Читать книгу Taunusgier - Osvin Nöller - Страница 10
Оглавление19. April
„Timo, ich bin es leid. Wir brauchen das Doppelhaus in der Neuen Mauergasse und zwar gestern!“ Frank Schüttler schob sich im Ledersessel nach vorne. „Wie ist der aktuelle Stand?“
Timo Rall kannte die Ungeduld des Chefs seit vielen Jahren. Immer, wenn der Abschluss eines Immobiliengeschäfts bevorstand, wurde der Architekt nervös. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis er aufsprang und seine zwei Meter durch das Büro tigern ließ. Dann gab es folgende Möglichkeiten: Entweder grinste er plötzlich und sagte: „Komm, lass uns einen Kaffee trinken.“ Oder er kündigte Timo fristlos, weil er unfähig sei. Timo hatte aufgehört zu zählen, wie oft er schon rausgeflogen war. Es war einerlei, denn Frank erschien spätestens eine Stunde danach, entschuldigte sich und erklärte ihn zum besten Mitarbeiter, den er je beschäftigt hatte. Was blieb ihm auch übrig? Er war der Assistent, der Schüttler den Rücken freihielt und alle Aufträge ohne Murren erledigte, selbst diejenigen, die sonst niemand ausführen wollte.
Heute war die Situation jedoch anders. Der Startpunkt ihres Projektes war abhängig von dem Anwesen mit der Gaststätte und obwohl der Kauf in den Sternen stand, war Schüttler am Morgen im Rathaus gewesen. Er hatte mit dem Bauamtsleiter die geplante Neubebauung des Areals besprochen. Dabei hatte er so getan, als müsse er nur noch auf die Grundbucheintragungen warten, um mit dem Abriss der Gebäude zu beginnen. Timo war gespannt, wie der heutige Auftritt seines Chefs sich entwickeln würde.
„Unverändert. Rosenthal, dem die linke Hälfte gehört, wäre möglicherweise bereit, zu verkaufen. Er scheint sich nach einem Altersruhesitz umzusehen. Das Blöde ist, dass er das Haus nur aufgeben will, wenn die Eskir ihres ebenfalls veräußert. Die verehrte Frau Wirtin ist leider hart wie Kruppstahl. Sie lehnt jede Verhandlung ab.“ Wie er den Job hasste! Er wusste genau, was jetzt kommen würde.
„Na, dem Juden werden wir sicher helfen können. Da gibt es doch die Seniorenbetreuung. Red mal mit denen, damit die ihm ein Angebot erstellen.“ Schüttlers Stimme klang noch immer angespannt.
„Hab längst mit der Klettke gesprochen. Sie bearbeitet ihn, er ist aber erst 52. Er privatisiert.“
Schüttlers Miene verdunkelte sich. Der nächste Ausbruch bahnte sich an. „Dann klemm dich dahinter!“, schrie er unvermittelt los. „Reden allein bringt nichts!“ Feine Tropfen Spucke flogen über den Tisch, weshalb Timo einen Schritt zurücktrat. „Der Eskir musst du die Lust vermiesen, dort zu wohnen. Mach ihr das Leben zur Hölle! Lass dir endlich was einfallen! Wie oft muss ich dir das noch sagen?“ Er sprang auf und ging im Büro auf und ab. Seine Stimme wurde leiser, er flüsterte beinahe. „Timo, falls du mit der Aufgabe überfordert bist, suche ich mir jemanden, der das kann.“
Aha, jetzt war es soweit! Schüttler blieb direkt vor Timo stehen, der ihn unbeeindruckt ansah und sich aufreizend langsam durch den roten Vollbart strich. Diesmal wich er nicht zurück, auch wenn er acht Zentimeter kleiner als sein Chef war und zu ihm aufsehen musste. Es entwickelte sich ein Blickduell.
Timo entfernte einen imaginären Fussel vom Leinenjackett und verengte die Augen. „Frank, es reicht mir. Lass mich in Ruhe arbeiten! Ich werde alles daransetzen, die Grundstücke an Land zu ziehen. Alles!“ Er funkelte Schüttler an. „Hör endlich auf, unsinnigen Druck aufzubauen, und die Welt durcheinanderzubringen!“ Er drehte sich um und schlenderte betont lässig zur Tür. Er öffnete sie und verließ den Raum.
