Читать книгу Herz im Zwiespalt - Patricia Alge - Страница 8
Kapitel 4
ОглавлениеDie Striemen waren noch deutlich zu sehen und konnten daher nicht allzu alt sein. Schläge sind mir nicht fremd, und ich habe sie bisher immer überlebt. Ihre Worte. Wilder Zorn stieg in ihm auf, doch seine Finger waren sanft, als er darüberstrich.
„Wer war das?“
Elena richtete sich kerzengerade auf, hielt mit beiden Händen das offene Mieder vor ihre Brust und drehte sich zu Ramsay um. Doch was sie in seinen Augen las, nahm ihr fast den Atem, und sie wich rasch einige Schritte vor ihm zurück. Sie wollte kein Mitleid.
„Kümmert Euch um Eure eigenen Angelegenheiten, Mylord!“
„Wer?“ wiederholte er, diesmal strenger.
Elena schnappte sich das Hemd und blies die Kerze auf dem Tisch aus. Wohltuende Dunkelheit umgab sie nun. Weshalb schämte sie sich so sehr? Sie trug doch keine Schuld daran. Rasch ließ sie das nasse Mieder fallen und schlüpfte in Ramsays Hemd. Dann entledigte sie sich der Unterröcke und Leibwäsche. Das geborgte Kleidungsstück reichte ihr bis zu den Knien, doch noch immer fror sie erbärmlich.
„Ich werde es schon noch erfahren“, vernahm sie seine tiefe Stimme.
Sie hörte, wie er sich auf sein Lager legte, und tastete nach den Fellen, die sie am Morgen für sich beiseite gelegt hatte. Es waren nicht viele, doch wenigstens waren sie wärmer als ihr nasser Umhang.
„Komm ins Bett, Elena.“
Der sanfte Klang seiner tiefen Stimme jagte ihr heiße Schauer über den Rücken und ihr Herz schlug vor Angst – und einem anderen berauschenden Gefühl – so schnell, dass es beinahe schmerzte.
„Nein. Ein Knappe schläft auf dem Boden“, gab sie trotzig zurück.
Ramsay seufzte leise.
Elena legte sich in die Mitte des Zeltes und schloss die Augen. Ihre Schultern und der Rücken glühten immer noch von seinen Berührungen. Sie versuchte, sich an früher zu erinnern. Hatte Melcom auch solche Gefühle in ihr ausgelöst? Er hatte sie nur selten berührt, doch ihre Empfindungen waren gewiss nie so intensiv gewesen wie gerade eben bei diesem Mann. An eines konnte sie sich jedoch sehr genau erinnern: Als der Pfarrer sie zu Mann und Frau erklärt hatte, hatte Melcom sie geküsst. Sie wusste noch genau, wie ihr Körper sich plötzlich ganz warm angefühlt hatte. Heute Nachmittag war sie auch geküsst worden, war jedoch viel zu verwirrt gewesen, um über ihre Gefühle nachdenken zu können. Elena rollte sich noch enger zusammen. Es war wirklich eisig kalt heute Nacht.
Ramsay starrte nachdenklich auf die Umrisse ihrer kleinen Gestalt. Sie fror erbärmlich, das konnte er deutlich erkennen. Sollte sie doch! Er hatte ihr sein warmes Lager angeboten, doch sie war viel zu stur, um es anzunehmen. Sie war selbst schuld. Er hörte, wie ihre Zähne aufeinander schlugen, und plötzlich hielt er es nicht mehr aus. Sie war schließlich sein Knappe und er war für ihre Gesundheit verantwortlich. Aye, das war der einzige Grund, weshalb er sie in seinem Bett haben wollte. Von diesen Gedanken beruhigt, sprang er auf.
Elena bemerkte ihn erst, als er sich zu ihr herunterbeugte und sie auf seine Arme hob. „Mylord, was … lasst mich runter!“
Sie stemmte ihre Hände gegen seine nackte Brust. Beklemmende Angst erfüllte sie. Was hatte er nur vor? Mein Gott, sie hatte schon oft gehört, was ein Mann und eine Frau in der Nacht taten. Im nächsten Augenblick warf der Höllendämon sie ziemlich unsanft auf sein Bett.
„Mit dem Lärm deiner Zähne weckst du noch das ganze Lager auf!“
Elena sprang sogleich wieder auf die Beine und zischte: „Ihr habt kein Recht dazu, mich in Euer Bett zu holen. Ihr … Ihr Barbar!“
Ramsays Lanze richtete sich beim Anblick dieser fauchenden Xanthippe zu voller Größe auf. Sie stand mit leicht gegrätschten Beinen auf dem Bett und funkelte ihn wie eine Wildkatze an. Ihre hüftlangen, goldenen Haare wirbelten in wilden Locken um ihren Oberkörper. Bei Gott, er wollte sie. Er wollte sie mit einer Heftigkeit, die ihn erschütterte. Sein harter Körper strebte nach ihren Berührungen, nach Erlösung. Sie war eine Lady, verflucht noch mal! Hatte er denn gar nichts gelernt?
Ramsay legte sich auf seine Seite des Bettes und seine Stimme klang wie das Grollen eines Donners. „Leg dich hin und schlaf!“
„Pah, damit Ihr mich im Schlaf entehren könnt und ich es nicht einmal bemerke. Niemals! Ich werde kein Auge zutun.“
Das war mit Abstand das Dümmste, was er jemals gehört hatte. Diese Dirne beleidigte seine Manneskraft und forderte ihn im selben Atemzug heraus. Blitzschnell packte Ramsay ihre Beine und zog sie unter ihr weg. Elena fiel mit einem erstickten Schrei auf die Hinterbacken. „Schuft… gemeiner …“
Oh, weshalb hatte sie nur das Fluchen nie richtig gelernt?
Elena versuchte verzweifelt, ihre Füße frei zu bekommen, doch dieser Rohling hielt sie unerbittlich fest.
Allmählich riss Ramsays Geduldsfaden. Mit einem heftigen Ruck zog er Elena näher und rollte sich auf sie.
„Es reicht, Lady!“, donnerte er, und sie war sich sicher, dass sie von nun an auf diesem Ohr taub sein würde. Elena befürchtete, gleich von seinem riesigen Körper zerquetscht zu werden. Sie konnte sich nicht einmal richtig wehren. Er hielt ihre beiden Arme neben ihrem Kopf gefangen und sein Gesicht schwebte nur wenige Zentimeter über ihrem.
