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16. November

­Martin ­Schubert heftete die Tatortfotos an eine breite Pinnwand. Er dachte nach.

Nicht das Geringste hatte darauf hingedeutet, ­Jühlich könne in Gefahr sein. Demnach hatte es keinen Grund gegeben, Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Natürlich legten verschiedene Medien bei ihrer Berichterstattung den Finger in diese vermeintliche Wunde. Ihn ließ das kalt. In den vergangenen Jahren hatte er sich ein dickes Fell zugelegt.

Er betrachtete das Foto mit dem tot im Rollstuhl sitzenden Juwelier. Es wirkte wie eine Hinrichtung. Das passte zu einer Zeugenaussage, dass ein groß gewachsener Mann über den Hölderlinpfad auf sein Opfer zugeeilt war. Er habe ihm einen Gegenstand in den Nacken gehalten und sei auf demselben Weg verschwunden. Der Zeuge vermochte leider nur eine sehr unzureichende Täterbeschreibung abzugeben. Er erinnerte sich einzig an eine ins Gesicht gezogene Kapuze.

­Sandro betrat mit zwei Tassen und einem unter die Achsel geklemmten Schnellhefter den Raum.

Er stellte einen Kaffee auf den Schreibtisch. „Guten Morgen. Dachte mir, du könntest etwas Koffein vertragen.“

„Danke dir.“ ­Martin zeigte auf den Ordner. „Gibt es etwas Neues?“

„Ja, der Bericht des Rechtsmediziners liegt bereits vor. ­Jühlich wurde durch einen Genickschuss getötet. Es handelt sich um ein Hohlspitzgeschoss vom Kaliber 9 mm. Die Kriminaltechnik hat die Kugel in der Nähe des Springbrunnens gefunden. Interessant ist, dass sein Körper mit unzähligen Hämatomen übersät war.“

­Martin stutzte. „Wurde er geschlagen?“

­Sandro nickte und reichte dem Kollegen ein Bild. „Sieht so aus. Der Rechtsmediziner geht davon aus, dass er regelrecht zusammengeschlagen wurde. Allerdings nur am Oberkörper, dort aber systematisch. Das Gesicht zeigt keine Spuren. Das Ganze geschah laut dem Bericht schon vor sieben bis zehn Tagen.“

­Martin heftete das Foto an die Wand und ging zum Schreibtisch, wo er einen großen Schluck aus der Kaffeetasse nahm. „Interessant. Erst verprügelt, dann angeschossen und schließlich getötet. Schon heftig. Passt die gestrige Kugel zum Überfall?“

­Sandro setzte sich auf seinen Stuhl. „Das klärt gerade die Ballistik.“

„Was ist mit Frau ­Jühlich? Konnte sie zwischenzeitlich vernommen werden?“

­Sandro lehnte sich zurück. „Ja, der Arzt hat Sarah am späten Abend zu ihr gelassen. Die Frau scheint ziemlich fertig gewesen zu sein. Sie hat wohl ihren Mann in der Nähe der Storchenparkplätze kurz geparkt, weil sie ihre Jacke in der Klinik vergessen hatte. Es gibt keinen Zweifel daran, dass sie zur Tatzeit im Krankenhaus war.“

­Martin überlegte. „Der Täter wusste genau, wann ­Jühlich entlassen wurde. Wir müssen klären, wer diese Info hatte.“

­Sandro ließ die Mappe auf den Tisch fallen. „Sind wir dran. Felix kümmert sich darum. Außerdem sucht die Kriminaltechnik auf dem Parkplatz am Tierfriedhof nach Spuren, dort, wo der Hölderlinpfad in einen Landwirtschaftsweg mündet.“

­Martin zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. Leicht genervt hob er den Hörer ab.

„Hallo, eine Frau ­Dörling ist für euch da“, teilte der Kollege am Informationsschalter mit. „Ich habe sie in den Vernehmungsraum 1 gesetzt.“ Die Angestellte aus dem Juweliergeschäft hatte er total vergessen. „Prima, danke.“

Er legte auf und wandte sich wieder an ­Sandro. „Die ­Dörling ist da. Dann wollen wir ihr mal auf den Zahn fühlen. Vielleicht verrät sie uns ja, wer den Überfall begangen hat …“ Er hielt kurz inne. „… und vielleicht unser Todesschütze ist.“

Die Tür flog auf. Sarah Schwenke und Felix ­Hummer schossen ins Zimmer.

