Читать книгу Authentisch sein! - Бхагаван Шри Раджниш (Ошо), Osho, Osho . - Страница 6

EINFÜHRUNG

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Meine Botschaft ist sehr einfach. Daher ist sie so schwer zu verstehen. Ich lehre das Offensichtliche; es ist gar nicht kompliziert. Weil es nicht kompliziert ist, gibt es daran nicht viel zu verstehen; es muss gelebt, erfahren werden. Meine Botschaft ist nicht verbal, logisch oder rational, sondern existenziell. Deshalb werden alle, die sie intellektuell verstehen wollen, sie nur missverstehen.

Doch gibt es da ein paar Anhaltspunkte, die ich euch verraten möchte. Erstens: Bisher hat der Mensch immer nur halbherzig gelebt. Im Osten wie im Westen ist der Mensch einseitig geblieben. Weder der Mensch des Ostens noch der Mensch des Westens ist je ganzheitlich gewesen. Der Westen hat den Körper gewählt, er ist körperorientiert; der Osten hat die Seele gewählt, er ist seelenorientiert; doch der Mensch ist beides, eine große Ausgewogenheit zwischen beidem. Der Mensch ist sowohl beides als auch jenseits von beidem. Weder der Osten noch der Westen hat den Menschen als eine Ganzheit verstanden. Wir haben noch nie gewagt, den Menschen in seiner Ganzheit zu akzeptieren.

Das ist einer der wesentlichen Grundzüge meiner Lehre und ich möchte, dass jeder versteht: Ich lehre den ganzheitlichen Menschen. Die bloße Vorstellung von Ost und West ist Unfug; auch das gehört zu der alten Zweiteilung. Jegliche Zweiteilung muss aufgelöst werden.

Ich lehre eine einzige Welt. Ost und West müssen verschwinden; beide sind schizophren. Der Westen ist Rechtshänder, der Osten ist Linkshänder; der Westen ist aktiv, der Osten ist passiv; der Westen ist extrovertiert, der Osten ist introvertiert … Aber der Mensch ist beides zugleich – und jenseits von beidem.

Wer ganzheitlich sein will, der muss sowohl extrovertiert wie introvertiert sein können. Um ganzheitlich zu sein, muss man sowohl ausatmen wie einatmen können. Man braucht das Einatmen ebenso wie das Ausatmen. Ja, sie sind nicht einmal zwei verschiedene Dinge; Ein- und Ausatmen bilden ein und denselben Vorgang.

Der Westen hat die Außenwelt, die Materie gewählt, ist äußerst naturwissenschaftlich geworden, hat eine großartige Technik hervorgebracht; doch der Mensch wird von dieser Technik überrollt; der Mensch ist nicht mit ihr gewachsen. Der Mensch hinkt weit hinter ihr her. Seine Wissenschaft ist ihm längst über den Kopf gewachsen, und zurzeit beginnt die Wissenschaft, die der Mensch hervorgebracht hat, die Menschheit selbst zu vernichten.

Die Innenwelt des Menschen ist im Westen verarmt, der Mensch ist im Westen spirituell ausgehungert. Und am entgegengesetzten Ende ist dem Osten dasselbe passiert: Dort hat der Mensch seinen Körper, seine Außenwelt völlig vernachlässigt. Der Osten hat darauf bestanden, dass du alles außerhalb von dir leugnen sollst, der greifbaren Welt entsagen und nur nach innen gehen, in deiner Mitte bleiben sollst. So ist der Osten zwar spirituell reich, aber materiell sehr arm und ausgehungert. Der Osten hat gelitten, der Westen hat gelitten.

Meine Botschaft ist: Es wird höchste Zeit, Schluss zu machen mit dieser Spaltung in Äußeres und Inneres, in Niederes und Höheres, in Links und Rechts. Wir sollten Schluss machen mit dieser Spaltung zwischen Mann und Frau, zwischen Ost und West. Wir sollten dafür sorgen, dass der Mensch heil und ganz wird und seinen beiden Seiten gerecht wird.

Aus diesem Grund wird man mich überall missverstehen. Der religiöse Mensch im Osten ist böse auf mich, weil er glaubt, ich würde den Materialismus lehren, und der religiöse Mensch im Westen ist böse auf mich, weil er glaubt, ich würde ein spirituelles Abrakadabra lehren. Alle sind böse auf mich! Aber das ist nur natürlich – ich kann es verstehen.

