Читать книгу Taunusgier - Osvin Nöller - Страница 7
ОглавлениеEin Jahr zuvor
„Vergiss es! Ich nehme die Kündigung nicht an!“ Polizeidirektor Wolfgang Schuldt schob den Brief, den Melanie auf den Tisch gelegt hatte, zurück. Er deutete auf das Holster mit der Walther PPK, den Polizeiausweis und die Metallmarke, die daneben lagen.
„Nimm deinen Kram und geh zum Team. Sie erwarten ihre Leiterin bereits sehnsüchtig!“
Sie wunderte sich, wie beherrscht sie blieb, obwohl es in ihr brodelte wie in einem Topf mit kochendem Wasser. „Wolfgang, du verstehst mich anscheinend nicht! Das hier ist kein Jux! Es ist vorbei! Ich kann das nicht mehr. Nicht nachdem, was passiert ist! Mir stehen zweiundvierzig Tage Urlaub und der Ausgleich unzähliger Überstunden zu. Heute ist mein letzter Tag!“ Sie gab sich Mühe, ihn anzufunkeln.
Die Blitze schienen anzukommen. „Mel, mir ist klar, dass du eine schwere Zeit hinter dir hast. Mir liegt aber eine blitzsaubere Dienstfähigkeitsbescheinigung vor, ausdrücklich für die Verwendung beim mobilen Einsatzkommando sowie als Führungskraft. Ich habe mir den Bericht zigmal durchgelesen. Er ist absolut perfekt! Nicht der kleinste Makel. Dr. Randke schwärmt geradezu von dir!“ Er machte eine kurze Pause. „Wir brauchen dich!“
„Danke, das ehrt mich! Ist in der Realität dummerweise nicht so, wie es aussieht. Ich hab immerhin den Tod des Mannes verursacht, mit dem ich ein gemeinsames Leben verbringen wollte. Zudem hätte ich beinahe ein Kind totgefahren, weil ich unachtsam war. Ich habe die Regeln verletzt und dafür die schreckliche Quittung bekommen. Außerdem leide ich nach wie vor unter Albträumen.“ Sie holte Luft. „Okay, nicht mehr jede Nacht, sondern, wenn ich Glück hab, nur ein- bis zweimal im Monat. Was für ein Wahnsinnserfolg! Wolfgang, der Dienst im MEK ist keine Option! Ich wäre eine unberechenbare Gefahr für sämtliche Kollegen, die Vertrauen zu mir haben! Ein anderer Job kommt auch nicht in Frage. Da würde ich unglücklich werden. Versteh das doch.“ Sie erhob sich. „So, genug der Rede, akzeptiere die Kündigung. Ich geh zur Mannschaft und informiere sie.“ Es war, als sei eine unerträgliche Last von ihr abgefallen.
In Schuldts Miene spiegelte sich mit einem Mal Entsetzen. „Es ist dir tatsächlich ernst damit. Ist das dein letztes Wort?“ Er sprang auf. „Du bist die Beste, die wir haben! Gehst immer voraus, zögerst nie. Warum gibst du auf? Das kann ich nicht glauben! Das Disziplinarverfahren wurde niedergeschlagen und die Klage von Eriks Eltern gegen dich abgewiesen. Du bist erst vierunddreißig und hast eine blendende Karriere vor dir. Weshalb willst du das alles wegschmeißen?“
„Das nennt man Vernunft, Wolfgang. Ich habe die Pflicht, euch, genauso wie mich, zu schützen.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Es würde mir viel bedeuten, wenn du bei meinem Abschiedsumtrunk dabei wärst!“