„Geht runter von mir!“
Sie wollte diesem Befehl ein wenig Autorität verleihen, doch das leise Zittern in ihrer Stimme verdarb alles. Sie zappelte und wand sich, doch ohne Erfolg. Plötzlich vergrub Ramsay sein Gesicht an ihrem Hals. Elena spürte, wie ein Schauer durch seinen Körper lief und seine Stimme klang sonderbar verkrampft, als er rau hervorstieß: „Vorsicht, Mädchen.“ Er atmete einige Male schwer: „Sonst kann ich für nichts garantieren.“
Der beinahe schmerzhafte Ton und die seltsamen Worte ließen Elena aufhorchen und sie hörte sofort auf, sich zu wehren. Der Höllendämon lag vollkommen reglos auf ihr, doch sie fühlte seine Anspannung.
„Mylord, was ist mit Euch?“ Ihre Stimme klang besorgt und ängstlich zugleich.
Langsam hob Ramsay den Kopf und Elenas Herz setzte einen Schlag lang aus. Seine Augen schienen in der Dunkelheit zu glühen und er fragte ungläubig: „Du willst wissen, was mit mir los ist?“
Elena konnte ihn nur anstarren. Mein Gott, wenn er so auf sie heruntersah, wurde ihr fast schwindelig. Sie konnte sich nicht erinnern, wann er ihre Arme losgelassen hatte, doch sie war nicht imstande, auch nur einen Muskel zu bewegen. Sie fühlte, wie ihre Brüste bei jedem Atemzug seinen warmen Körper streiften, und zu ihrem Entsetzen richteten sich ihre kleinen Knospen deutlich auf. Sie befeuchtete ihre plötzlich trocken gewordenen Lippen und nickte.
Ramsay verlagerte sein Gewicht ein wenig und seine Stimme klang eigenartig heiser. „Das ist los.“
Er nahm ihre Hand und führte sie zu seiner vollständig erregten Lanze hinunter.
Zunächst verstand Elena gar nichts, doch als sich ihre Finger um dieses riesige harte Etwas schlossen, durchfuhr es sie wie ein Blitz.
„Oh!“, keuchte sie entsetzt und riss ihre Hand zurück. Sie gab ihm einen heftigen Stoß und schrie mit schriller Stimme: „Wie könnt Ihr nur?“
Ramsay lachte gequält auf. Diese Lady war wirklich eine Meisterin der Verstellung. Wenn er nicht gewusst hätte, dass sie Witwe war, würde er ihr dieses unschuldige Getue sogar abnehmen.
„Ich friere jetzt nicht mehr, Mylord. Ich möchte an meinen Schlafplatz zurückkehren.“
Elena versuchte, sich aufzusetzen, doch Ramsay hielt sie zurück.
„Du schläfst hier, Lady, und wie du dich selbst vergewissern konntest, wirst du es auf jeden Fall bemerken, wenn ich mit dir schlafe.“
Elena beobachtete ihn wachsam. „Gebt Ihr mir Euer Wort, dass Ihr mir nichts antut, während ich schlafe?“
Ramsay schnaubte ärgerlich. „Ich schwöre es.“
Mit einem heftigen Ruck drehte sich Elena zur Seite und rutschte an den äußeren Bettrand. „Wir sollten jetzt wirklich schlafen, Mylord.“
Es schien eine Ewigkeit zu verstreichen, bis sie hörte, dass er sich ebenfalls hinlegte. Noch immer zitterte sie am ganzen Körper, doch nicht wegen der Kälte. Sie rollte sich noch enger zusammen und vergrub ihre Nase in den weichen Fellen. Sie rochen nach dem Höllendämon: nach Sandelholz und einem ganz besonderen Duft, den nur dieser Mann zu verströmen schien. Sie hörte, wie er einige Male tief ein- und ausatmete, und noch bevor sie es verhindern konnte, rutschte ihr die Frage schon heraus. „Tut das eigentlich weh?“ Ramsay stieß entnervt die Luft aus. Er hätte wirklich nicht geglaubt, dass sie sich in diesem Spiel noch steigern konnte, doch sie schaffte es tatsächlich.
„Wenn ich mir nicht bald Erleichterung verschaffe, wird es das.“
So ein dummer Kerl! Da er ja wusste, was getan werden musste, weshalb half er sich dann nicht?
„Weshalb tut Ihr es dann nicht.“
Jetzt ging sie aber langsam zu weit. „Verdammt, Elena, du weißt genau, dass das nicht bei mir liegt, sondern bei dir.“
Elena fuhr erschrocken hoch. „Bei mir?“
Nun war er mit seiner Geduld endgültig am Ende. „Bei aller Verdammnis, Weib, für wie dumm hältst du mich eigentlich? Du bist Witwe, also weißt du auch, wie man sich beischläft.“ Elena versank in tiefes Schweigen. Nein, sie wusste gar nichts über diese Dinge, aber das würde er ihr sowieso nicht glauben. Bei jedem Atemzug wurde sie unruhiger. Sie musste sich von diesem merkwürdig flatternden Gefühl in ihrem Bauch ablenken.
„Mylord?“
„Da wir schon miteinander im Bett liegen, kannst du mich ruhig Ramsay nennen.“
Niemals! Diese Förmlichkeit erschien ihr wie die letzte Bastion des Anstandes.
„Mylord, weshalb lebt Ihr so? Ich meine, Ihr seid ein Lord und die McFists gehören zu den reichsten Clans. Weshalb riskiert Ihr dann so oft Euer Leben, wenn Ihr es doch gar nicht nötig habt?“
Ramsay schwieg eine Weile und Elena glaubte schon, keine Antwort mehr zu bekommen, als er schlicht sagte: „Ich liebe die Freiheit und den Kampf.“
Elena drehte sich zu ihm um und betrachtete sein Gesicht Leider konnte sie wegen der Dunkelheit nur seine Umrisse erkennen. „Wünscht Ihr Euch denn kein Zuhause, eine Frau …?“
„Ich werde niemals heiraten!“
Elena erschrak über die Heftigkeit, mit der er diese Worte hervorstieß.
„Aber irgendwann braucht Ihr Erben.“
Ramsay schnaubte verächtlich. „Dafür brauche ich keine lästige Frau.“
Ein dumpfer Schmerz breitete sich in Elenas Brust aus. Was mochte ihn so verbittert haben, dass er beim bloßen Gedanken an eine Heirat geradezu zu schäumen begann?
