Читать книгу Das Wunder der Heilung - Patric Pedrazzoli - Страница 9
Die Kumbh Mela in Haridwar
ОглавлениеIn Rishikesh angekommen, schaute ich sofort nach einer Unterkunft. Leider war das Swiss Cottage schon ausgebucht, das wäre eine gute Adresse als Übernachtungsmöglichkeit gewesen. Ich suchte noch ein wenig weiter, jedoch war wegen der Kumbh Mela überall alles ausgebucht. Zur Kumbh Mela kamen in diesem Jahr (1998) etwa 25 bis 35 Millionen Pilger, verteilt auf circa drei Monate, aus allen Ländern dieser Welt sowie aus verschiedenen Kulturen und Religionen nach Haridwar, um während eines Bades an gewissen, astrologisch bestimmten Tagen im Heiligen Fluss Ganges die Seelen reinzuwaschen.
Ich entschloss mich daher, die nächsten Tage auf dem Dach des Swiss Cottage zu übernachten, bis ein Zimmer frei würde. Dort traf ich einen Spanier, der mir erzählte, dass er nicht weit weg seinen Schlafplatz hätte, in einem kleinen Ashram, und dort wäre noch ein Zimmer frei. Meine Alarmglocke bimmelte und ich dachte, dort haust bestimmt eine Sekte. Nun gut, auf dem Dach zu übernachten, bei einer Wetterlage, die nach Regen aussah, schien mir auch nicht gerade rosig zu sein. Der Spanier schien sehr freundlich und liebenswürdig, daher sagte ich ihm, dass ich mir gern das freie Zimmer bei ihm im Ashram unverbindlich anschauen möchte.
Vor dem Tor des kleinen Ashrams spürte ich in und um mich herum eine gewaltige Energie, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Eigenartig, dachte ich. Am Tor begrüßte mich freundlich ein kleiner Mann, er war der Hüter des Ashrams. Er gefiel mir auf Anhieb, er war mir sehr sympathisch und hatte ein schelmisches Lachen. Ja, er kam mir vor wie Yoda (er sah auch wirklich ein wenig so aus), der Jedi-Meister aus den Filmen Krieg der Sterne. Als ich diese Filme zum ersten Mal sah, wollte ich immer so einen Meister haben wie Yoda, den Meister von Luke. Der lehrte ihn die Kontrolle der Energie der Macht zu benutzen, z. B. um mit den Gedanken große Felsen vom Boden zu heben. Da ich den Namen des Ashram-Hüters nicht aussprechen konnte, sagte ich einfach Yogi zu ihm. Er zeigte mir das letzte freie Zimmer im Ashram, zufälligerweise war es ein Zimmer, das man nur durch den Yogaraum erreichen konnte. Als er mir dann sagte, dass das Zimmer ungefähr 50 Rappen pro Nacht kostete, sagte ich sofort zu, na, das war ja wohl ein Schnäppchen. Da ich immer noch etwas Angst vor dem ganzen Sektenzeugs hatte, nahm ich mir vor, dort nur zu schlafen und tagsüber mit den Leuten im Swiss Cottage herumzuhängen. Daher verließ ich in den ersten Tagen jeden Morgen, nachdem die Gruppe mit dem Yoga fertig war, mein Zimmer, ich wollte sie ja nicht stören und wusste eigentlich auch nicht, was die Sektenbrüder da im Yogaraum machten.
Tagsüber bis spät in die Nacht war ich dann bei den Leuten im Swiss Cottage. Dort wohnte ein Schweizer mit Namen Pati und ein Deutscher, dem ich den Namen Hanuman gab. Wir kochten oft zusammen indisches Essen, aßen gemeinsam und philosophierten den ganzen Tag über Gott und die Welt. Abends saßen wir bis spät in die Nacht hinein am Lagerfeuer und philosophierten weiter. Irgendetwas in diesen Gesprächen muss mich geweckt haben. Plötzlich euphorisch geworden, nahm ich alles auf wie ein völlig ausgetrockneter Schwamm. Immer tiefer gingen unsere Gespräche, immer mehr Themen kamen auf. Was ist der Sinn des Lebens? Was machen wir hier? Was kommt nach dem Tod? Und so weiter und so fort.