„Du bist gefeuert! Endgültig! Ich mach dich fertig!“, klang es hinter ihm her.
Timo lachte.
***
Melanie saß beim Frühstück und las die Nachrichten in ihrem Smartphone. Sie fühlte sich nach einer traumlosen Nacht ausgeruht und gehörte zu den letzten Frühstücksgästen, bevor das Buffet abgeräumt wurde.
Sie dachte an ihren Besuch im Silbernen Bein. Im Nachhinein kam es ihr albern vor, das Risiko eingegangen zu sein, den Keller der Wirtschaft zu untersuchen. Dennoch sagte der Bauch ihr, dass es spannend sein könnte, hinter diese verborgene Tür zu schauen. Deshalb schrieb sie eine neue Notiz in ihr Handy: Schutzraum Kneipe: Warum wird ein genutzter Zugang versteckt?
Die Pöbeleien des jungen Mannes, Schneider hieß er, gingen ihr durch den Kopf und sie musste zugeben, dass das Eingreifen des Langhaarigen durchaus Stil gehabt hatte. Er schien nicht nur ein interessanter Typ, sondern auch Stammgast im Lokal zu sein. Ihn sollte sie im Auge behalten.
Sie trank den Kaffee aus und überprüfte ihre Mails. Abgesehen von ein paar Werbebotschaften gab es eine Nachricht, in der sich der Kollege meldete, an den sie Klienten während ihrer Abwesenheit verwies. Er hatte eine Anfrage und wollte wissen, ob sie den Auftrag zu übernehmen gedenke. Sie lehnte ab und wünschte dem Detektiv viel Erfolg.
Schnell schrieb sie Pascal Wolter eine Botschaft, in der sie mitteilte, dass sie sich in Bad Homburg befand und in den nächsten Tagen melden würde, falls es Neuigkeiten gäbe. Zunächst war es jedoch wichtig, ein Schwimmbad zu finden und bestenfalls ein Fitnessstudio dazu. Es war jetzt bereits der zweite Tag ohne den gewohnten Sport und das ging gar nicht. Außerdem vermisste sie ihren geliebten Strandkorb. Sie musste unbedingt eine gemütliche Ecke finden, die ihr als Ersatz für ihr Refugium dienen konnte.
Nachdem sie an der Rezeption gefragt hatte, packte sie ihre Badesachen ein und spazierte bei angenehmen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein durch den Kurpark zum Seedammbad.
Das Außenbecken hatte leider noch nicht geöffnet, aber Melanie genoss es dennoch, die kürzeren Bahnen im Innenbereich mit kräftigen Zügen zu durchpflügen, bis sie nach 2.000 Metern kurzatmig aus dem Wasser stieg.
Als sie später das Bad verließ, verspürte sie Tatendrang, obwohl sie keine Idee hatte, wie sie etwas über Jan Wolter und sein Verschwinden in Erfahrung bringen sollte, ohne sich zu outen.
Am Thermalbad entlang spazierte sie zurück in den Park und betrat die Brunnenallee im Kurpark.
Beinahe hätte sie die Männer übersehen, die auf einer Mauer vor einem Trinkbrunnen saßen. Melanie schaltete die Musik aus, trennte das Kabel der Kopfhörer von ihrem Smartphone und verstaute alles in ihrer Sporttasche. Langsam schritt sie an der Szene vorbei und blieb an einem Baum stehen, von dem aus sie einen günstigen Blick auf das Geschehen bekam.
Schneider saß neben einem Typen um die vierzig. Der trug ein schwarzes Sakko zu einer gleichfarbigen Jeans und redete auf sein Gegenüber ein, der ihm gespannt zuzuhören schien.
Was der Mann wohl von dem rabiaten Jüngling wollte?
Sie ärgerte sich, dass sie ihre Kamera nicht mitgenommen hatte, um aus der Entfernung ein paar Aufnahmen machen zu können.
