Читать книгу Das Wunder der Heilung - Patric Pedrazzoli - Страница 12

Die Reise an die Quelle des Ganges

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Einige Tage nach unserem Bad im Ganges zog es mich hinauf in den Himalaya, an die Quelle des Ganges nach Kedernath, einem heiligen Platz Shivas, von da kann man den circa zehn Kilometer langen Bergweg hinauf zur Quelle laufen, zum Gletschertor Gaumukh, wo der Ganges aus dem Eis eines Gletschers entspringt. Meine drei Weggefährten – Paolo, Hanuman und auch Pati – kamen mit und wir fuhren zuerst mit einem Postjeep einige Stunden in den Himalaya. Schon die Fahrt diese engen Straßen hinauf war ein großes Abenteuer. Aufgrund der Kumbh Mela waren enorm viele Pilger in Bussen, Vans und Privatautos, mit dem Fahrrad und auch zu Fuß unterwegs. Unser Schlafplatz am Abend war eine kleine Pilgerpension mit einer warmen Quelle. Wir badeten noch ein wenig und gingen danach schlafen.

Mitten in der Nacht erwachte ich und hörte eine Stimme meinen Namen rufen. Ich hatte keine Angst, obwohl ich sie nicht kannte, war es eine mir sehr vertraute Stimme. Ich verließ mein Zimmer und ging zu der warmen Quelle, dort stand ein leuchtender Mann. Aus allen Poren seines Körpers floss Licht. Er sprach eine Weile mit mir und gab mir einige Unterweisungen und Aufgaben mit auf den Weg. Danach verschwand er vor meinen Augen, er löste sich einfach auf. Mein ganzer Körper zitterte vor Aufregung, Energie und von dem gerade Erlebten. Es sprengte mein bisheriges Bewusstsein, was möglich ist und was nicht. Alle meine Vorstellungen von dem, was real und nicht real war, relativierten sich in einem Augenblick. Liebe Leser, das alles gibt es wirklich, wir sind alle viel mehr als wir denken und viel mehr, als wir zu sein scheinen. Wir sind grenzenlose Energie und es ist nichts unmöglich. Es gibt in Indien ein Sprichwort »India: everything is possible«, Indien – alles ist möglich. Nun, heute weiß ich, dass das für überall auf der Welt gilt: Alles ist jederzeit möglich.

Am nächsten Morgen warteten wir auf eine Mitfahrgelegenheit weiter hoch Richtung Kedernath. Eine Familie in einem Kleinbus nahm uns dann schlussendlich mit. Wir fuhren wiederum einige Stunden hoch in den Himalaya. Als wir über eine schmale Brücke fahren wollten, kam uns ein Lastwagen in hohem Tempo entgegen, der ohne Rücksicht auf die kleineren Fahrzeuge fuhr. Unser Fahrer musste ausweichen, und, oh Schreck, das Auto wurde von einer Leitplanke der Brücke an der Seite regelrecht aufgeschlitzt. Wir hatten großes Glück, dass auf der Seite, wo die Leitplanke bis ins Innere des Kleinbusses drang, niemand saß. Nach dem Schock mussten wir kurz anhalten, die Chauffeure schrien sich an und jeder sagte jedem seine Meinung, wer da nun Schuld sei. In Indien ist das immer so eine Sache, da es keine Verkehrsregeln gibt, obwohl, besser gesagt, es gibt sie schon, doch keiner befolgt sie, gilt hier die Hupe und das stärkere und größere Fahrzeug hat Vorfahrt. Nun gut, ich weiß nicht mehr, wie es ausgegangen ist, jedoch fuhren wir dann mit einer offenen Autoseite mehrere Stunden weiter bis nach Kedernath.