Kurz vor Tagesanbruch hielt es Ramsay nicht mehr länger im Bett aus. Elena hatte sich im Schlaf wärmesuchend an ihn geschmiegt, und jedes Mal, wenn er dieser süßen Folter zu entfliehen versuchte, war sie ihm leise murrend nachgerutscht. Doch nun war es die reinste Qual. Elenas Kopf ruhte an seiner Schulter, ihre Hand auf seiner Brust, und sie schlief – das Bein über seine Lenden geschoben – so friedlich wie ein Neugeborenes.
Ramsay hingegen brannte so heiß wie alle Feuer der Hölle. Vielleicht sollte ich meine Hure aufsuchen, bevor wir aufbrechen. Ganz vorsichtig schob er Elenas Schenkel von seinem pulsierenden Schaft und schlich sich aus dem Bett. Elena murmelte einen leisen Protest, schlief jedoch weiter.
Rasch zog er sich an, wobei er sich selbst verbot, auch nur einen Blick auf das Mädchen zu werfen. Es wäre ihm beinahe gelungen. Wirklich, er hätte es geschafft, wenn dieses leise, verführerische Seufzen nicht aus ihrer Richtung gekommen wäre.
Beim Anblick, der sich ihm nun bot, hielt er unbewusst den Atem an. Die kleine Lady räkelte sich wohlig auf seinem Bett und schnurrte wie ein zufriedenes Kätzchen.
Ramsay schloss schwer atmend die Augen. Verdammt noch mal, er war doch kein dummer Jüngling mehr, der seine Säfte nicht unter Kontrolle halten konnte! Wütend packte er sein Hemd und trat ins Freie hinaus.
Es hatte aufgehört zu regnen, und der eisige Wind war eine Wohltat für seine erhitzte Haut. Die Sonne ging gerade auf, als er an Maggys Zelt ankam.
Leise schob er sich durch die Zeltluke und schaute auf die schlafende Frau. Hitzig wie sie war, hatte sie die schäbige Decke beiseite geschoben und ihre üppigen Brüste schimmerten weiß in der Morgendämmerung. Ramsay stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er diesen vollen Busen knetete, doch seine Wollust wollte sich nicht wieder einstellen. Stattdessen sah er in seinem Geiste eine andere Frau, die sich genüsslich in seinem Bett räkelte. Sie war klein und zierlich.
Fluchend verließ er Maggys Zelt und ging zum Vorratskarren.
Dort fand er Will schlafend vor. Ramsay stieß ihn mit dem Fuß an und er fuhr erschrocken und wild um sich blickend auf.
„Was … Ah, Ihr seid es, Lord Ramsay!“
Ramsay spähte in den Wagen hinein. „Ich habe Hunger. Ist noch etwas von gestern da?“ Will rappelte sich keuchend hoch. „Gewiss, Mylord. Ich werde es holen.“
Ramsay ließ sich an einem heruntergebrannten Feuer nieder und legte einige Scheite nach. Die Flammen hatten eine beruhigende Wirkung auf sein verstimmtes Gemüt Will räusperte sich und reichte Ramsay ein Schneidebrett mit kaltem Braten, Käse und Brot. Der bedankte sich und begann, in Gedanken versunken zu essen. Es dauerte eine Weile, bis er sich prüfend auf den Bissen zwischen seinen Zähnen konzentrierte. Es schmeckte köstlich. Er schaute sich sein Brot genauer an und nickte Will, der ihn mit angehaltenem Atem beobachtet hatte, anerkennend zu. Sogleich strahlte Will übers ganze Gesicht.
„Ist das ein neues Rezept?“
Will nickte ein wenig verlegen. „Aye, Mylord. Lady Elena hat es mir gezeigt.“
Augenblicklich erstarb das freundliche Lächeln auf Ramsays Gesicht
„Geh und weck die Männer! In zwei Stunden brechen wir auf.“
Ramsay fluchte vor sich hin. Dieses verdammte Weib war gerade erst zwei Tage hier und schon begann sie, alles auf den Kopf zu stellen. Natürlich schmeckte das Brot nun um ein Vielfaches besser, doch das würde er sich selbst niemals eingestehen. Er mochte alles so, wie es war. Er hasste Veränderungen. Besonders, wenn eine sture, kleine Lady diese ungefragt und völlig überflüssigerweise vornahm.
In kürzester Zeit war das ganze Lager wach und emsig mit dem Abbruch der Zelte und dem Beladen der Wagen beschäftigt. Ramsay wollte gerade Gavin damit beauftragen, die Lady zu wecken. Doch dann besann er sich anders und schickte den kleinen Jimmy.
Genau zwei Stunden später war alles verladen und die Männer saßen auf ihren Pferden. Ramsay stieß einen grellen Pfiff aus und Elena schaute fragend zu Gavin hinüber. Dieser lenkte sein Pferd neben das ihre.
„Mylady?“
„Worauf warten wir noch?“ wollte Elena wissen.
Gavin lächelte gutmütig. „Wir warten auf Wulf.“
Elena schnitt eine ungläubige Grimasse. „Dieses Biest würde uns doch überall finden.“
„Aye, Mylady, aber Ramsay würde nie ohne seinen Schützling aufbrechen.“
Plötzlich rief einer der Männer: „Achtung!“
Gavin grinste Elena an. „Haltet Euch fest!“
Im selben Augenblick war die Hölle los. Die Pferde wieherten, bäumten sich wild auf und die Männer fluchten unterdrückt. Elena sah aus dem Augenwinkel etwas Haariges vorbeiflitzen, und dann hatte sie alle Mühe, ihre Cecilia unter Kontrolle zu bringen. Es dauerte eine Weile, und es brauchte viel Zuspruch, bis ihre Stute nicht mehr wild mit den Augen rollte und sich beruhigt hatte.
Elena schaute auf einen der Waffenwagen und entdeckte Wulf, der es sich gerade auf einer röten Decke gemütlich machte. Das ist anscheinend sein Plätzchen, dachte sie kopfschüttelnd. Wie konnte ein Mann wie der Höllendämon ein so hässliches Vieh wie diesen Wolf mögen?
Endlich setzte sich der Tross in Bewegung und Elena wurde von Todd und Gavin flankiert. Der Wind wurde wieder heftiger und Elena schlang ihren Umhang enger um ihren Körper. Ihre Kleider waren immer noch feucht und es dauerte nicht lange, bis sie wieder zu frieren begann. Oh, wie sehnte sie sich nach einem heißen Bad!
