um all diese Erfahrungen zusammenzufügen und zu erkennen, dass das vielleicht die Liebe ist. Allmählich wird es in dein Wesen einsickern. Nur die Mystiker kennen die Liebe. Die Mystiker sind die einzigen Menschen, die jemals die Liebe erfahren haben. Die Liebe ist das absolute Monopol der Mystiker. Wenn du die Liebe kennen lernen willst, musst du dich in die Welt der Mystiker begeben.
Jesus sagt: „Gott ist Liebe.“ Er war in einer Mysterienschule, bei den Essenern, einer uralten Mysterienschule. Aber vielleicht hat er nicht bis zur Abschlussprüfung durchgehalten, denn was er sagt, stimmt einfach nicht. Gott ist nicht Liebe – Liebe ist Gott! Und das sind nicht bloß vertauschte Wörter, das ist ein riesengroßer Unterschied. Wenn man sagt: „Gott ist Liebe“, sagt man damit, dass Liebe nur eine Eigenschaft von Gott ist. Er ist auch Weisheit, ist auch Mitgefühl, ist auch Vergebung. Außer Liebe kann er noch Millionen anderer Dinge sein. Liebe ist nur eine der Eigenschaften Gottes.
Aber es ist völlig irrational und unlogisch, Liebe nur zu einer Eigenschaft Gottes zu machen. Denn wenn Gott Liebe ist, dann kann er nicht „gerecht“ sein. Wenn Gott Liebe ist, dann kann er nicht so unbarmherzig sein, Sünder in die ewige Hölle zu werfen. Wenn Gott Liebe ist, kann er nicht auch das Gesetz sein.
Ein großer Sufi-Mystiker, Omar Khayyam, bewies ein viel besseres Verständnis als Jesus, indem er sagte: „Ich werde einfach weiter ich selbst sein. Ich werde nicht auf die Priester und die Prediger hören, weil ich darauf vertraue, dass Gottes Liebe groß genug ist. Ich kann gar keine Sünde begehen, die größer wäre als seine Liebe. Wozu sollen wir uns also Sorgen machen? Unsere Macht ist klein, unsere Sünden sind klein. Unsere Reichweite ist so gering – wie sollten wir Sünden begehen können, die Gottes Liebe nicht zu vergeben vermag? Wenn Gott Liebe ist, kann er unmöglich beim Jüngsten Gericht nur die Heiligen heraussuchen und die übrigen Millionen und Abermillionen für alle Ewigkeit in die Hölle werfen!“
Die Lehren der Essener waren genau das Gegenteil dessen, was Jesus sagt. Er zitiert sie falsch. Vielleicht war er nicht so tief in ihren Lehren verwurzelt. Ihre Lehre besagte: „Liebe ist Gott.“ Das ist ein ungeheurer Unterschied. Jetzt wird Gott zu einer Eigenschaft der Liebe, jetzt ist Gott bloß eine Qualität der unermesslichen Erfahrung der Liebe. Nun ist Gott keine Person mehr, sondern eine Erfahrung all jener, die die Liebe kennen gelernt haben. Jetzt kommt Gott erst nach der Liebe. Und ich sage euch: Die Essener hatten Recht. Die Liebe ist der absolute Wert, das höchste Erblühen. Es gibt nichts, was darüber hinausgeht. Darum kann man sie nicht verbessern.
Die Wahrheit ist: Bevor du sie erlangst, musst du aufhören zu sein. Wenn die Liebe da ist, kannst du nicht mehr da sein.