Ich lehre den ganzen Menschen – von der untersten Sprosse der Leiter bis zu ihrer höchsten Sprosse, vom Sex bis zum samadhi, vom Körper bis zur Seele, von der Materie bis zu Gott.

Mein Vertrauen ist unerschütterlich. Ich möchte euch sagen, dass der Mensch bisher noch nie Vertrauen gehabt hat – nicht einmal der östliche Mensch! Im Osten hat der Mensch an der Existenz der Welt gezweifelt; der Osten hat die Welt sogar illusorisch, maya, genannt. Im Westen hat der Mensch an der Existenz Gottes und der Seele gezweifelt; diese werden dort als krankhafte Halluzinationen angesehen. Wer durch und durch westlich denkt, dem kommt Jesus neurotisch, psychotisch vor, reif für die Psychiatrie. Der Osten hält den Westen für animalisch: „Wein, Weib und Gesang!“ – das ist in etwa das Bild, das sich der Osten vom Westen macht. Er glaubt, die einzige westliche Philosophie lautet: „Seid wie die Tiere – primitiv!“ Der Westen hat die Innenwelt angezweifelt, der Osten hat die Außenwelt angezweifelt. Beide haben im Zweifel gelebt und so ist ihr Vertrauen immer nur halbherzig geblieben.

Mein Vertrauen ist absolut. Ich vertraue ins Äußere und ich vertraue ins Innere – weil das Äußere und das Innere zusammengehören. Sie sind nicht zu trennen. Es gibt keinen Gott ohne die Welt; es gibt keine Welt ohne Gott. Gott ist der innerste Kern dieser Welt. Der Saft, der in den Bäumen fließt, ist Gott; das Blut, das in deinem Körper kreist, ist Gott; das Bewusstsein, das in dir wohnt, ist Gott. Gott und die Welt sind genauso ineinander verwoben wie ein Tänzer und sein Tanz; sie sind nicht zu trennen, sie sind unzertrennlich. Also sage ich weder dass die Welt Illusion sei – das ist Unsinn, die Welt ist so wirklich wie das Bewusstsein; noch sage ich, dass die Innenwelt Neurose, Wahnsinn, Halluzination sei – das ist sie nicht; vielmehr ist sie das Fundament der Wirklichkeit.

Ich lehre den ganzen Menschen. Ich bin weder Materialist noch Spiritualist. Mein Ansatz ist ganzheitlich – holistisch. Und der ganze Mensch kann nur eins sein – nämlich holy, heilig. Aus diesem Grund wird es überall nur Missverständnisse über mich geben, und jeder kann sich etwas herauspicken und Fehler bei mir finden, es ist sehr leicht: Der Spiritualist kann mich einen Epikuräer nennen, einen Anhänger von Charvaka, dem indischen Epikur – und damit hätte er nicht ganz unrecht, weil ich zur Hälfte epikuräisch bin. Ich finde an Epikur und Charvaka gut, dass sie den Körper und die Freuden des Körpers ehren und den Körper feiern, denn es gibt Grund genug, ihn zu feiern. Denn sobald man ihn verwirft, wird man ernst und traurig.

Das ist auch der Grund, warum die Heiligen des Ostens so traurig und freudlos wirken. Sie reden zwar von Seligkeit, aber ihren Gesichtern ist nichts davon anzumerken. Sie sehen total unglücklich aus, sie wirken absolut tot – weil sie Angst vor der Außenwelt haben. Und wer vor der Außenwelt Angst hat, der wird sich vor der Liebe fürchten, denn die Liebe führt uns nach außen. Liebe bedeutet der Andere, Liebe bedeutet sich zu beziehen, Liebe bedeutet sich auf den Anderen einzulassen. Liebe bedeutet die Beziehung zwischen dem Ich und dem Du. Der Osten leugnet den anderen, folglich ist der Osten gegen die Liebe. Und wer gegen die Liebe ist, der wird nicht mehr tanzen können.

Ohne Liebe gibt es keinen Tanz und keinen Gesang im Leben. Ohne Liebe gibt es keine Poesie. Das Leben wird stumpf, wird zur Last. Ohne Liebe kann man zwar leben, aber nur auf Sparflamme; es wird mehr ein Vegetieren sein.