Sie versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren und begann schließlich, für das Wohl ihres Vaters zu beten. Nach einer Weile kam ihr ein Gedanke und sie wandte sich an Todd. „Du wolltest mich sprechen? Gestern wurde es leider spät und als ich zu deinem Zelt kam, warst du nicht mehr da.“
Todd errötete leicht. „Verzeiht mir bitte, Mylady.“
Seine Hände wurden feucht und ein unangenehmer Kloß bildete sich in seinem Hals. Gestern war alles noch anders gewesen. Aye, gestern hatte er all seinen Mut zusammengenommen und der Lady alles gestehen wollen. Er hatte gehofft, sie würde beim Höllendämon ein gutes Wort für ihn einlegen, hatte gehofft, die beiden würden ihm helfen. Doch in den Stunden, in denen er auf Lady Elena gewartet hatte, war ihm klar geworden, wie dumm und aussichtslos diese Hoffnung doch war. Er hatte weder Geld noch Titel. Und selbst wenn er das Glück gehabt hätte, die Lady auf seine Seite zu bringen, so hätte der Höllendämon ihn mit Sicherheit noch nicht einmal angehört. Vermutlich hätte er ihn auf der Stelle gevierteilt oder am höchsten Baum aufgehängt – wie es üblich war bei Verrätern.
Nach dieser niederschmetternden Erkenntnis hatte er es in seinem Zelt nicht mehr länger ausgehalten und war zu einer der Lagerhuren gegangen.
„Also?“, bohrte Elena gespannt weiter.
Todd zögerte einen Moment, und die Röte in seinem Gesicht vertiefte sich um einige Nuancen.
„Ich wollte Euch nur von meinem Vorhaben berichten, Mylady. Ich habe heute Morgen mit dem Höllendämon gesprochen und ihn gebeten, an Eurer Statt sein Knappe sein zu dürfen.“ Damit ich Euch wenigstens dies ersparen kann, fügte er in Gedanken hinzu.
Elena war gerührt. Ihr Herz flog dem jungen Mann entgegen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie demütigend es für einen gestandenen Krieger war, als Knappe zu dienen. Todd hatte für sie diese Schmach auf sich nehmen wollen, auch wenn sein betrübter Gesichtsausdruck davon zeugte, dass sein Wunsch offenbar abgelehnt worden war.
Elena lächelte ihn liebevoll an. „Ich danke dir von Herzen, Todd, doch ich hätte dir gleich sagen können, dass sich der Höllendämon niemals auf einen Tausch einlassen würde.“ Gavin gab ihr schweigend Recht.
Die Stunden schienen Tage zu dauern, und als der Lord endlich das Zeichen zum Absitzen gab, wäre Elena ihm vor Dankbarkeit am liebsten um den Hals gefallen. Sie war es nicht gewohnt, so lange im Damensitz zu reiten und die Haut an ihren Schenkeln brannte wie Feuer. Gavin half ihr aus dem Sattel und sie musste sich an seinem Arm festhalten, damit ihre Beine nicht nachgaben.
Ramsay wendete sein Pferd und kam den Tross entlang auf Elena und Gavin zugeritten. Er sah einfach umwerfend aus. Da war sie wieder, diese ungezähmte Wildheit. Der Wind spielte mit seinem langen Haar, blies ihm einige Strähnen in die Stirn und in seinen Augen leuchtete ein Feuer, dass Elena versucht war, sich zu bekreuzigen.
„Wir machen hier zwei Stunden Rast, danach geht es diesen Weg entlang!“, befahl er streng. Gavin nickte und Ramsay wandte sich um, ohne Elena auch nur einen Blick zu gönnen. Er ritt, als sei der Teufel hinter ihm her, dicht gefolgt von Wulf. Bald verschwanden die beiden hinter einem Hügel.
„Wo will er denn hin?“, fragte sie erstaunt.
Gavin tätschelte sanft den Hals seines Hengstes. „Er überprüft den Weg, dem wir nach dem Essen folgen werden.“
„Wird er zurück sein, bevor wir aufbrechen? Ich meine, wegen seiner Mahlzeit.“
Gavin schüttelte den Kopf. „Er wird auf dem Weg wieder zu uns stoßen. Vertretet Euch ein wenig die Beine, Mylady, es liegt noch ein langer Nachmittag vor uns.“
Mit diesen Worten deutete er eine knappe Verbeugung an und ging davon, um den Männern weitere Befehle zu erteilen.
In kurzer Zeit waren die Pferde abgesattelt und ein gutes Duzend Lagerfeuer entzündet. Will, der kleine Jimmy und einige der Huren eilten mit großen Körben umher und verteilten getrocknetes Fleisch, Käse, Brot und mit Wasser versetzten Wein.
„Mylady, wollt Ihr Euch nicht auch an ein Feuer setzen?“
Elena lächelte Todd dankbar an. „Oh, das klingt himmlisch.“
Sie folgte ihm und ließ sich neben ihm auf einem Baumstumpf nieder. Elena konnte sich die plötzliche innere Leere nicht erklären, die sie verspürte, seit sie McFist hatte davonreiten sehen. Es schien ihr beinahe, als ob ein Teil ihrer selbst fehlte.
„Müsste ein Knappe nicht seinen Herrn begleiten?“
Todd schüttelte den Kopf. „Nur wenn dieser es verlangt.“
Als Elena gegessen hatte, blickte sie sich gelangweilt im Lager um. Da entdeckte sie den kleinen Jimmy, der neben dem Vorderrad des Vorratswagens saß und missgestimmt ein Stück Trockenfleisch verzehrte.
„Entschuldige mich bitte, Todd.“
Elena ging langsam auf Jimmy zu. Der Junge wirkte so einsam und verletzt, dass es ihr ins Herz schnitt.
„Darf ich mich zu dir setzen, Jimmy?“
Der Junge riss erschrocken den Kopf hoch und errötete heftig. Einen Moment huschte ein Ausdruck von Angst und Verwirrung über sein Gesicht, doch nun reckte er tapfer das kleine Kinn. „Wenn es sein muss!“
Elena setzte sich und begann ruhig: „Du bist böse auf mich, nicht wahr, Jimmy?“
Der Junge zupfte verdrossen an seinem ausgefransten Hemdsaum, verweigerte ihr jedoch eine Antwort.
