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Die Welt
ОглавлениеIch möchte drei Worte aus diesem Motto herausgreifen und sie eins nach dem andern besonders beleuchten. Ich fange bei dem letzten Wort an, die »Welt«. »Die höchste Aufgabe der Gemeinde ist die Evangelisierung der Welt.« Als Gott liebte, da liebte Er eine Welt. Als Er Seinen Sohn dahingab, da gab Er Seinen Sohn für eine Welt. Als Jesus Christus starb, da starb Er für eine Welt. Gott hat die ganze Welt im Auge, und darauf soll auch unser Blick ausgerichtet sein.
So viele von uns haben einen eng begrenzten Blick. Wir sehen nur unseren eigenen Sprengel, unser eigenes Dorf oder unsere Stadt und nichts darüber hinaus. Es gibt solche Leute, die nur an ihre eigene Kirche oder Gemeinschaft denken und nicht das geringste Interesse für andere und ihre Arbeit aufbringen. Es gibt auch Menschen mit einem weiten Blick. Vor ihrem geistigen Auge steht eine ganze Stadt oder eine Provinz, und sie sind bereit, ihr Leben und ihre Arbeit für die Evangelisation dieses Gebietes einzusetzen. Doch auch sie haben noch Scheuklappen an, sie schauen niemals weiter über die Grenzen ihrer Stadt oder Provinz hinaus. Dann gibt es aber auch noch Menschen mit einem weiteren Herzen; sie denken an ein ganzes Land und wollen sich für die Evangelisationsarbeit dieses Landes einsetzen. Doch auch ihr Blickfeld ist noch begrenzt; denn sie sehen niemals über die Grenzen des Landes hinaus, in dem sie leben. Es gibt auch Leute, deren Blick noch weiter reicht. Vor ihrem geistigen Auge steht ein ganzer Kontinent, und sie wollen mit allen Kräften an der Evangelisierung ihres Kontinentes arbeiten. Doch ist auch ihr Blick noch örtlich begrenzt; denn sie machen an den Grenzen ihres Kontinents halt. Dann gibt es aber auch noch Menschen, auf denen die Verantwortung für eine ganze Welt lastet. Sie sehen Europa, Asien, Afrika, Nord- und Südamerika und alle Inseln im Meer. Sie schauen die Sache mit Gottes Augen an, und Er will, dass wir diese Blickrichtung haben sollen: einen Blick für die ganze Welt.
Wie kommt es nur, dass so viele von uns solch einen eng begrenzten Horizont haben? Warum denken wir nur an uns selbst? Liegt Gott denn an den Schwarzen, die hier wohnen, mehr als an den Gelben, die weit dort drüben leben? Bekümmert Er sich um jene braunen Leute mehr als um die weißen? Liegt es in unserer Kurzsichtigkeit begründet, dass wir uns keinen Blick für die ganze Welt schenken lassen? Als ich bei meiner Abreise von Jamaika ins Flugzeug stieg, sah ich zuerst nur die allernächste Umgebung. Als wir höher stiegen, sah ich Felder und Bauerngehöfte. Als wir noch höher waren, konnte ich in der Ferne Täler und Gebirge erkennen. Endlich konnte ich auf die Insel Jamaika herabschauen, die wie ein Juwel im Busen des Karibischen Meeres lag, und wenn unser Flugzeug nun noch höher gestiegen wäre, so hätte ich mit einem einzigen Blick alle Westindischen Inseln sehen können.
Gott kann von Seiner erhabenen Stellung aus auf eine ganze Welt herabschauen und zur gleichen Zeit jedes Land, jeden Kontinent und jedes Inselchen sehen. Wenn wir nur den genügenden Abstand nehmen könnten, dann sähen wir die Welt so, wie Jesus sie sah. Aber einige von uns sind niemals gereist und haben auch nie denen zugehört, die weit herumgekommen sind. Wir lernen keine Geografie. Wir wissen nur wenig von dem, was sich außerhalb von unserem Blickfeld zuträgt.
Woher kommt es nur, dass wir uns für das patente Volk halten, dem eine weitaus größere Bedeutung zukommt als irgendeinem anderen Volk der Welt? Ich kann kommen, wohin ich will, überall stoße ich auf die gleiche Überzeugung. Als ich in Großbritannien war, fand ich die gleiche Meinung: »Wir sind das Volk.« Als ich nach Australien und Neuseeland kam, genau dieselbe Geschichte: »Wir sind das Volk.« Wenn ich durch die Vereinigten Staaten fahre, kann ich es von allen Seiten hören: »Auf uns kommt’s an, wir sind das Volk.« Ich war einmal auf einer winzig kleinen Insel im Pazifischen Ozean, und selbst da sagten die Eingeborenen zu mir: »Wir sind die Leute, die allein zählen.« In ihrer Unterhaltung mit mir hieß es ungefähr so: »Wie kommt es nur, dass ihr Amerikaner so weit abseits wohnen müsst, gerade noch an der äußersten Grenze der Zivilisation? Warum wohnt ihr nicht näher bei dem Zentrum aller Dinge?« Ihre Meinung war die, dass wir Briten und Amerikaner gerade noch an dem allerletzten Zipfel der Zivilisation hängen und sie, diese Eingeborenen auf dem Inselchen im Pazifischen Ozean, im Angelpunkt der Welt leben. Die Schwierigkeit liegt eben darin, dass ihr Blick viel zu örtlich begrenzt war, sie hatten keine Weltperspektive. Sie hielten sich für das Volk der Welt, das allein die ausschlaggebende Bedeutung besitze.