Dort war es wieder einmal so, dass es fast keine Unterkünfte gab. Trotzdem fanden wir ziemlich rasch etwas in einem Hare Krishna Ashram. Alles war sehr einfach eingerichtet, und wer schon mal in Indien war, kennt sicherlich das Gefühl, wie es ist, wenn die Matratze und das Kissen leben. Am Abend saßen wir wieder beieinander und philosophierten wie so oft über Gott und die Welt. Ich schaute ganz verträumt Pati an, als ich plötzlich ein ganz altes Gesicht in ihm sah, es änderte sich dann rasch zu einem ganz jungen Gesicht, wurde wieder älter zu einem römischen Gesicht mit Helm und Lanze, danach zu einem chinesischen Greis, und das wiederholte sich mehrmals mit verschiedenen Personen in männlichen und weiblichen Formen. Ich sah auf einmal und in kürzester Zeit mehrere Reinkarnationen von Pati, und das alles im Hier und Jetzt. Das zeigte mir, dass wir, so wie wir sind, im Hier und Jetzt, Hunderte von verschiedenen Reinkarnationen gleichzeitig in uns tragen und dass sie von Zeit und Raum unabhängig sind. Diese Visionen verschwanden, so wie sie gekommen waren.

Am nächsten Morgen war es ziemlich neblig und noch sehr kalt, obwohl wir bereits April hatten. Die Wege hinauf in den Himalaya waren erst vor einigen Tagen wieder begehbar geworden. Pati und ich waren die Einzigen, die die Wanderung hinauf zur Quelle in Angriff nahmen, die anderen blieben zurück und warteten auf uns. Nach fast sechs Stunden Fußmarsch kamen wir oben in einem kleinen Ashram an, wo wir übernachteten, um am nächsten Morgen ganz in der Früh zum Gletscher weiterzulaufen. Ich war fast am Verhungern und der Hüter des Ashrams gab mir einen kleinen Teller mit kaltem Reis mit Wasser und etwas Ungesalzenem darin, es schmeckte widerlich, doch was isst man nicht alles, wenn man Hunger hat. Übrigens aß ich seit ungefähr zwei Monaten kein Fleisch mehr. Da es in Rishikes und Umgebung kaum Fleisch gab, wurde ich Zwangsvegetarier und behielt das dann gleich bei. In Indien gibt es sowieso fast 700 000 Vegetarier, nun sind es halt 700 000 und einer.

Am nächsten Morgen liefen Pati und ich los. Der Weg wurde immer schmaler, steil im Felsen überquerten wir oft Reste von Lawinen oder es kamen Steinschläge herunter. Ganz achtsam und aufmerksam nahmen wir Schritt für Schritt. Unglaublich, aber wahr, manchmal begegneten wir Pilgern, Babas, Sadhus und Yogis, die kaum bekleidet und barfuss durch Schnee, Eis und Felsen liefen. Plötzlich kam über uns ein Felsen ins Rutschen und schob eine Steinlawine mit, die direkt auf uns zu rollte. Pati schrie auf und ich sah schon unser Leben an uns vorbeirauschen. Plötzlich stand ein Yogi neben uns, nahm Pati und mich bei der Hand und wie durch ein Wunder standen wir plötzlich ein paar Hundert Meter weiter vorn in Sicherheit. Ohne mit der Wimper zu zucken, schaute uns der Yogi kurz an, nickte und ging seinen Pilgerweg weiter. Was war das nun? Pati und ich schauten uns an und konnten nicht begreifen, was gerade passiert war. Wie kamen wir hierhin? Vorhin standen wir noch weit weg von hier auf dem Weg, der gerade von einer Steinlawine überrollt wurde. Das ist doch nicht möglich! Doch, das ist es!

Nach einigen Minuten der Erholung und der Verarbeitung des unfassbaren Erlebnisses liefen wir weiter. Mein Leben war von diesem Moment an noch einmal umgekrempelt. Schon wieder war etwas geschehen, was nach meinem bisherigen Weltbild nicht möglich war und trotzdem passierte. Von nun an galt, dass alles möglich ist, und das Wort unmöglich habe ich aus meinem Verstand gestrichen. Wir liefen weiter bis zur Quelle des Ganges, die auf circa 4800 Metern über dem Meer liegt. Wir verweilten ein wenig an diesem heiligen Kraftplatz und liefen dann wieder zurück.