„Oder bist du vielleicht böse auf den Lord?“
Nun schnellte sein verwuschelter Haarschopf in die Höhe. „Ich … Ich wäre niemals böse auf meinen Lord. Niemals! Es … Es ist nur meine Schuld, dass er sich nicht mehr von mir bedienen lässt. Ich … Ich war nicht gut genug. Bestimmt habe ich ihn erzürnt und nun will er mich nicht mehr.“ Nun sah er sie mit einem trotzigen Blick an. „Aber du bist bestimmt nicht besser als ich.“
Elena konnte ein kleines Lächeln nicht verbergen. „Da muss ich dir Recht geben, Jimmy. Ich bin vermutlich der schlechteste Knappe auf der ganzen Welt.“
Über Jimmys vor Verblüffung weit aufgerissene Kulleraugen musste sie grinsen.
„Schau mal, Jimmy, ich bin nicht Lord Ramsays Knappe, weil er nicht mit dir zufrieden war, sondern weil er mich bestrafen wollte.“
Nun schaute der Junge sie misstrauisch an. „Was sollte daran eine Strafe sein? Es ist eine Ehre, dem Lord zu dienen. Du lügst!“
Elena schüttelte den Kopf. „Nay, es ist die Wahrheit. Für dich ist es eine Ehre, aber ich bin eine Frau. Du weißt doch, dass Frauen solche Arbeiten nicht verrichten. Die sind doch viel zu schwer für uns.“
Nun nickte Jimmy ernst und schien nicht mehr halb so traurig. „Das stimmt schon. Man muss schon mächtig stark sein für diese Arbeit“
Als er sah, wie Elena ihm beipflichtete, ereiferte er sich für dieses Thema. „Da muss man nämlich ganz viel Wasser schleppen! Und die Rüstung meines Herrn ist auch ganz furchtbar schwer. Aber das ist noch lange nicht alles.“
Plötzlich verstummte er und auf seiner kleinen Stirn bildete sich eine steile Falte. „Warum hat er dich bestraft? Es muss etwas ganz Schlimmes gewesen sein. Ich habe auch schon viele Dummheiten gemacht, aber mein Lord hat mich niemals bestraft.“
Ja, warum eigentlich? Genoss er es einfach, sie zu demütigen? Nein, das glaubte sie eigentlich nicht. Es musste etwas anderes sein.
Elena zuckte mit den Schultern und antwortete wahrheitsgemäß: „Ehrlich gesagt, ich weiß es auch nicht recht. Vielleicht hatte er gerade einen schlechten Tag.“
Jimmy war ehrlich entsetzt und schüttelte energisch den Kopf. „Nein, nein. Mein Lord hat niemals einen schlechten Tag.“ Nachdem er einen Moment innegehalten hatte, gab er großmütig zu: „Na ja, vielleicht manchmal, wenn ihn diese schrecklichen Kopfschmerzen plagen. Aber er ist niemals ungerecht. Mein Lord ist der gescheiteste, stärkste und gerechteste Herr, den es überhaupt gibt.“
Zur Bestätigung seiner eigenen Worte nickte er kräftig.
Elena fand es erstaunlich und rührend, wie loyal dieser kleine Bursche dem Höllendämon gegenüber war. Ein dumpfer Schmerz breitete sich in ihrer Brust aus. Es musste ein schönes Gefühl sein, von jemandem so unerschütterlich geachtet und geliebt zu werden.
Sie saßen einen Augenblick schweigend beisammen, dann schaute Jimmy bedrückt zu Elena auf. „Bist du sehr böse auf mich? Ich meine, ich war nicht gerade nett zu dir.“
Elena lächelte ihn breit an. „Nein, nein, ich bin nicht böse mit dir. Aber die Grimasse, die du mir geschnitten hast, werde ich bestimmt nicht so schnell vergessen.“ Sie täuschte ein ängstliches Schaudern vor. „Das hat wirklich gefährlich ausgesehen.“
Jimmy strahlte über sein ganzes Gesicht. „Schaurig, nicht wahr? Das habe ich von Will gelernt. Aber er kann es noch viel besser. Wenn du willst, kann ich es dir beibringen.“
Elena hob abwehrend die Hände. „Um Himmels willen, nein. Ich würde mich ja vor mir selbst fürchten.“
Jimmys glucksendes Lachen hallte daraufhin durch das ganze Lager.
Die Mittagsrast verging wie im Fluge und bald erklang Gavins Stimme: „Alles aufsitzen!“ Elena ließ sich von Todd in den Sattel helfen und nahm ihren Platz hinter dem Vorratswagen wieder ein. Sie spürte, wie ihre kleine, graue Stute nervös herumtänzelte, schenkte dem jedoch keine weitere Beachtung. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung, diesmal von Gavin angeführt. Todd war ungewöhnlich schweigsam. Immer wieder bemerkte sie, wie seine blauen Augen sie beobachteten.
Sie waren etwa eine Stunde unterwegs, als Elena auf dem Sattel weiter nach hinten rutschte, um es sich bequemer zu machen. Da plötzlich blähte die Stute ihre Nüstern und rollte wild mit den Augen. Im nächsten Moment bäumte sie sich auf, brach aus der Reihe aus und galoppierte davon. Elena stieß einen spitzen Schrei aus und klammerte sich an der Mähne fest Sie versuchte, mit sanften Worten auf Cecilia einzureden, sie zu beruhigen. Hinter sich hörte sie die Männer Anweisungen brüllen, doch sie verstand nicht, was sie sagten. Sie hatte soeben den Hügelkamm passiert. Die Landschaft raste an ihr vorbei und der kalte Wind peitschte unbarmherzig in ihr Gesicht Sie würde sterben! Sie würde sich das Genick brechen und sterben!
Plötzlich wurde Elena gepackt und aus dem Sattel gerissen. Sie schrie auf, bevor der harte Aufprall ihr fast den Atem nahm und schwarze Kreise eine, nahende Ohnmacht ankündigten. „Verflucht noch mal, willst du dir den Hals brechen?“
Die donnernde Stimme des Höllendämons riss sie aus der drohenden Schwärze und die entsetzliche Angst verwandelte sich in wilden Zorn.
Ramsay zügelte seinen Hengst und stellte Elena auf den Boden. Ihr ganzer Körper zitterte vor Wut und sie schrie ihn an: „Verdammter Idiot, glaubt Ihr etwa, das war meine Absicht? Was kann ich dafür, wenn meine Stute plötzlich scheut?“
Ramsay glitt aus seinem Sattel und rief Gavin, der auf sie zu galoppiert kam, zu: „Führe den Trupp weiter, wir haben genügend Zeit verplempert!“ Dann wandte er sich an Elena. „Wenn du nicht reiten kannst…“
„Ich kann sehr gut mit Pferden umgehen, Ihr … Ihr arroganter Kerl!“
Elena schäumte vor Zorn und schlug ihm mit der flachen Hand vor die Brust. „Cecilia gehört seit fünf Jahren mir und sie hat noch nie gescheut. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr und Ihr tätet besser daran, sie einzufangen, als hier ein dummes Gesicht zu machen. Und wagt es ja nicht, diese verdammte Augenbraue jetzt zu heben!“
Im Nu waren beide in die Höhe gehüpft.