Und genau das ist mit der östlichen Spiritualität passiert. Geht in die Klöster, geht in die Ashrams … darum sieht mein Ashram so völlig anders aus – hier tanzen die Leute, singen, halten sich bei der Hand, umarmen sich, lieben sich, jubeln! So etwas ist für den Osten kein Ashram! Ein Ashram hat absolut freudlos zu sein; er sollte eher wie ein Friedhof als ein Garten aussehen. Aber sobald ihr nicht lieben dürft, hört alles in euch zu fließen auf und ihr stagniert. Ihr könnt nicht ohne Liebe feiern. Wie solltet ihr ohne Liebe feiern können? Und was gäbe es dann noch zu feiern? Und womit?

Mulla Nasruddin sagte eines Tages zu mir: „Ich bin jetzt hundert Jahre alt! Gestern hab ich meinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Und ich war in meinem ganzen Leben hinter keiner Frau her und hab nie getrunken. Ich habe nie Karten gespielt und kein Spielcasino besucht. Ich rauche nicht und lebe nur von einfacher, vegetarischer Kost.“

Ich fragte: „Aber hast du nicht gesagt, du hättest deinen hundertsten Geburtstag gefeiert? Wie hast du gefeiert und womit? Und wozu überhaupt? Einfach nur hundert zu sein, ist doch noch keine Feier wert!“

Wer nie geliebt hat, der hat nie gelebt. Darum ist die östliche Spiritualität auch so traurig, stumpf und tot. Der Heilige des Ostens ist ohne Saft und Kraft. Er fürchtet sich vor allem, was fließt, was schwingt, was pulsiert, was strömt und energetisch ist. Ständig muss er sich zusammenreißen, unterdrücken. Er sitzt auf einem Vulkan und ist auf der Hut. Er ist gegen sich selbst und gegen die Welt. Er wartet nur auf den Tod, er begeht langsamen Selbstmord.

Der westliche Mensch hat von jeher geliebt – viel gelacht und getanzt und gesungen; aber der westliche Mensch hat darüber völlig vergessen, wer er ist. Er hat sein Bewusstsein aus dem Auge verloren, er bekommt nichts mehr mit. Weil er das Innere leugnet, ist er immer mechanischer geworden. Also lacht er zwar, aber sein Lachen geht nicht tief – weil keine Tiefe da ist. Es darf keine Tiefe geben. Also lebt der Westen in oberflächlicher Fröhlichkeit und der Osten in tiefer Traurigkeit. Das ist das Elend, ist die Qual, die der Menschheit widerfahren ist.

Meine Botschaft ist: Es wird Zeit! Der Mensch ist heute reif genug, um sich von diesen halbherzigen, einseitigen Verhaltensweisen zu verabschieden. Diese Programme sind überholt und müssen abgestreift und geändert werden. Man sollte sowohl das Äußere wie das Innere akzeptieren – und zwar total, ohne jede Einschränkung. Dann wird Bewusstsein entstehen und wird Liebe entstehen, und sie werden einander nicht widersprechen sondern sich ergänzen.

Eure Liebe wird euch Freude schenken, euer Bewusstsein wird euch zu Kristallisation verhelfen. Euer Bewusstsein wird euch klarmachen, wer ihr seid, und eure Liebe wird euch klarmachen, was es mit dieser Welt auf sich hat. Und zwischen diesen beiden Ufern fließt der Strom des Lebens dahin …

Ich lehre den ganzen Menschen. Das ist das Wesentliche; wenn das einmal verstanden ist, wird alles andere leicht, dann wird alles einfach. Dies ist die Grundlage. Ich lehre die Welt und ich lehre Gott, und beide im selben Atemzug. Ich möchte Epikur und Buddha so weit wie möglich zusammen bringen. Buddha sitzt unter seinem Baum; man kann sich Buddha nicht tanzend vorstellen. Epikur tanzt in seinem Garten; man kann sich Epikur nicht meditierend vorstellen – still unter einem Baum. Ich möchte, dass Epikur und Buddha eins werden.