Ob wir uns wohl deshalb für besonders wichtig halten, weil wir vielleicht glauben, zahlenmäßig die stärkste Nation zu sein? Manchen von uns ist die Tatsache wohl nicht ganz bewusst geworden, dass es auf der Welt noch andere Nationen mit größerer Bevölkerungszahl gibt, dass wir nicht die einzigen Edelsteine in der Krone der Schöpfung sind.
Ich war in Niederländisch-Ostindien und bereiste die Insel Java. In etwa zwölf Stunden konnte ich sie von einem Ende zum andern durchqueren und von Norden nach Süden etwa in vier Stunden. Ob man es mir wohl glaubt, dass Java zu den Gebieten mit der größten Bevölkerungsdichte der Erdoberfläche gehört? Auf dieser kleinen Insel leben fünfzig Millionen Menschen. Man könnte Java fünfzehnmal in Kanada hineinstecken und dabei noch viel Platz übrig behalten, und doch hat Java fast ein Drittel der Bevölkerungszahl der Vereinigten Staaten. Wenn Gott ein Interesse an Zahlen hätte, dann müsste Ihm Java bestimmt mehr am Herzen liegen als mein Vaterland, das Dominion Kanada; denn den achtzehn Millionen Einwohnern von Kanada stehen, wie bereits erwähnt, fünfzig Millionen in Java gegenüber.
Wäre Gott an Zahlen interessiert, dann müsste Ihm an den Vereinigten Staaten mehr liegen als an Java; denn wenn Java auch fünfzig Millionen Einwohner hat, so sind es doch in den Vereinigten Staaten von Amerika einhundertundachtzig Millionen. Und wiederum, sollte Gott ein Interesse an Zahlen haben, so müsste Er mehr Anteil an Russland als an den Vereinigten Staaten nehmen; denn den einhundertundachtzig Millionen Einwohnern der Vereinigten Staaten stehen zweihundert Millionen in Russland gegenüber. Russland ist mit seinen zweihundert Millionen Einwohnern die größte weiße Nation auf der Erdoberfläche. Und doch, sollte Gott an Zahlen interessiert sein, dann müsste Er Indien noch lieber als Russland haben; denn wenn Russland auch zweihundert Millionen Einwohner hat, so gibt es doch in Indien vierhundert Millionen Einwohner, also genau doppelt so viel. Aber nun noch eins zum Schluss: Sollte Gott wirklich an Zahlen interessiert sein, dann müsste Ihn China noch mehr als Indien interessieren; denn wenn auch in Indien vierhundert Millionen Menschen leben, so sind doch in China siebenhundert Millionen Menschen. China ist die größte Nation der Welt. Jedes vierte Kind, das auf dieser Welt geboren wird, ist ein Chinese. Irgendjemand hat einmal gesagt: »Gott muss doch die Chinesen sehr lieb haben, weil Er sie so zahlreich erschaffen hat.«
Vom zahlenmäßigen Standpunkt aus gesehen ist mein Vaterland, das Dominion Kanada, nur wie eine Stecknadel auf der Landkarte. Und wenn die Fluten des Atlantischen und des Pazifischen Ozeans sich über Nacht erheben würden und Kanada überschwemmten, dann wäre am andern Morgen nach meiner Schätzung in den amerikanischen Zeitungen eine 2,5 cm breite Notiz zu lesen, die besagen würde: »Gestern abend ist Kanada aus der Völkerfamilie verschwunden.« Gerade so viel sind wir wert, nicht mehr. Wenn es auf die Zahlen ankommt, dann beläuft sich unser Wert nicht sehr hoch. Warum sollten wir uns selbst denn dann noch als das Volk betrachten? Warum sollten wir in unserer Ansicht so engstirnig sein? Warum sollten wir uns für wichtiger halten als irgendein anderes Volk auf dem weiten Erdenrund? Warum sollte Gott an uns mehr interessiert sein als an anderen Nationen? O dass Er uns einen weiten Blick schenken möge, dass wir die Welt mit Seinen Augen sähen, damit wir für die Evangelisierung der ganzen Welt arbeiteten, der Welt, für die Christus starb. Ach, dass wir die Welt so sehen möchten, wie Er sie sieht!