Um Ramsays Mundwinkel zuckte es belustigt und er fragte sie leicht gekränkt: „Was hast du gegen meine Augenbrauen?“
Elena schnaubte wütend und sie wusste nur noch eine Möglichkeit, ihren Zorn zu besänftigen. Sie schlug auf seine Brust ein und zu allem Elend begann der Höllendämon zu lachen. Dieser Bastard hatte doch tatsächlich den Nerv, sie jetzt auszulachen.
„Ich hasse Euch!“, schrie sie ihm entgegen, doch sein tiefes Lachen wurde nur noch lauter und er warf den Kopf in den Nacken. „Was ist denn so verdammt lustig daran, wenn ich mir fast den Hals breche?“
Völlig unerwartet gab sie ihm einen so heftigen Stoß, dass er das Gleichgewicht verlor. Im letzten Augenblick packte er sie, und dann purzelten sie auch schon ein Stück den Hang hinunter. Es war ein wildes Durcheinander und Elena wusste bald nicht mehr, welcher Arm und welches Bein zu wem gehörte. Dieser gemeine Kerl lachte immer noch!
Als sie endlich zum Stillstand kamen, befand sich Elena in einer äußerst peinlichen Läge. Sie lag mit gespreizten Beinen auf diesem Riesen, ihr Kopf auf seiner Brust. Das Lachen war leiser geworden, doch als er in ihre Funken sprühenden Augen schaute, war es wieder um ihn geschehen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so gelacht hatte. Vermutlich, weil es sonst nicht viel zu lachen gab. Elena war so aufgebracht, dass sie den warmen Glanz in seinen Augen absichtlich ignorierte. Dieser Höllendämon besaß wirklich einen unanständigen Humor.
Ramsay hatte den Trupp fast erreicht, als er plötzlich Elenas Schrei gehört hatte. Sein Herz hatte sogleich zu rasen begonnen und er kannte nur ein einziges Ziel. Er musste sie retten. Er musste! Wie ein Pfeil war er ihr nachgejagt, und als er sie endlich in den Armen hielt, bereitete er sich auf ein völlig verstörtes, weinendes Mädchen vor, doch wie immer reagierte sie ganz anders als erwartet. Anstatt ihm ohnmächtig in die Arme zu sinken, wie es eigentlich Sitte war, schlug und beschimpfte sie ihn wie eine tollwütige Katze. Sie war wirklich einzigartig. Und nun starrte sie ihn auch noch beleidigt an. Erneut lachte er aus voller Kehle und das heftige Beben in seiner Brust warf Elena in hohem Bogen von ihm ab. Sie schimpfte wütend vor sich hin und kämpfte mit ihren Unterröcken, bis sie wenigstens sitzen konnte. Schmollend betrachtete sie den lachenden Riesen, der noch immer ausgestreckt neben ihr lag.
Plötzlich war ihr Ärger verflogen und sie lächelte ihn entschuldigend an. Wenn er so unbeschwert war, schien er viel jünger zu sein und war unglaublich attraktiv.
Ramsay hatte sich inzwischen wieder beruhigt und setzte sich lässig auf, doch er grinste sie breit an. „Willst du mich nicht noch ein wenig schlagen?“
Elena schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Nay, es ist ziemlich enttäuschend, wenn man dabei ausgelacht wird.“
Ramsay stand auf und reichte ihr eine Hand. „Das kann ich mir vorstellen.“
Elena griff mit beiden Händen nach der seinen, zog sich hoch und strich ihr Kleid glatt. Dann schaute sie sich suchend um und entdeckte ihre Stute am Waldrand, die dort friedlich graste. Ramsay war ihrem Blick gefolgt. Er schwang sich auf den Rücken seines Hengstes und hob Elena vor sich in den Sattel.
„Erzähl mir genau, was geschehen ist.“
Elena hob ratlos die Schultern. „Ich weiß nur, dass Cecilia ziemlich nervös war.“
Sie erreichten die Stute bald und Ramsay ging langsam auf sie zu. Sie beäugte ihn wachsam, machte jedoch keine Anstalten zu fliehen. Ramsay sah am Zittern ihrer Flanken, dass sie Schmerzen haben musste. Vorsichtig, fast zärtlich tätschelte er ihren Hals.
„Ganz ruhig, Kleines. Komm, zeig mir deine Zähne.“
Er untersuchte das Zaumzeug. Vielleicht hatte sich etwas Spitzes darin verfangen und tat dem Tier weh. Nein, hier war alles in Ordnung. Er nahm sich die Beine vor. Auch hier war nichts zu sehen. Als er zum Hinterteil der Stute ging, sah er ein dünnes Rinnsal Blut auf ihrem Rücken. Fluchend befreite er das nervös tänzelnde Tier vom Sattel. Elena wollte ihm helfen, wusste jedoch nicht, wie sie von diesem Ungetüm von einem Hengst hinunterkommen sollte, ohne sich zu verletzen. Er war einfach zu hoch.
„Habt Ihr etwas gefunden, Mylord?“
Ramsay untersuchte zuerst die kleine, aber tiefe Wunde im Rücken der Stute, dann den Sattel und seine Vermutung bestätigte sich. Ein spitzes, scharfes Stück Metall steckte in der Unterseite des Sattels. Kein Wunder, dass das arme Tier verrückt gespielt hatte!
„Mylord?“
Ramsay betrachtete Elena nachdenklich. Irgendjemand versuchte tatsächlich, sie umzubringen, aber wer und warum?
Laut sagte er: „Es muss sich etwas unter dem Sattel verfangen haben. Sie ist bald wieder in Ordnung.“
Er entnahm der Satteltasche eine Decke und legte sie der Stute auf den Rücken, bevor er den Sattel locker wieder aufsetzte. Danach nahm er Cecilias Zügel, schwang sich hinter Elena auf seinen Hengst und ritt seinen Männern nach.
Elena saß steif vor ihm, immer darauf bedacht, ihn möglichst nicht zu berühren.
„Ihr seht also, dass es nicht meine Schuld war“, verkündete Elena, nicht ohne einen Anflug von Zufriedenheit in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen.