Der Ältere hatte die Ansprache beendet und drehte sich um. Er ging den Weg entlang zur Brunnenallee, der unweit von Melanies Standort endete. Schnell sprang sie zu einer Parkbank und setzte sich keine Sekunde zu früh. Der Rothaarige mit dem kurz geschnittenen Vollbart schlenderte an ihr vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
***
„Wie ist es gelaufen?“ Frank Schüttler lehnte sich im Bürosessel zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.
„Ist alles auf dem Weg, wie ich es gesagt habe.“ Timo stand vor dem Schreibtisch. Der Disput und die Kündigung vom Vormittag schienen vergessen. Der Architekt wirkte bestens gelaunt. Die gewellten Haare lagen genauso akkurat wie am Vormittag und Timo fragte sich wieder einmal, wie viel Zeit er wohl für das perfekte Styling benötigte. „Es gibt doch noch etwas. Wir wurden beobachtet.“
Schüttler setzte sich aufrecht hin und nahm einen Füllfederhalter, mit dem er spielte. „Wieso? Von wem?“
„Wenn ich das wüsste. Eine Frau, so Mitte dreißig, hat sich von der Brunnenallee aus für uns interessiert und dabei vermutlich Fotos mit dem Smartphone geschossen. Schneider hat sie zuerst bemerkt, worauf ich anschließend an ihr vorbeigegangen bin. Ich kenn die nicht.“
„War es vielleicht diese Journalistenschnepfe vom Taunusblick, die uns letztens mit ihren Fragen und Recherchen auf den Nerv ging? Wie hieß die gleich?“ Schüttler zündete sich eine Zigarette an, stand auf und öffnete das Fenster.
„Du meinst Nadine Gissel. Nein, die sieht anders aus. Ich glaube nicht, dass die Tussi im Park eine Reporterin war. Schon allein, wie sie mir später gefolgt ist. Ich hatte fast den Eindruck, sie sei eine Polizistin.“
Der Chef zog die Stirn in Falten. „Red keinen Scheiß. Sie hat dich wirklich verfolgt? Bist du dir sicher?“
„Ja, ganz bestimmt. Ich hab sie bis zur Kurhausgarage geführt und dort abgehängt. Ich behaupte ja nicht, dass sie von der Polizei war. Schien mir nur so. Manchmal habe ich sie unterwegs nicht gesehen und plötzlich tauchte sie vor mir wieder auf. Machte sie ziemlich professionell.“
„Das gefällt mir nicht. Schnüffeleien sind das Letzte, was wir brauchen.“
Timo winkte ab. „Frank, das ist mir eh klar. Ich sage dir das nur, damit du in den nächsten Tagen aufpasst.“ Er beschrieb Melanie in wenigen Worten. „Sei einfach vorsichtig.“
***
Melanie betrat das Silberne Bein, wo ihr nicht nur ein ordentlicher Geräuschpegel, sondern zudem alkoholgeschwängerte Luft entgegenschlug. An einer Seite des Lokals hatte man die Tische zusammengerückt, an denen eine Gruppe jüngerer Leute feierte. Gegenüber, in der Nähe des Tresens saß ein Gast um die fünfzig, der ein paar Kilogramm zu viel mit sich herumschleppte. Die kurzen schwarzen Haare hatten längst Raum für die Verbreiterung seiner Stirn gemacht. Der Bartschatten sollte dies vielleicht kaschieren.
Er lächelte Melanie an, die unschlüssig in der Wirtsstube stehen blieb. Schließlich nahm sie am Nachbartisch des Mannes Platz und nickte ihm zu.
„Na, eine Bionade Kräuter?“
Melanie zuckte zusammen. Sabrina musste aus einer seitlichen Tür gekommen sein, die Melanie bisher nicht wahrgenommen hatte.
„Ja, gerne.“
Der Tischnachbar beugte sich ein wenig herüber. „Sie hab ich hier noch nie gesehen. Sind Sie das erste Mal da?“, rief er laut genug, um den Lärm der Feier zu übertönen.
Interessant, wie einfach es hier war, Kontakt zu bekommen!
„Beinahe, ich war gestern hier“, entgegnete sie.