„Wir wissen, wer den Laden überfallen hat“, sprudelte sie los. „Die ­Gramberg hatte recht. ­Simone ­Dörling kennt den Täter!“

„Außerdem haben wir die Tatwaffe vom Tötungsdelikt“, meldete sich Felix.

­Martin runzelte die Stirn. Er hasste Hektik. „Guten Morgen erst einmal und dann eins nach dem anderen! Sarah, du zuerst.“

Sie errötete. „Morgen. Also, wir haben doch die Strumpfmaske mit einer DNA-Spur in einem Mülleimer im Kurhaus gefunden. Diese konnte zugeordnet werden. Sie gehört zu Nico ­Dörling, der wegen Drogenhandel registriert ist und deswegen verurteilt wurde.“ Sie schwieg eine Sekunde. „Er ist der Sohn der Angestellten ­Simone ­Dörling!“, schob sie mit triumphalem Tonfall nach.

­Martin sprang auf. „Super! Dann wollen wir die Dame fragen, was sie dazu zu sagen hat.“ Er sah Felix an. „Was ist mit der Tatwaffe?“

„Vor wenigen Minuten erschien unten ein merkwürdiger Kauz und hat eine Walther P 99 auf den Tresen des Infoschalters gelegt. Er hat die Waffe angeblich auf dem Grab seiner Bella gefunden.“

­Martin kniff die Augen zusammen. „Seiner was?“

„Na, seiner Hündin. Die liegt auf dem Tierfriedhof am Krankenhaus und auf dem Grab …“

„Okay, habe ich verstanden“, unterbrach ihn der Hauptkommissar. „Wir teilen uns jetzt auf. Felix und ich vernehmen die ­Dörling.“ Er sah ­Sandro an. „Du und Sarah nehmt euch den Tierfreund vor. Los geht’s!“

***

„Möchtest du noch einen Kaffee?“ Siggi setzte sich zu ­Melanie an den Stammtisch im Silbernen Bein.

„Nein, danke, mein Herz bubbert jetzt schon wie verrückt.“ Sie steckte das letzte Stück ihres Brötchens in den Mund. Als er sie am Morgen angerufen und zum Frühstück eingeladen hatte, war sie vor allem dankbar gewesen, nicht allein sein zu müssen.

„Was willst du wegen der neuen Drohmail unternehmen?“

Sie verzog das Gesicht. „Weiß ich noch nicht. Ich überlege, zu ­Wolrich zu gehen. Mit dem kann ich ganz gut. Vielleicht nimmt der das ernst.“

Siggi schaute sie direkt an. „Soll ich mitkommen?“

Sie bedachte ihn mit einem warmen Blick. „Das wäre super. Lass mich dir aber noch erzählen, was mich seit gestern Abend umtreibt. Langsam glaube ich, ich leide unter Verfolgungswahn.“

Sie berichtete kurz von ihrem Gefühl, ein ungebetener Gast könnte am Vortag in der Wohnung gewesen sein. „Ich bin eigentlich ganz sicher, das Notebook am Vorabend ausgeschaltet zu haben.“

Siggi runzelte die Stirn. „Eigentlich?“

„Das ist es ja. Ich bin mir sicher, eine Sekunde später aber nicht mehr. Ich bin zigmal durch die Zimmer gegangen. Es gibt nicht das geringste Anzeichen für einen Einbruch. Auch nicht am Schloss der Eingangstür. Es fehlt nichts. Außerdem ist mir schleierhaft, warum jemand meinen Computer hochfahren sollte, aber nicht klaut. Er ist außerdem mit einem Passwort geschützt.“

Siggi stand auf und räumte das Geschirr zusammen. „Schon merkwürdig“, gab er zu. „Was hast du heute vor?“

„Nichts Besonderes. Ich hab nachher einen Termin bei einem kleinen Unternehmen in Friedrichsdorf. Die vermuten, dass ein Mitarbeiter Daten an die Konkurrenz weitergibt. Ich weiß noch nichts Genaues, lass mich mal überraschen.“

Ihr Smartphone klingelte. Nadine Gissel. Was wollte die Redakteurin des Taunusblicks von ihr? Sie drückte das Gespräch weg. Einen kurzen Moment später meldete das Handy den Eingang einer Nachricht.


­Melanie klickte das Foto an, das an der Mitteilung hing. Sie klammerte sich an ihren Stuhl, weil die Welt zu schwanken begann.

***

Der Mann mochte um die siebzig sein. ­Sandro und Sarah begrüßten ihn und stellten sich vor. Der Zeuge sprang auf. ­Sandro befürchtete beinahe, er würde die Hacken zusammenschlagen.

