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AIGUES MORTES – nach 38 Jahren frei.

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Das Hotel ‚Jules César’ in Arles ideal. Die Barockkirche nebenan, wenn die Not am größten. Ein Palmengarten mit Pool hinter dem Haus, wenn es uns zu heiß wird. Eine blumige Terrasse davor, um sonnige Mittage, warme Abende zu feiern. Vor allem aber idealer Ausgangspunkt für unsere Fahrten in die Camargue.

Weiter nach Aigues Mortes. Wo im 12. Jahrhundert der zweite Kreuzzug startete. Ein glühender Bernhard von Clairveaux konnte sogar den französischen König Ludwig VI. und den deutschen Kaiser Konrad II. zum Mitmachen bewegen. Jerusalem von den Heiden zu befreien. Motto: Dieu le veut. Gott will es. Abmarsch in Aigues Mortes. Per Schiff.

Heute sehen wir die befestigte Anlage wie sie war. Gemischtes Gefühl beim Anblick mittelalterlicher Mauern. Geschichten drängen sich auf. Wir rätseln über einen heute nicht mehr nachvollziehbaren Enthusiasmus. Leben zu opfern für einen Unsichtbaren.

Spazieren über die fast zwei Kilometer lange Stadtmauer. Spähen zwischen die Zinnen, Feind in Sicht? Klettern in den finsteren Tour de Constance. Suchen auf dem steinernen Rand des Beobachtungsloches einer Zelle das berühmte, eingeritzte RECISTER. Das S in RESISTE, gleich widerstehe, durch ein nichtssagendes C zu ersetzen, rettete Marie Durand das Leben. Ersparte nicht die Kerkerhaft. 1685 wurde die Fünfzehnjährige mit anderen Mädchen eingelocht, weil sie ihrem protestantischen Glauben nicht abschwören wollte.

Achtunddreißig Jahre später inspizierte der Gouverneur des Languedoc die Anlage. Sah die mittlerweile Dreiundfünfzigjährige. Tief erschüttert liess er sie frei. Und die noch lebenden Glaubensgenossinnen. Sie muss auf ihn wie eine Heilige gewirkt haben. Heimkehrerfrauen können das nachfühlen. Die von Bautzenhäftlingen auch, als die Mauer fiel.

Zu den weißen Pferden fahren wir, in die Camargue. Der Naturpark lockt mit Tamariskenwäldern, vielen Tieren dieses wasserreichen Landstrichs. In den weit geöffneten Armen der Rhône. „Komm, ich will den Biber sehen.“ Nehme meine Kamera mit. Schieße einige der schönsten Fotos überhaupt. Rose winkt den Störchen zu, als sie abheben. Rose bückt sich zum Biber, der unseren Weg kreuzt. Rutsch flutsch ins Wasser entfleucht. Rose in Gelbgrünockergestreift inmitten gelbgrünockerstreifigem Schilf.

Rosa Flamingos sind da zuhause. Nirgends sahen wir solche Heerscharen. Viele stehen auf einem Bein. Halten das andere am warmen Leib, damit es nicht friert. Wenn´s kühl ist. Mal links. Mal rechts. Solange sie leben. Auf welchem machen sie wohl Liebe? Ist das vielleicht ausschlaggebend für den Nachwuchs? Haben Linkssteher oder Rechtssteher größere Chancen?

Les Saintes-Marie-de-la-Mer überlassen wir den Zigeunern. Den Gitan, spanischen Roma. Sie wallfahren zu ihrer Schutzpatronin Sarah. Dienerin der beiden Marien, die laut Legende dort landeten. Sarahs Gebeine fand man angeblich Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Ort wurde Wallfahrtsstätte. Für Christen, vor allem für die tiefgläubigen Zigeuner.

Sie kommen aus ganz Europa. In ihren amerikanischen Straßenkreuzern. Wohnmobilen. Die festliche Garderobe gewaschen, gebügelt am Haken. Vor der Reliquie ihrer Sarah zu beten. Die dunkelhäutige Statue noch schöner zu schmücken. Mit kostbaren Gewändern, Ketten und Ringen. Jedes Jahr muss sie noch bunter aussehen. Zeichen ihrer Liebe. Zeichen ihres Glaubens an ein Leben nach dem Tod.

Rose: „Ich las, sie feiern danach ausgelassen Wiedersehen. Nach einem Jahr oder länger. Einig in der Vorstellung, ein auserlesenes Volk zu sein. Immer unterwegs. Nie zuhause. Wie die Juden. Die Nazis ermordeten die einen wie die anderen. Jeder Mai ist ein Auferstehungsmonat.“ „Möchte einmal ein solches Fest erleben. Ob es unser Bild von Romas korrigiert? Es soll zuletzt zu Tumulten und Schlägereien gekommen sein. Kein Wunder bei Unbehausten.“

Grau gewordene weiße Pferde stehen gelangweilt unter den Persennings. Reiben ihre Hälse an den Brettern des Zauns. Wiehern selten. Wir haben diesmal keine Lust zu reiten. Oder kutschiert zu werden. Laufen lieber. Bewegen unsere automüden Glieder. Atmen die salzige Luft.

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