Sabrina stellte die Limonade und ein Glas vor Melanie.
Er klopfte auf seinen Bauch und lachte. „Da war ich im Fitnessstudio. Man muss ja was machen.“
Melanie wurde es zu blöd, sich auf die Entfernung hin zu unterhalten. Sie stand auf und ging hinüber.
„Darf ich hier Platz nehmen? Ist mir zu anstrengend, so zu schreien.“ Sie zeigte in Richtung der Gruppe. „Die Gesellschaft ist ziemlich ausgelassen.“
Er deutete auf einen Stuhl. „Gern. Hier ist es immer gleich sehr laut, sobald mehr als fünf Gäste quatschen. Ich heiße Ralf Rosenthal. Ich wohne nebenan.“
„Melanie Gramberg. Bin hier auf Urlaub.“ Sie setzte sich.
Sie plauderten ein bisschen über Bad Homburg. Rosenthal verkündete stolz, von Geburt an im Nachbarhaus zu leben. Die ganze Nachbarschaft sei alteingesessen, auch wenn in den vergangenen Jahren ein paar Auswärtige zugezogen seien.
Melanie unterbrach ihn. „Sagen Sie mal, woher kommt eigentlich der merkwürdige Name des Gasthauses?“
Rosenthal grinste. „Das ist schnell erzählt. Landgraf Friedrich II, der das Landgrafenschloss bauen ließ, verlor 1659 bei einer Schlacht sein Bein. Deshalb hat man ihm eine Prothese angefertigt, die nicht nur mit Federn besetzt war, sondern sogar silberne Scharniere besaß. Sie können das Original im Schloss besichtigen.“
„Aha, was es alles gibt!“ Melanie nahm einen Schluck Limonade.
Die Eingangstür öffnete sich und ein Mann betrat den Raum. Er war vom Alter her schwer zu schätzen. Sie vermutete, dass er zumindest deutlich über sechzig Jahre alt war. Sein schlohweißes Haar und der dazu passende dichte Vollbart wirkten verfilzt, jedoch nicht wirklich ungepflegt, wohingegen seine Kleidung abgewetzt und schmuddelig aussah. Er trug einen verschmutzten Rucksack auf dem Rücken, grüßte die Anwesenden freundlich und ging direkt zur Theke. Sabrina schien ihn erwartet zu haben und führte ihn zur Kellertreppe, wo die beiden verschwanden.
Rosenthal las anscheinend die Fragezeichen auf Melanies Stirn. „Er heißt Siegfried Graf zu Biebenau und ist tatsächlich adlig. Er lebt auf der Straße, man munkelt, er sei früher Staatsanwalt gewesen. Er selbst spricht nicht darüber. Einmal die Woche erscheint er hier, um unten zu duschen, wo immer saubere Anziehsachen auf ihn warten. Sabrina wäscht die Klamotten bis zum nächsten Mal, schneidet ihm jeden Monat die Haare und stutzt ihm den Bart. Ist so was wie ihre soziale Tat.“
Melanie schüttelte den Kopf. „Unglaublich! Wie kommt das?“
„Weiß ich nicht!“, behauptete Rosenthal.
Sie hatte den Verdacht, dass er mehr wusste, als er preisgab.
„Eines Tages war er da. Anfangs dachten alle, da liefe was zwischen den beiden. Das ist Quatsch, obwohl Sabrina nicht wirklich Glück mit den Männern hat.“
Melanies Puls beschleunigte sich. „Inwiefern?“
„Nun ja, in den vergangenen zwei Jahren hatte sie drei Freunde. Nichts hat lange gedauert. Der Letzte hat hier sogar gewohnt und im Lokal geholfen. Aber einen auf den anderen Tag war er plötzlich verschwunden. Spurlos!“ Er trank einen Schluck Bier. „Hat sie nicht verdient, sie ist eine tolle Frau!“, flüsterte er, als spräche er zu sich selbst.
Der Stadtstreicher erschien wieder und hatte sich mit sauberen Kleidern und ordentlich gekämmten Haaren völlig verändert. Wenn Melanie ihm so begegnet wäre, hätte sie in ihm niemals einen Obdachlosen vermutet.