Ramsay legte den Arm um ihre Taille und zog sie näher an sich. Dann flüsterte er ihr ins Ohr: „Aye, Mädchen, du hattest Recht.“
Da waren sie wieder, die Schmetterlinge, dieses aufregende Gefühl, das immer dann erwachte, wenn er sie berührte. Verlegen versuchte Elena ein bisschen von ihm abzurücken, doch sein stählerner Arm hielt sie fest. Es war unanständig, aber sie musste sich selbst eingestehen, dass es ihr gefiel. Seine Wärme schien Elena völlig einzuhüllen und sie hatte das Gefühl, endlich nach Hause gekommen zu sein. Geborgen zu sein. Beschützt. Ein Gefühl, das ihr bisher immer versagt geblieben war.
Viel zu bald erreichten sie den Trupp und Elena erwartete, dass der Lord sie einem anderen übergeben würde, doch nichts dergleichen geschah. Ramsay warf einem der Männer Cecilias Zügel zu.
„Nimm ihr den Sattel ab und binde sie an einen der Wagen!“
Er hatte den ganzen Weg nicht mit ihr gesprochen, vielleicht hatte er sie vergessen.
Elena setzte sich aufrecht hin, wobei sie ihm mit dem Scheitel gegen das Kinn stieß, und drehte ihm das Gesicht zu.
„Ich kann in einem der Wagen mitfahren, Mylord.“
„Nein.“
Damit war das Thema für ihn beendet. Es gefiel ihm nämlich, wie sie sich in seinen Armen anfühlte, und er dachte gar nicht daran, sie schon wieder loszulassen. Sie ritten an den Männern vorbei – und zwei eisig blaue Augen folgten ihnen.
Verdammt, dieses Weib hatte so viele Leben wie eine räudige Katze!
Ramsay lenkte den Hengst neben Gavin. Dieser sah die beiden verwundert an und Elena versuchte erneut, von Ramsay abzurücken. Ohne Erfolg, er drückte sie sogar für einen Augenblick so eng an seine Brust, dass es ihr fast den Atem nahm.
Dann fragte er Gavin: „Irgendwelche Vorkommnisse?“
„Nay, Mylord.“
Wieder fiel Elena auf, dass Gavin auf die vertrauliche Anrede verzichtete, sobald es um die Arbeit ging. Gavin beäugte die beiden ausgiebig und als keiner von ihnen etwas sagte, gewann seine Neugierde die Oberhand.
„Seid Ihr verletzt, Lady Elena?“
„Nein, mir geht es gut, doch meine Cecilia hatte nicht so viel Glück.“
„Cecilia?“
„Ihre Stute“, antwortete Ramsay an Elenas Stelle.
„Was ist geschehen?“
Ramsay warf ihm einen warnenden Blick zu und zischte: „Später.“
„Übernehmt Ihr wieder, Mylord?“
Ramsay nickte. „Zwei Wagen sind zurückgeblieben, sieh nach, ob alles in Ordnung ist.“
„Soll ich Lady Elena im Vorratswagen unterbringen?“
Ramsays Griff um ihre Mitte verstärkte sich. Er starrte stur geradeaus und ein Muskel zuckte in seiner Wange.
„Nein.“
Elena spürte, wie sie hochgehoben wurde, und schlug blinzelnd die Augen auf. Verwirrt schaute sie sich in der untergehenden Sonne um und stellte fest, dass die Männer abgesessen und bereits dabei waren, die Tiere zu versorgen.
„Oh, ich muss wohl kurz eingenickt sein.“
„Aye, fast vier Stunden.“
Elena schaute erschrocken zu Ramsay auf und bemerkte erst jetzt, dass er sie noch immer trug.
„Ihr … Ihr könnt mich jetzt runterlassen.“
Ramsay stellte sie schweigend auf die Füße und wandte sich dem Hengst zu.
Als Elena sich entfernte, trat Gavin neben Ramsay.
„Erzählst du mir jetzt, was geschehen ist?“
Ramsay griff in die Satteltasche und holte das Metallstück hervor. „Das steckte unter dem Sattel fest.“
Gavin betrachtete es entsetzt.
„Sieht aus wie eine Pfeilspitze.“
Ramsay nickte. „Wohl kaum ein Zufall.“ Er schaute zu Elena hinüber, die sich angeregt mit Todd unterhielt. „Ein Glück, dass die Lady eine ausgezeichnete Reiterin ist. Weißt du, wer ihre Stute gesattelt hat?“
Gavin nickte düster. „Das war ich selbst.“
„War dieser Todd in der Nähe der Pferde?“
„Nay, Bruce und Milvan behalten ihn ständig im Auge. Sie sagen, dass er den ganzen Mittag über an derselben Feuerstelle war. Sogar, als er austreten musste, war Milvan in seiner Nähe.“
„Verdammt, dann muss es noch jemand anderen geben“, brummte darauf Ramsay.
Nach einer Weile fügte er hinzu: „Ich möchte, dass die Lady rund um die Uhr von mindestens zwei Männern bewacht wird, aber unauffällig. Ich will sie nicht beunruhigen. Dass es wieder ein Mordanschlag war, braucht sie auch nicht zu erfahren.“
Gavin nickte und ging davon. Trotz der düsteren Gedanken in seinem Kopf breitete sich plötzlich ein breites Grinsen auf seinen Lippen aus, als er dachte: „Tja, damit kann ich die hübsche kleine Lady wohl vergessen. Es scheint, als ob Ramsay sie will – und vermutlich weiß er es noch nicht einmal, dieser sture Esel.“
Elena stand auf einem kleinen Hügel, etwas außerhalb des Lagers, und beobachtete das faszinierende Schauspiel des Sonnenuntergangs. Der Himmel war in alle Rottöne getaucht und die Sonne begrüßte mit einigen letzten goldenen Strahlen die Nacht. Dieser Anblick ließ Elena ehrfurchtsvoll staunen. Dennoch wurde sie traurig. Zitternd holte sie Atem … ihre Gedanken wanderten zu ihrer Mutter.
Nun waren schon vier Jahre vergangen seit ihrem qualvollen Tod, doch der Schmerz über den Verlust brannte noch immer tief in Elenas Herz. Sie war eine wunderbare Mutter gewesen. Liebevoll und so menschlich, dass sie Vaters Mangel an diesen Tugenden wieder wettgemacht hatte.
Ihr Vater.