Ein anderer großer Mystiker des Ostens, Kabir, hat eine sehr bedeutsame Äußerung gemacht – eine Äußerung, wie sie nur von jemandem kommen kann, der die Erfahrung und Erkenntnis der Wirklichkeit erlangt hat, der in das innerste Heiligtum der höchsten Wirklichkeit eingetreten ist. Er sagt: „Ich habe nach der Wahrheit gesucht, aber so seltsam es klingen mag: Solange es den Sucher gab, war die Wahrheit nirgends zu finden. Als aber die Wahrheit gefunden wurde, schaute ich überall – und fand mich selbst nicht mehr. Als die Wahrheit gefunden wurde, war der Sucher verschwunden, und solange der Sucher da war, war nirgends die Wahrheit.“
Die Wahrheit und der Sucher können nicht zusammen existieren. Du und die Liebe, ihr könnt nicht zusammen existieren. Eine Koexistenz ist nicht möglich. Entweder du oder die Liebe – du kannst es dir aussuchen. Wenn du bereit bist zu verschwinden, dich aufzulösen und in reinem Bewusstsein aufzugehen, dann wird die Liebe erblühen. Du wirst sie nicht vervollkommnen können, weil du nicht vorhanden sein wirst. Und sie bedarf auch keiner Vollkommenheit; wenn sie kommt, ist sie immer vollkommen. Liebe ist eines jener Wörter, die jeder zwar gebraucht, aber niemand versteht. Eltern sagen zu ihren Kindern: „Wir lieben dich“, dabei sind sie es, die ihre Kinder kaputt machen. Sie sind es, die ihren Kindern jede Menge Vorurteile, jede Menge toten Aberglauben vermitteln. Sie sind es, die auf ihren Kindern den ganzen Berg von Müll abladen, den schon viele Generationen mit sich herumschleppen und den jede Generation an die nächste weitergibt. Dieser Wahnsinn hört nicht auf und wird zu einem ganzen Gebirge. Trotzdem meinen alle Eltern, ihre Kinder zu lieben. Aber wenn sie ihre Kinder wirklich liebten, würden sie nicht wollen, dass diese so werden wie sie selbst, denn sie selbst sind bloß trübsinnig und sonst nichts. Was ist ihre Erfahrung vom Leben? Reines Elend, ein einziges Leiden! Das Leben war für sie kein Segen, sondern ein Kreuz. Und trotzdem wollen sie, dass ihre Kinder genau wie sie werden.
Einmal war ich bei einer Familie zu Gast und saß abends in deren Garten. Die Sonne ging gerade unter und es war ein wunderschöner, stiller Abend. Die Vögel kehrten heim zu ihren Bäumen, und das kleine Kind der Familie saß neben mir. Da fragte ich es: „Weißt du, wer du bist?“ Kinder sehen klarer und schärfer als Erwachsene, weil die Erwachsenen schon verdorben sind – infiziert und vergiftet von allen möglichen Ideologien und Religionen. Dieses kleine Kind schaute mich an und sagte: „Das ist aber eine schwere Frage!“
Ich fragte: „Was ist denn so schwer daran?“
Es erwiderte: „Das ist schwer, weil … ich bin das einzige Kind meiner Eltern, und solange ich mich erinnern kann, sagt immer jemand von unseren Gästen, dass meine Augen aussehen wie die von meinem Vater, und jemand anderes sagt, dass meine Nase aussieht wie die von meiner Mutter, oder jemand anderes sagt, mein Gesicht sieht aus wie das von meinem Onkel. Darum weiß ich nicht, wer ich bin. Keiner sagt, dass irgendwer aussieht wie ich.“
Aber genauso macht man es mit allen Kindern. Man überlässt es ihnen nicht, sich selbst zu entdecken. Keiner lässt die Kinder so sein, wie sie sind. Jeder stülpt seinem Kind ständig die eigenen unerfüllten Ambitionen über. Alle Eltern wollen, dass ihr Kind zu ihrem Ebenbild wird. Das Kind hat aber seine eigene Bestimmung. Wenn dein Kind zu deinem Ebenbild wird, kann es niemals es selbst sein. Wenn du aber nicht zu dem wirst, was du bist, wirst du nie Zufriedenheit erlangen, wirst du dich in der Existenz niemals geborgen fühlen. Du wirst immer das Gefühl haben, dass dir etwas fehlt. Deine Eltern lieben dich und verlangen, dass auch du sie liebst, weil sie dein Vater und deine Mutter sind. Es ist eigenartig, aber niemand scheint sich dessen bewusst zu sein: Nur weil man Mutter ist, bedeutet das noch nicht, dass das Kind einen lieben muss. Man sollte auch liebenswert sein. Mutter zu sein allein genügt nicht. Oder wenn man Vater ist, bedeutet das nicht, dass man dadurch automatisch liebenswert wird.