Das Leben sollte ein rhythmischer Wechsel von Tanz und Stille, von Musik und Klang und Stille sein. Das Leben sollte einen Rhythmus aus beiden Bewegungen bilden – so weit wie möglich nach außen und so weit wie möglich nach innen gehen, denn Gott ist beides. Schließt die Augen und ihr seht Gott; öffnet die Augen und ihr seht Gott, denn es gibt nichts als Gott.

Und versteht auch das: Die Leute hier sind nicht meine Anhänger. Sie lieben mich, aber sie sind nicht meine Anhänger. Sie sind meine Freunde, aber nicht meine Anhänger. Sie sind meine Schüler, nicht meine Anhänger. Und was ist der Unterschied zwischen einem Schüler und einem Anhänger? Ein Anhänger glaubt; er macht aus jedem Wort, das gesagt wird, ein Dogma. Ein Schüler lernt, probiert aus, und er bleibt solange offen, bis er selbst die Wahrheit findet. Ich lehre meine Freunde, meine Sannyasins keinerlei Dogma. Ich helfe ihnen lediglich, sich selbst zu verstehen. Ich helfe ihnen nur, sie selbst zu sein.

Ein Anhänger ist ein Nachahmer. Ein Christ muss Christus nachahmen und ein Buddhist muss Buddha nachahmen – und Nachahmer sind nie echt. Ich möchte, dass meine Freunde authentisch sind. Wie könntet ihr mich nachahmen? Ich bin ganz anders als ihr, und ihr seid ganz anders als ich. Du bist so einmalig, dass es noch nie einen Menschen wie dich gegeben hat – und nie wieder geben wird. Gott erschafft jeden Menschen nur einmal. Er ist sehr innovativ, er wiederholt sich nicht, er produziert die Menschheit nicht am Fließband. Das ist anders als mit Autos, mit den Fiats oder Fords, wo sich Tausende gleichen, einer wie der andere ist. Gott erschafft nur Einmaliges.

Geht in den Garten: Ihr werdet keine zwei Grashalme finden, die sich gleichen. Nicht einmal identische Zwillinge sind gleich. Wie also könnte man jemandem nacheifern wollen? Alles Nacheifern ist verkehrt. Meine zweite Botschaft lautet also: Der Mensch darf nie einem anderen folgen. Ihn verstehen gewiss, von ihm lernen gewiss, ihm zuhören gewiss und offen bleiben. Folgen darf man nur seiner eigenen inneren Spontaneität, nur seinem eigenen Wesen.

Ich helfe den Menschen, sie selbst zu sein. Etwa so, wie ich den Rosen in meinem Garten dabei helfe, Rosen zu sein und dem Lotus, ein Lotus zu sein. Mir ist nicht daran gelegen, aus dem Lotus eine Rose zu machen. Die Welt ist nur aufgrund ihrer Vielfalt so reich. Die Welt wäre hässlich, wenn nur Rosen wüchsen und keine anderen Blumen. Tausende von Blumen wachsen, und die Welt ist wunderschön. Jeder Mensch muss authentisch sein, absolut er selbst. Die Sannyasins sind also nicht meine Anhänger, sie lieben mich. Ihre Liebe hat sie zu mir geführt. Ihre Liebe hat mich hierher gebracht, ihre Liebe hat sie hierher gebracht; wegen dieser Liebe sind wir zusammen. Aber ich bin nicht ihr Führer und sie sind nicht meine Anhänger. Und ich stifte hier keine Sekte, ich gründe hier keine Kirche. Meine Sannyasins sind nur eine Gemeinschaft von Freunden, keine Kirche. Wir haben kein Dogma, an das alle glauben müssen. Es gibt nichts, woran man glauben muss, wohl aber zahllose Dinge, mit denen man experimentieren kann. Meine Kommune ist ein Labor; hier wird experimentiert.

Auch das führt zu Missverständnissen, denn der Mensch hat vergessen zu experimentieren. Wir experimentieren auf vielen verschiedenen Ebenen. Wir experimentieren mit Tao, wir experimentieren mit Sufismus, wir experimentieren mit Jainismus, Hinduismus, dem Islam, dem Christentum. Wir experimentieren mit Tantra, mit Yoga, mit Alchemie; wir experimentieren mit jeglicher Möglichkeit, die das menschliche Bewusstsein bereichern und den Menschen wieder heil und ganz machen kann. Das kann freilich zu Problemen führen. Wenn ein Yoga-Schüler hierher kommt, kann er nicht verstehen, was er mit Tantra anfangen soll – er ist gegen Tantra. Wenn ein Tantra-Schüler kommt, sieht er nicht ein, warum er mit Yoga experimentieren soll – er ist gegen Yoga.