Unterwegs machten wir einen kleinen Abstecher zu einer Höhle, in der seit Jahrzehnten ein Yogi im Schnee sitzend meditiert, keiner weiß so genau, wie lange er da schon sitzt, es müssen aber sicherlich schon ein paar Jahrzehnte sein, da einige ihn als Kinder besuchten und später dann mit ihren Kinder wiederkamen. Schon verrückt, dass es so etwas gibt, und ich sage euch, es gibt in Indien Hunderte solcher Phänomene mit Yogis und Babas. (Übrigens gibt es sie auf der ganzen Welt, auch bei uns in der Schweiz.) Hier ist aber auch anzumerken, dass es auf diesem Gebiet viele Scharlatane gibt, die die Leute nur um ihr Geld bringen möchten und damit ihre Macht ausnützen. Es ist immer gut, auf seine Intuition zu hören und sich nicht von gewissen Äußerlichkeiten blenden zu lassen.

Zurück in Kedernath trafen wir unsere Freunde wieder. Wir übernachteten noch einmal im Hare Krishna Ashram und begaben uns am folgenden Morgen auf die Rückreise nach Rishikesh. Mittlerweile pilgerten von der Kumbh Mela Hunderttausende Leute durch den Himalaya zu vielen verschiedenen Kraftplätzen und heiligen Orten. Es war daher schwierig, eine Möglichkeit für die Rückfahrt zu finden, also entschlossen wir uns zu einem neuen großen Abenteuer: auf dem Dach eines Busses die schmalen Straßen hinunterzufahren. Wir mussten sehr aufpassen, da oft Leitungen oder sonstige Kabel quer über die Straße hingen. Zumeist legte ich mich einfach hin und genoss die frische Luft, die Aussicht und das gigantische Ambiente der kraftvollen und hohen Berge. Plötzlich flog ein riesiger Adler über unseren Bus und begleitete uns eine Weile. Seine Spannweite war sehr groß, es war ein prachtvolles Lebewesen, so etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen. Seit dem Bad im Ganges in Haridwar vor einigen Tagen war die Welt für mich nicht mehr so wie vorher. Ich sah alles mit den Augen eines Kindes im Körper eines jungen Mannes. Jeder Moment war neu und alles sah so wunderbar aus, jede Pflanze und jeder Baum leuchtete. Ich spürte auch bei allem – seien es Pflanzen, Tiere oder Steine und auch bei Menschen, dass sie ein Teil von mir waren, ich spürte sie tief in meinem Herzen.

Am späten Abend kamen wir dann am Fuße des Himalayas in Rishikesh an. In meinem Zimmer fand ich eine kleine Kugel. Auch diese spürte ich tief in mir, das war irgendwie ein komisches Gefühl. So, als fühlte ich die Kugel als Teil von mir. Ich nahm sie in die Hand, sie hing an einem Faden. Ich hielt sie am Faden in die Luft und rein durchs Atmen oder durch die Verbundenheit mit mir, begann die Kugel zu schwingen, ohne dass ich meine Hand bewegte. Immer schneller drehte sie sich im Kreis, dann ließ ich die Schnur los und die Kugel schwebte und drehte sich weiter. Die Physik und alles in der Schule Gelernte, was möglich sei – auch in Bezug auf die Schwerkraft – löste sich in einem Moment auf. Ich erschrak und die Kugel fiel zu Boden. Kurz darauf versuchte ich es gleich noch einmal, aber es funktionierte nicht mehr. Gut, ich brachte die Kugel am Faden zum Schwingen, konnte sie jedoch nicht loslassen, ohne dass sie zu Boden fiel. Daher stellte ich fest, dass ich sie nicht mit meinem Willen steuern kann, sondern dieses Phänomen in einem Moment der Gedankenfreiheit und Willenlosigkeit geschieht. Es geschieht, weil es ganz einfach geschieht. Mit dieser Erkenntnis ließ ich mich todmüde in mein Bett fallen und schlief bald ein.

Das Wunder der Heilung

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