Eines Abends fragte mich dann ein spanisches Pärchen, ob ich am kommenden Morgen im Ashram mit zum Yoga kommen möchte, sie gingen seit einiger Zeit dorthin und es gefalle ihnen sehr gut. Yoga, dieses Sektenzeug? Ich war noch skeptisch, fand aber, dass sie ganz vernünftige Leute waren und ich doch keine Angst haben müsste, mit ihnen zu gehen.
Also sagte ich zu und am Morgen danach trat ich früh aus meinem Schlafzimmer direkt in den Yogaraum, um mitzumachen. Yogi gab das Yoga. Ich setzte mich und versuchte, die vorgegebenen Übungen zu machen. Alle anderen konnten es recht gut, nur ich fühlte mich wie eingerostet und konnte nicht einmal meine Zehen berühren. Vermutlich hatte ich wohl die letzten Jahre zu viel Zeit auf dem Sofa verbracht. Nach dem Yoga fühlte ich mich sehr gut, so, als ob ich Bäume ausreißen könnte. Ich beschloss daher, ab jetzt jeden Tag zum Yoga zu gehen, um mich zu entrosten, und erst danach mit Pati und Hanumann weiter zu philosophieren über das Leben und den Tod, über Gott und die Welt.
Eines Morgens blieb ich nach dem Yoga noch länger im Ashram und Yogi saß neben mir. Einer der Schüler hatte mir erzählt, das Yogi auch Handlesen könne, daher streckte ich ihm spontan meine Hand zu. Er schaute meine Linien an und erzählte mir dann einiges über mein Leben. Es war sehr spannend, was dieser kleine unscheinbare Mensch alles über mich wusste, nur dadurch, dass er sich meine Hand ansah. Er zeigte mir ein M in meiner Hand und sagte, das wäre ein magisches M. Ich fand das alles sehr spannend, wusste aber nicht, was das bedeutet und nahm daher spontan seine Hand und sah das gleiche M bei ihm. Plötzlich flossen aus meinem Mund die Worte: »O, you are my master«. (oh, du bist mein Meister). Sogleich antwortete er: »Yes, I am and I give you your spiritual name.«. (Ja, das bin ich und ich gebe dir deinen spirituellen Namen.) Ich hatte den Eindruck, als ob er das schon seit dem ersten Tag meiner Ankunft gewusst hätte und so lange geduldig gewartet hatte, bis ich ihn zu meinem Meister erkor. Nun hatte ich einen Meister (Yoda, meinen Jedi-Meister), wusste aber eigentlich noch gar nicht wofür.
In der kommenden Nacht wachte ich plötzlich halb auf und halb im Schlaf tanzten große farbige Mandalas vor meinen Augen, beschrieben mit Sanskritwörtern (Kraftbilder mit Inschriften indischer Yogis), das dauerte etwa eine Stunde und danach schlief ich wieder ein. Am nächsten Morgen konnte ich mich an keines der Bilder erinnern oder es verstehen, aber es kam mir wie eine Einweihung vor, nur in und für was? Ich entschloss mich dann, mit dem Meditieren anzufangen, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie das geht. Ich setzte mich einfach abends hin und dachte über Themen wie Freunde und Freundinnen, Lehrer, Verwandte, Erlebnisse usw. nach, schaute mir in Gedanken alles an, was war positiv, was konnte ich davon mitnehmen, und was war negativ und was konnte ich davon verzeihen und loslassen. Nach jedem Thema atmete ich tief ein und aus und es fühlte sich jedes Mal so an, als würde Ballast abgeworfen; mehr oder weniger Ballast je nach Thema. Ich nahm mir vor, sobald ich diese Themen abgeschlossen hätte, würde ich zum Abschluss ein heiliges Bad zur spirituellen Reinigung im Ganges nehmen.