Ich bin gegen gar nichts; ich bin für alles. Ich bin ausdrücklich für alles, ich erhebe Anspruch auf das gesamte Erbe der Menschheit. Und alles, was tauglich ist, gleich welcher Tradition es entstammt, ist mein, und alles, was den Menschen bereichern kann, ist mein. Ich gehöre zwar keiner Tradition an, aber alle Traditionen sind mein. Dies ist also ein neues Experiment. So etwas ist noch nie in dieser Art und Weise versucht worden. Hier findet die Synthese aller spirituellen Wege statt. Ich lehre eine Synthese, und ich habe das Gefühl, dass alle, die nur mit Yoga experimentieren, unvollständig sind, nur zum Teil wachsen werden – so als hätte sich jemand eine viel zu große Hand antrainiert, und der ganze Körper ist klein geblieben … was für ein Monster – es sei denn, er kann auch mit Tantra experimentieren, denn Tantra und Yoga ergänzen einander.

Merkt euch, dies ist eine meiner grundlegenden Erkenntnisse, dass sich nichts im Leben widerspricht. Alle Widersprüche sind komplementär, ergänzen einander. Die Nacht ist komplementär zum Tag, so wie der Sommer komplementär ist zum Winter und der Tod zum Leben. Sie sind einander nicht entgegengesetzt. Nichts ist gegen etwas, denn es gibt nur eine Energie, es existiert nur ein Gott. Meine Linke und meine Rechte sind nicht gegeneinander, sondern sind komplementär. Genau wie Vogelschwingen, zwei Flügel – sie scheinen zwar einander entgegengesetzt zu sein, unterstützen einander aber: Der Vogel kann mit nur einem Flügel nicht fliegen.

Man muss mit Tantra und Tao gemeinsam experimentieren. Warum? Nun, Yoga bietet uns eine tiefe Einsicht in Disziplin, und Tao eine tiefe Einsicht in Spontaneität. Sie scheinen nur an der Oberfläche entgegengesetzt zu sein; aber solange deine Disziplin dich nicht spontaner macht und deine Spontaneität dich nicht disziplinierter macht, kannst du nicht heil und ganz werden. Yoga heißt äußerste Kontrolle, Tantra heißt die Aufgabe aller Kontrolle; und wir brauchen beides. Ein Mensch muss fähig sein, Ordnung zu halten, damit er, wenn es darauf ankommt, absolut geordnet vorgehen kann. Aber man darf sich nicht nur auf Ordnung fixieren, sonst wird man zum Roboter. Man sollte sein System, seine Disziplin auch mal an den Nagel hängen können, falls es notwendig wird. Dann kann man spontan sein, sich treiben lassen und loslassen. Das kann man nur im Tantra lernen, nirgendwo anders.

Ich bringe im Leben meiner Sannyasins alle Gegensätze als wechselseitige Ergänzungen zusammen. Die Yogis werden gegen mich sein, weil sie nicht einsehen werden, was Sex und Liebe im Leben eines Sannyasins zu suchen haben. Sie haben Angst, Angst vor Sex, weil Sex das Spontanste im Leben ist. Denn das hieße ja, außer Kontrolle zu geraten! Sie wissen genau: Haben sie erst einmal den Sex unter Kontrolle, dann ist alles andere unter Kontrolle. Also ist Sex ihr Erzfeind. Für Tantra wird dein ganzes Leben roboterhaft, wenn dein Sex nicht spontan sein darf. Er muss sich in Freiheit entfalten dürfen. Und alle beide haben sie Recht, der eine wie der andere. Dies ist mein Ansatz. Das mag absurd klingen, weil mein Ansatz sehr unlogisch ist. Die Logik lässt immer nur eines gelten: Man kann entweder ein Yogi oder ein Tantriker sein. Ich aber halte mich ans Leben und nicht an die Logik; und zum Leben gehört sowohl das eine wie das andere. Das Leben erfordert sehr viel Disziplin, denn man muss auf der Welt mit so vielen Menschen auskommen. Man muss diszipliniert leben, denn sonst würde das Leben zum Chaos. Das Leben würde unmöglich, wenn man sich an keine Disziplin hält. Aber wenn es für dich nichts anderes mehr gibt als Disziplin und du alle Spontaneität vergisst und nur noch zu Disziplin wirst und nie mehr aus ihr heraus findest, dann hast du das Leben verloren und bist zur Maschine erstarrt.