Obwohl sie seit achtzehn Lenzen bei ihm lebte, kannte sie ihn kaum. Er kümmerte sich nicht um sie. Elena wusste, dass er es ihr nie verziehen hatte, dass sie als Mädchen geboren worden war. Er hatte sich doch so sehr einen Sohn gewünscht. Elena hatte ihr Leben lang versucht, ihm diesen zu ersetzen, doch nach dem Tod ihrer Mutter war alles noch viel schlimmer geworden. Ihr Vater hatte den schmerzlichen Verlust seiner geliebten Frau nicht ertragen können und seine Trauer im Wein zu vergessen gesucht Immer häufiger war er grob und verletzend geworden. Zuerst nur mit Worten, doch seit Grenwick und seine Männer auf Castle Fraser weilten, war sie auch vor Schlägen nicht mehr sicher gewesen. Besonders Grenwick und seine Spießgesellen hatten es sich zur Aufgabe gemacht, ihr das Leben schwer zu machen. Elena war sich nicht sicher, ob ihr Vater tatsächlich nichts von den grässlichen Ereignissen wusste oder ob er vielleicht nur zu feige war, um ihr zu Hilfe zu eilen. Schließlich hatte sie selbst miterlebt, dass Grenwick eine seltsame Macht über ihn auszuüben schien. Den Gedanken, dass es ihrem Vater einfach nur egal sein könnte, was mit ihr geschah, hatte Elena schon vor Jahren aus ihrem Herzen verbannt. Er war einfach zu schmerzhaft.
Eine kühle Brise streichelte Elenas Wangen und schenkte ihr leisen Trost. Würde sich nach seiner Befreiung etwas ändern? Trotz allem liebte sie ihren Vater von ganzem Herzen. Er war der Einzige, der ihr noch geblieben war, der letzte Rest ihrer Familie. Elena versuchte, die Tränen niederzukämpfen. Sie fühlte sich so schrecklich einsam.
Es war nicht die Einsamkeit, die man empfand, wenn man alleine war. Nein, es war die, die sich einem in die Seele brannte.
Ramsay saß an einem Lagerfeuer und schliff sein Schwert. Seine Augen schweiften suchend umher, bis er Elena auf dem Hügel entdeckte – zwei seiner Männer tummelten sich in ihrer Nähe herum.
Die kleine Lady bot einen atemberaubenden Anblick. Die untergehende Sonne zauberte goldene Reflexe in ihr Haar, das offen um ihren Oberkörper wehte. Bewegungslos und mit der Anmut einer Göttin aus den alten Sagen stand sie neben einer mächtigen Eiche und reckte ihr Gesicht dem Wind entgegen.
„Mylord, Ihr seht angespannt aus. Kann ich vielleicht was tun, was Euch aufheitert?“
Maggy stand mit aufreizend wippenden Hüften vor ihm und lächelte ihn anzüglich an. Ramsay musterte sie eingehend und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er die Hure mit Elena verglich. Die Dirne schnitt schlecht ab. Das wunderte ihn zwar nicht, aber es schürte seinen Ärger. Schließlich hatte die Hure ihm viele angenehme Nächte geschenkt. Die Lady hingegen bescherte ihm nichts als Ärger. Maggy deutete sein langes Schweigen als Aufforderung und kniete vor ihm nieder, kess darauf bedacht, seinen Augen einen großzügigen Blick auf ihre üppigen Brüste zu gönnen.
„Ihr wart schon so lange nich’ mehr bei mir, Mylord!“
Ramsay schwieg noch immer. Er konnte es einfach nicht fassen. Er betrachtete Maggys volle Lippen, die etwas zu große Nase und die leicht schräg stehenden Augen. Ohne Zweifel war sie hübsch. Doch, verdammt noch mal, wo blieb die gewohnte Reaktion seines Körpers? Das angenehme Ziehen in seinen Lenden, die Hitze? Die Erregung blieb gänzlich aus und ein absurder Zorn wallte in Ramsay auf, als Maggys schweres Parfüm ihm in die Nase stieg und er sich unwillkürlich an einen zarten Veilchenduft erinnerte. Teufel auch, das hatte ihm gerade noch gefehlt!
Ramsays seltsamer Gesichtsausdruck verwirrte Maggy und sie ging zum Angriff über. Sie legte ihre Hände auf seine Schenkel und massierte sie in Richtung seiner heiß ersehnten Männlichkeit. Sie vermisste ihn so sehr! Ihr Fleisch brannte und sie musste diese peinigende Lust befriedigen, bevor sie den Verstand verlor. Obwohl sie den Höllendämon liebte, war sie inzwischen so heiß, dass sie jeden genommen hätte. Aber keiner der Soldaten wagte es, die Hure des Anführers zu besuchen. Beim Gedanken an den harten, mächtigen Körper dieses Riesen stöhnte Maggy leise auf und ließ ihre Zungenspitze träge über ihre vollen Lippen gleiten. Keiner der anderen Männer verstand es auch nur annähernd, ihre Lust so vollkommen zu stillen wie dieser. Sie musste ihn einfach wiederhaben.
Maggy wusste, dass es gefährlich war, noch weiter zu gehen, doch ihr Körper verlangte so stark nach seinem harten Schaft, dass es unerträglich schmerzte. Sie nahm seine Hand und führte sie an ihre Brust. Bei seiner Berührung wurde ihr fast schwindlig.
Plötzlich fiel es Ramsay wie Schuppen von den Augen. Er wollte sie! Nicht die Dirne, sondern die kleine Lady Verdammt noch mal, er begehrte Elena mit einem Verlangen, das ihm fremd und unheimlich war, das ihn ebenso erstaunte wie verunsicherte.
Abrupt entzog er Maggy seine Hand und erhob sich.
„Ich gebe dich frei.“
„Was?“, rief Maggy entsetzt. „Das dürft Ihr nicht! Ich flehe Euch an!“
Ramsay verbarg seinen Widerwillen hinter einer gelassenen Maske. Er wollte die Hure nicht mehr kränken als unbedingt nötig. Schließlich war sie ihm immer eine gute und willige Bettgenossin gewesen. Deshalb bemühte er sich um einen sanften Ton, als er in seine Börse griff und fünf Goldstücke herausnahm. Das war mehr, als sie in drei Jahren verdienen würde.
„Hier, meine Männer werden dich viel öfter besuchen als ich.“
Danach nahm er sein Schwert und ging auf die Wiese, wo einige seiner Männer sich im Schwertkampf übten. Er musste nachdenken, und das würde ihm wohl bei einem schönen Gefecht am besten gelingen.