Die bloße Tatsache, dass jemand Vater ist, erzeugt in seinem Kind noch kein überwältigendes Gefühl von Liebe. Genau das wird aber erwartet. Und das arme Kind weiß nicht, was es machen soll. Es beginnt zu heucheln, das ist der einzige Ausweg. Es fängt an zu lächeln, wenn gar kein Lächeln in seinem Herzen ist. Es fängt an, Liebe, Respekt und Dankbarkeit zu zeigen – und alles ist einfach unecht. Es wird von Anfang an zu einem Schauspieler, einem Heuchler, einem Politiker.
Wir alle leben in dieser Welt, in der die Eltern, die Lehrer, die Priester dich verdorben, aus dir selbst vertrieben, von dir selbst entfernt haben. Mein Bestreben ist es, euch euer Zentrum wieder zurückzugeben. Dieses Zentrieren nenne ich „Meditation“. Ich will, dass ihr einfach ihr selbst seid – mit großer Selbstachtung, Würde und dem Bewusstsein, dass die Existenz euch braucht. Dann könnt ihr anfangen, euch selbst zu suchen. Erst kommt in euer Zentrum und dann fangt an herauszufinden, wer ihr seid.
Sein ursprüngliches Gesicht zu kennen ist der Beginn eines Lebens voller Liebe. Es ist der Beginn eines Lebens, das zu einem Fest wird. Dann kannst du sehr viel Liebe geben, weil sie unerschöpflich ist. Sie ist unermesslich und versiegt nie. Und je mehr Liebe du gibst, umso mehr wirst du davon geben können. Die großartigste Erfahrung im Leben ist bedingungsloses Geben ohne Erwartungen – nicht einmal von einem einfachen Dankeschön. Im Gegenteil, echte, authentische Liebe fühlt sich dem anderen, der die Liebe angenommen hat, zu Dank verpflichtet. Er hätte sie auch zurückweisen können.
Wenn du anfängst, Liebe zu geben mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit all jenen gegenüber, die sie annehmen, wirst du überrascht feststellen: Du bist zum König geworden. Du bist kein Bettler mehr, der mit der Bettelschale in der Hand an jede Tür klopft und um Liebe bittet, während jene, bei denen du anklopfst, gar nicht in der Lage sind, dir Liebe zu geben, weil sie selbst Bettler sind – Bettler, die sich gegenseitig um Liebe anbetteln und die frustriert und verärgert sind, weil sie keine Liebe bekommen.
Die Liebe gehört zur Welt der Könige, nicht der Bettler. Und derjenige ist ein König, der so voller Liebe ist, dass er sie bedingungslos zu geben vermag. Dann erwartet dich eine noch größere Überraschung: Wenn du anfängst, deine Liebe jedem zu geben, sogar einem Fremden … Und es ist gleichgültig, wem du sie gibst, weil allein schon die Freude des Gebens so groß ist, dass es keine Rolle spielt, wer der Empfänger ist. Wenn du diesen Seinszustand erreichst, dann gibst du ständig allem und jedem – nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren, den Bäumen, den Sternen am Himmel. Denn Liebe ist etwas, das sich allein durch deinen liebenden Blick bis zu den entferntesten Sternen überträgt. Einfach durch deine Berührung überträgt sich die Liebe auf einen Baum. Sie kann ohne Worte, in absoluter Stille mitgeteilt werden. Sie braucht nicht ausgesprochen zu werden, sie äußert sich von selbst. Die Liebe hat ihre eigenen Wege, um die tiefsten Tiefen deines Seins zu erreichen.
Sei zuerst erfüllt mit Liebe, dann kommt das Geben von allein. Und dann wirst du die große Überraschung erleben: Indem du gibst, empfängst du – aus unbekannten Quellen, unbekannten Richtungen, von unbekannten Menschen, von Bäumen, Flüssen, Bergen. Aus allen Ecken und Enden der Existenz beginnt Liebe zu dir hinzuströmen. Und je mehr du gibst, desto mehr bekommst du. Das Leben wird zu einem einzigen Tanz der Liebe.
Für mich ist dies der Zustand der Erleuchtung – reine Liebe. Es gibt keinen Gott außer der reinen Liebe.