Er setzte sich an den Nachbartisch und Sabrina brachte ihm Schnitzel mit Bratkartoffeln und ein Weizenbier, das er in zwei Zügen austrank. Sabrina nahm das leere Glas und stellte ihm kurz darauf ein neues hin. Er schien ausgehungert, so wie er sich über das Essen hermachte. Die seitliche Tür öffnete sich und eine Gruppe Senioren kam aus dem angrenzenden Raum. Sie gingen zum Tresen, bezahlten und verließen das Lokal.
Eine Grauhaarige, die ihre langen Haare zu Zöpfen geflochten hatte und ein bodenlanges schwarzes Kleid trug, kam ebenfalls aus der Nachbarstube. Das silberne Amulett an ihrem Hals war für Melanies Geschmack ein wenig zu wuchtig und erinnerte sie an Indianerschmuck. Ihre dünnen Lederschuhe konnte sie auf einem Mittelaltermarkt erworben haben.
Melanie sah aus dem Augenwinkel, dass der Graf einen Moment zu essen aufhörte und der Frau nachblickte, als sie an ihm vorbeiging, ohne ihn zu beachten. Sein Gesicht verzerrte sich. Wut oder Angst?
Das Publikum war hier irgendwie speziell. Gestern der Langhaarige und der Junge, der vielleicht ein Rechtsradikaler war, heute der obdachlose Adlige und die Althippiefrau. Interessant!
Rosenthal, der die Szene anscheinend nicht wahrgenommen hatte, räusperte sich. „Hallo, sind Sie noch bei mir?“, erkundigte er sich mit einem ironischen Unterton.
Sie fuhr zusammen. „Oh, Entschuldigung. Ich war wohl in Gedanken.“
Ihr Gesprächspartner lachte. „Das war nicht zu übersehen. Ich habe Sie gerade gefragt, woher Sie kommen.“
Melanie erzählte von Hamburg. Sie traute sich nicht, nach Jan Wolter zu fragen, denn sie befürchtete, neugierig zu wirken.
Rosenthal half ihr. „Ist ja lustig! Sabrinas Freund, von dem ich vorhin sprach, kam ebenfalls aus Hamburg. Er hieß Jan Wolter.“ Jetzt fehlte nur noch, dass er sie fragte, ob sie den Verschollenen kenne.
„Wer ist sie?“, wechselte Melanie das Thema und zeigte mit dem Kopf in Richtung Tresen, an dem die Frau mit den Zöpfen bei Sabrina stand.
„Das ist Marion Klettke. Sie kümmert sich mit ihrem Lebensgefährten um Senioren aus der Region. Werner Mumer ist heute anscheinend nicht da. Die beiden sind richtige Alt-68er und geben sich nach wie vor so. Waren damals bei den Studentenunruhen in Frankfurt dabei und haben an der Startbahn West Steine geworfen. Allerdings haben sie die Kurve gekriegt und viel Geld verdient. Nun können sie sich ihre Spleens leisten.“ Es hörte sich wie eine einfache Feststellung an, ohne die geringste Andeutung von Neid.
Der Graf erhob sich abrupt. Langsam kam er zu ihrem Tisch, blieb stehen und beugte sich zu ihnen.
Seine Stimme klang sonor. „Na, Ralf, da hast du ja eine Hübsche gefunden. Willst du sie mir nicht vorstellen?“
Melanie befürchtete bereits, er wolle aufdringlich werden, als er lauter sprach. „Mädchen, du bist mir sympathisch. Deshalb ein Rat: Pass auf dich auf. Hier geschehen merkwürdige Dinge!“ Er zwinkerte ihr zu.
Sabrina tauchte neben ihm auf. „Lass gut sein, Siggi! Du vergraulst mir ja die Gäste.“
Der Angesprochene funkelte Melanie aus schwarzen Augen an. „Es gibt hier böse Menschen“, murmelte er.
Ruckartig wandte er sich zur Wirtin um. „Danke, mein Schatz, bis bald mal wieder.“ Plötzlich hatte er es eilig und nahm seinen Rucksack, um in wenigen Sekunden nach draußen zu verschwinden.