„Guten Morgen, Herr Kommissar. Täuber mein Name.“ Sarah schien er nicht zu bemerken. „Habe ich das richtig gemacht, dass ich die Waffe mitgebracht habe, oder hätte ich Sie zum Friedhof rufen müssen?“

­Sandro seufzte innerlich. Das versprach heiter zu werden. Eine solche Vernehmung hatte ihm gerade noch gefehlt. Zum Glück kamen die nicht so oft vor. „Alles gut, Herr Täuber, setzen Sie sich bitte.“

Sarah und er nahmen gegenüber Platz. Selbstverständlich wäre es richtig gewesen, die Polizei zum Fundort zu rufen, aber diese Diskussion ersparte er sich. Die Kriminaltechnik war ohnehin auf dem Weg zum Tierfriedhof. Allerdings befürchtete er, dass der Alte die Spurenlage verändert hatte.

„Haben Sie die Waffe mit bloßen Händen angefasst?“

Täuber setzte einen empörten Gesichtsausdruck auf. „Wo denken Sie hin, Herr Kommissar? Ich verpasse keine Tatortfolge und schaue auch meist die Soko-Serien im ZDF. Da weiß ich doch, wie man sich verhalten muss, wenn man eine Tatwaffe findet. Ich habe das gute Stück natürlich vorsichtig mit einem Taschentuch genommen.“ Er holte ein großes Stofftuch aus der Hosentasche und breitete es auf dem Tisch aus.

­Sandro glaubte zu spinnen. Warum hatte der selbsternannte Fachmann bei dem grandiosen Expertenwissen die Waffe nicht liegen lassen? „Stopp, das können Sie einpacken. Wir brauchen es nicht. Erzählen Sie bitte, wie und wo Sie die Schusswaffe gefunden haben.“

Der Zeuge schien enttäuscht zu sein und verstaute das Tuch wieder in der Tasche. Er erzählte, dass er am Morgen gegen 9 Uhr am Grab seiner Hündin eingetroffen sei, das sich rechts vom Eingang in der zweiten Reihe befände. Er habe dort die Waffe sofort entdeckt und, wie er es ausdrückte, sichergestellt. Er gehe jeden Tag zweimal zum Friedhof, schon seit einem Jahr. Solange sei die Bella tot.

„Ich wusste gleich, dass damit der Juwelier getötet wurde!“

­Sandro konzentrierte sich auf die Atmung. „Wie kommen Sie zu dieser Erkenntnis?“, erkundigte er sich so ruhig, wie es ihm möglich war.

„Na, ich habe doch gelesen, dass der nur ein paar Meter weiter erschossen worden ist. Wäre ein komischer Zufall, wenn ein ­Revolver da rumliegen würde, der mit dem Mord nichts zu tun hat. Das müssen Sie zugeben.“ Auf seinem Gesicht erschien ein strahlendes Lächeln. „Außerdem hab ich den Täter gesehen!“

­Sandro glaubte, sich verhört zu haben. „Wie jetzt? Heute Morgen?“

Täuber schüttelte den Kopf. „Nein, gestern Nachmittag, kurz nach 17 Uhr, als ich auch da war.“

Nun wurde es spannend. „Erzählen Sie!“

„Na, als ich auf dem Parkplatz aus meinem Auto ausgestiegen bin, stand da ein Motorrad. Auf dem Friedhof war aber niemand. Also habe ich mich ein bisschen umgesehen. Und da saß ein Mann auf der Bank am Fahrradweg.“

­Sandro stellten sich die Nackenhaare auf. Sarah hatte aufgehört, zu schreiben. „Können Sie den Mann beschreiben? Größe, Alter, Kleidung?“

Der Besucher überlegte. „Er war groß, sehr groß. Er trug eine schwarze Lederkombi und schwarze Motorradstiefel. Leider hatte er einen Helm auf. Deshalb konnte ich das Gesicht nicht sehen.“

„Noch etwas, was Ihnen dazu einfällt? Woher wissen Sie, dass die Person männlich war?“

„Das war mir sofort klar! Sie hätten die Maschine sehen sollen. Das war eine BMW K 1600 B. Die ist viel zu schwer für eine Frau.“ Er sah kurz zu Sarah, die sich wieder Notizen machte. „Wissen Sie, Motorräder sind mein Hobby. Ich bin selbst Jahrzehnte lang gefahren. Ich hatte viele Jahre …“

„Prima“, unterbrach ­Sandro ihn, bevor der Typ seine Lebensgeschichte erzählen konnte, erntete dafür allerdings einen vorwurfsvollen Blick.