Dies sind die beiden Alternativen, die dem Menschen bisher freistanden: Werde entweder zum Chaos – was nicht gut ist; oder werde zu einer Maschine – was auch nicht gut ist. Ich möchte, dass ihr lernt, hellwach zu sein – bewusst, aufmerksam, diszipliniert und doch fähig zu Spontaneität. Wenn du arbeitest, dann sei diszipliniert – aber Arbeit ist nicht alles. Wenn du spielst, dann vergiss alle Disziplin.

Ich war einmal in Kalkutta im Hause eines Obersten Richters zu Gast. Seine Frau sagte zu mir: „Mein Mann hört nur auf Sie. Sie sind der Einzige, der in seinem Leben etwas ausrichten kann. Seine Einstellung geht der ganzen Familie auf die Nerven. Er bleibt selbst im eigenen Hause immer der Richter.“ Sie sagte: „Selbst im Bett bleibt er noch der Oberste Richter. Er verlangt von mir, dass ich ihn mit ‚Euer Gnaden‘ anspreche! Nie ist er spontan, und dauernd schreibt er uns etwas vor und erlässt Gesetze. Die Kinder haben es satt. Wenn er nach Hause kommt, wird es schlagartig still, alle Freude ist verflogen. Wir können es gar nicht abwarten, bis er wieder zum Gericht fährt.“

Nun, ich kenne den Mann; er ist ein guter Richter – sehr gewissenhaft, sehr aufrichtig und ehrlich. Und das sind lauter gute Eigenschaften – aber er ist zu einer Maschine geworden. Er kommt heim und bleibt ‚Euer Gnaden‘; das ist nicht gut. Man muss sich auch mal entspannen, mal mit den Kindern spielen können. Aber so tief kann er sich nicht herablassen. Selbst vor seiner Frau bleibt er auf seinem hohen Ross, unerreichbar. Immer und überall bleibt er der Richter. Genau das ist es, was mit den Anhängern des Yoga passiert ist; sie können nicht mehr spielerisch sein, sie können sich über nichts mehr freuen. Sie können nicht mehr feiern, weil sie einfach nicht mehr entspannt sein können. Und wer nur Tantra kennt, wird chaotisch; wer nichts anderes übt als Tantra, der wird sehr, sehr selbstsüchtig. Dann werden dir alle anderen egal; dann vergisst du, dass du Teil eines größeren Ganzen bist, dass du einer Gesellschaft angehörst, dass du Teil der Existenz bist und der Existenz etwas schuldest – denn was wärst du ohne sie? Du musst gewissen Ansprüchen genügen, die die Existenz, die die Gesellschaft an dich stellt. Wenn du absolut chaotisch wirst, kannst du nicht überleben – dann kann niemand überleben.

Also muss man ein Gleichgewicht finden zwischen Chaos und Mechanisierung, einen Punkt genau in der Mitte. Ich möchte, dass ihr an diesem Punkt seid – genau in der Mitte. Und von da aus könnt ihr, wenn es nötig wird, in das eine oder das andere Extrem gehen und ebenso auch wieder zurückkommen. Diese Geschmeidigkeit lehre ich, diese Beweglichkeit lehre ich.

Ich bin gegen jede Fixierung, jede Erstarrung. Ich lehre Lebenssynthesen, die wachsen; Verhaltensweisen, Erscheinungsbilder, die wachsen und die immer auch das Andere, den Gegensatz mit einschließen können. Dann ist das Leben schön.

Und man kann die Wahrheit nur erkennen, wenn man gelernt hat, die Gegensätze in Ergänzungen zu verwandeln. Erst dann gewinnt dein Leben Symmetrie, kommt es zum Ausgleich … halten sich das Positive und das Negative die Waage.

Erst in dieser Ausgewogenheit liegt die Transzendenz. In dieser Ausgewogenheit erkennt man das Jenseits, öffnet man sich für das Jenseits.

Authentisch sein!

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