„Können Sie noch was zu dem Mann auf der Bank sagen?“

„Nur soviel, dass er dort noch saß, als ich ein paar Minuten später weggefahren bin. Wissen Sie, ich hab nur schnell einen Blumenstrauß zum Grab gebracht. Mehr kann ich zu dem Kerl nicht sagen. Ich bin dreiundachtzig. Meine Augen sind auch nicht mehr so gut, und ich hatte dummerweise meine Brille daheim vergessen.“

Hatte Täuber nicht anfangs gesagt, er sei mit dem Auto gekommen? ­Sandro seufzte. Was war nach dieser Mitteilung von der Aussage zu halten?

***

­Melanie starrte auf den Artikel der Boulevardzeitung BLITZ, die sie normalerweise mied.


Siggi nahm sie in den Arm. Noch immer hoffte sie, gleich aufzuwachen. Es handelte sich jedoch leider um die brutale Realität. Pascal ­Wolter hatte sich ganz offenkundig ein perfides Spiel ausgedacht.

Es würde nicht schwer sein, herauszufinden, wer sich hinter ­Melanie G. verbarg. Nadine Gissel war dies bereits gelungen. Die Medien würden über sie herfallen. Kein Mensch würde ihr in Zukunft vertrauen, geschweige denn, ihr Aufträge geben.

„Mel“, sagte Siggi, „du musst den Spuk so schnell wie möglich beenden! Geh sofort zu einem Anwalt, damit der eine einstweilige Verfügung gegen das Schmierblatt erwirken kann und zeig ­Wolter an. Ruf ­Wolrich jetzt direkt an. Ich stehe an deiner Seite!“

***

­Sandro kam am Nachmittag als letzter zur Teambesprechung ins Büro.

­Martin nickte ihm zu. „Sarah hat gerade von eurem skurrilen Zeugen berichtet. Gut, dass ich mir das nicht im Original anhören musste. Respekt, ich wäre nicht so beherrscht geblieben.“

­Sandro setzte sich an den Besprechungstisch. „Danke für die Blumen. War auch irgendwie lustig. Falls es stimmt, dass der Motorradfahrer unser Täter ist, wissen wir jetzt ein bisschen was über ihn. Oder auch nicht, denn die Situation ist nicht eindeutig.“ Ihn amüsierten die fragenden Gesichter der Kollegen.

„Jetzt mach’s nicht so spannend“, forderte ­Martin ihn auf. „Du weißt doch mehr als wir, oder?“

­Sandro lächelte und genoss den Auftritt. „Tja, wie soll ich es ausdrücken? Ich könnte euch sagen, wer der Mörder ist, wenn, ja wenn es den Zeugen Täuber nicht gäbe.“ Er öffnete eine Mappe und erfreute sich an den irritierten Mienen. „Ich komme gerade aus der Kriminaltechnik. Deshalb bin ich auch ein paar Minuten zu spät. Also, die Fingerabdrücke auf der Walther P 99 vom Tierfriedhof stammen eindeutig von Nico ­Dörling. Die Jungs haben die gefundenen Patronen am Krankenhaus und beim Überfall dieser Waffe zugeordnet. Normalerweise läge es damit auf der Hand, dass er nicht nur das Juweliergeschäft überfallen, sondern auch ­Jühlich getötet hat.“

„Was heißt normalerweise?“, meldete sich Felix.

„Tja, ich habe aufgrund von Täubers Aussage recherchiert, ob ­Dörling ein Motorrad angemeldet hat. Fehlanzeige.“ Er verschränkte die Arme.

Martins Stimme klang ungeduldig. „Muss nichts bedeuten. Er könnte sich eins geliehen haben.“

­Sandro grinste. „Wäre ziemlich blöd von ihm. Er besitzt nämlich gar keine Fahrerlaubnis, um eine solche Maschine zu fahren.“

­Martin gab nicht auf. „Dann saß der Biker am Friedhof eben nur zufällig auf der Bank. Wichtiger erscheint mir aber, herauszufinden, wie ­Dörling wissen konnte, dass ­Jühlich an dem Tag entlassen wurde.“

„Da kann ich vielleicht helfen“, warf Felix ein. „Wir haben den Mitarbeiter der Telefonzentrale befragt, der an dem Tag Dienst hatte. Er kann sich an einen merkwürdigen Anruf am Nachmittag erinnern. Ein Mann, der ziemlich durcheinander klang, erkundigte sich nach ­Jühlich. Zu der Zeit war bereits absehbar, dass der das Krankenhaus am späten Nachmittag verlassen würde. Der Mitarbeiter ist sicher, dass er das dem Anrufer auch mitgeteilt hat. Ich habe deshalb die Herausgabe der Telefonliste beantragt.“

­Schubert hob die Augenbrauen. „Prima. Wieso kann sich der Angestellte an diesen Anruf so genau erinnern?“

Felix nickte. „Das habe ich ihn auch gefragt. Er meinte, der Mann sei sehr nervös gewesen und habe mitten im Gespräch aufgelegt. Außerdem sei in der Klinik an dem Tag der Überfall auf den Juwelier das Thema gewesen. So habe er auch erfahren, dass sich ­Jühlich selbst entlassen wollte.“

„Das ergibt noch keinen Sinn“, schaltete sich Sarah ein. „Nehmen wir an, der Anrufer war tatsächlich ­Dörling. Dann wusste er immer noch nicht, ob, und vor allem wann genau der Juwelier die Klinik verlassen würde. Warum sollte er sich auf die Bank am Friedhof setzen, von der aus man überhaupt nichts mitbekommt. Da wäre es doch viel logischer, den Ausgang zu beobachten.“

­Martin streckte den Daumen in die Höhe. „Genau. Ich glaube, der Biker war nur zufällig da.“ Er schien zu überlegen. „Es sei denn, es gibt einen Komplizen, der ihn im richtigen Moment angerufen hat.“ Er seufzte. „Leute, es passt noch nicht so richtig zusammen. Wir müssen ­Dörling fassen.“

­Sandro hatte genug von den Spekulationen und wechselte das Thema. „Was hat eigentlich die Mutter in der Vernehmung gesagt?

­Martin verzog das Gesicht. „Wenig! Das hätten wir uns sparen können. Sie hat immer nur behauptet, wir würden uns irren, weil ihr Sohn keiner Fliege was zu Leide tun könne. Selbst den Überfall könne er unmöglich begangen haben. Nach ihrem Vortrag hatte ich das Gefühl, dass wir einen Heiligen verdächtigen. Nur eins war interessant: Sie erzählte von einem heftigen Streit zwischen ­Jühlich und Maike Erler vor ein paar Tagen. Dabei soll die Angestellte ihrem Chef gedroht haben. Dem müssen wir nachgehen.“

Die Tür öffnete sich und Heiko ­Pränger betrat den Raum.

Martins Miene verfinsterte sich schlagartig. „Heiko, das ist ein internes Gespräch.“ Er schien Mühe zu haben, einen ruhigen Ton zu treffen. „Das dauert noch ein paar Minuten. Warte am besten in meinem Büro auf mich.“

­Pränger lächelte. „Nur ganz kurz. Dann bin ich auch schon wieder weg. Ich habe gehört, ­Jühlich ist tot. Habt ihr den Täter?“

Der Kerl war ja bestens informiert und sofort zur Stelle, fuhr es ­Sandro durch den Kopf.

„Nein, nur einen Verdacht“, gab ­Martin missmutig zu. Er hielt inne. Der Ton seiner Stimme wechselte mit einem Mal ins Sarkastische. „Vielleicht wurde ­Jühlich ja ein Opfer deiner Diamantenschmuggler und du willst die Mordermittlung gleich mitübernehmen?“

­Pränger lachte schallend. „Das könnte euch so passen. Nein, mein Lieber, der Überfall und der Mord haben mit meinen Ermittlungen nichts zu tun. Für mich liegt die Lösung des Falls vor mir wie ein offenes Buch.“

­Sandro befürchtete, dass Martins Halsschlagader jeden Moment platzte.

­Pränger dozierte unbeirrt weiter. „Für mich ist klar, dass der Täter den Juwelier kannte und ihn nun ausgeschaltet hat, damit er ihn nicht verraten kann.“

„Super, Herr Kollege.“ Martins Stimme zitterte. „Es ist doch immer wieder gut, zu wissen, dass es in Wiesbaden dermaßen schlaue Beamte gibt. Wenn wir euch nicht hätten!“ Er holte tief Luft. „Du gehst jetzt besser und kümmerst dich um deinen Mist.“

­Pränger breitete die Arme aus. „Nur die Ruhe. Nicht, dass du einen Herzkasper bekommst.“ Er lachte schallend und verließ provozierend langsam den Raum.

­Martin schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. „Das nächste Mal haue ich ihm in die Fresse!“

Eine ausgezeichnete Idee, fand ­Sandro. Er würde im Zweifel wegschauen.

Taunusschuld

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