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03. Hostellerie Saint–Pierre ***
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Foto 02: Hostellerie Saint–Pierre *** (Die *** sind nicht etwa Fußnoten, wie ein junger Leser vermutete, sondern die trois étoiles des Hotels, also die drei Qualitätssterne)
Wir hatten ein gemütliches Zimmer im zweiten Stock mit Blick auf die Seine. Sogar vom Bett (das höchstens hundertzwanzig Zentimeter breit war!) konnte man die vorbeifahrenden Containerschiffe beobachten. Sie machten einen höllischen Lärm, noch viel lauter als D–Züge.
Foto 03: Seine mit Containerschiff, Ausblick aus unserem Zimmer
Die Hostellerie war ein traditionelles Haus mit hervorragender Küche. Peter war entzückt, studierte lange die Speisekarte und übersetzte mir die französischen Gerichte. Ich legte mich erschöpft in das kleine Bett und versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass ich es mit Peter teilen musste. Wenigstens hatte ich mein orthopädisches Kopfkissen bei mir, nur die Ohropax waren noch im Auto. (Peter schnarchte meist ziemlich laut.) Die Sonne ging langsam über der Seine unter, auch das konnte ich vom Bett aus sehen. Ich schickte Peter allein zum Essen, ich fühlte mich gar nicht gut. Ich übergab mich und begann, abwechselnd zu frieren und zu schwitzen, fühlte mich schwach und nahm als Prophylaxe Perenterol (zur Beruhigung des Darms) und Elotrans (Mineralien bei starkem Flüssigkeitsverlust). Aber es blieb nichts davon in mir drin.
Als Peter zurückkam, er hatte phantastisch gegessen, entschieden wir uns, einen Arzt zu rufen. Kein Problem, sagte der freundliche Portier. Nach etwa fünfzehn Minuten kamen drei Feuerwehrleute in roten Overalls und der Oberkellner als Dolmetscher, der noch seine Arbeitskleidung trug, einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine Fliege. Allerdings sprach er nur Französisch, obwohl er angeblich der einzige war, der etwas Englisch verstand. Einer der Feuerwehrleute hatte einen Pickel (im Gesicht) und eine monströse Sauerstoffflasche (auf dem Rücken). Ein anderer stand herum, sah sich um und diskutierte mit den anderen. Ein dritter zog Handschuhe an, fühlte meinen Puls und maß meinen Blutdruck. – Alles in Ordnung. Ich versuchte, dem Oberkellner meine Symptome zu erklären. Peter grinste, ich nahm an, er amüsierte sich über mein schlechtes Englisch, die Feuerwehrleute und die Situation insgesamt.
Ich brauchte also keinen Sauerstoff. Die Feuerwehr rückte ab und der Oberkellner versprach, einen Arzt zu rufen.
Peter marschierte in dem kleinen Zimmer auf und ab, in dem Hunderte kleiner Fliegen und Mücken an der Decke entlangschwirrten. Es war inzwischen dunkel. Der Vollmond schien ins Zimmer herein und die Seine reflektierte sein Licht.
Nach weiteren zwanzig Minuten, es war inzwischen zweiundzwanzig Uhr dreißig, kam ein junger schmaler Arzt mit Locken und Nickelbrille. Erneut wurden Blutdruck und Puls kontrolliert, anschließend eingehend meine Zunge untersucht, der Bauch abgetastet und die Lunge abgehört. Das alles ergab folgende Diagnose: Akute, krampfartige Magenschleimhautentzündung. Der Herr Doktor stellte ein Rezept aus, erklärte Peter, er könnte die Medikamente heute Nacht noch abholen und verabschiedete sich. Peter schloss die Tür, fing an zu lachen und fragte mich, wie ich auf das Wort spy für spucken käme. „Meintest du vielleicht speiben? Aber das ist eher bayerisch.“ Jetzt bog er sich vor Lachen, winkte mir, dem speibenden Spion, zu und machte sich auf den Weg. (Leider kein Foto vorhanden.)
Erst nach über einer Stunde kehrte Peter zurück und schilderte mir seine Erlebnisse. Der Oberkellner hatte inzwischen Dienstschluss gehabt und war schon nicht mehr ganz nüchtern gewesen. Er hatte erst mit der Polizei telefoniert, um in Erfahrung zu bringen, welche Apotheke Notdienst hatte und weckte anschließend den Apotheker zu Hause, um ihm mitzuteilen, dass er zu seiner Apotheke fahren solle. Danach bot er Peter an, ihn zu der fünfundzwanzig Kilometer entfernten Apotheke zu chauffieren. Das war wirklich nett, aber Peter war ein ängstlicher Beifahrer. Seiner Aussage zufolge war der angetrunkene Oberkellner mit über hundert Kilometer pro Stunde über eine enge löchrige Landstraße gebrettert, permanent quasselnd und ohne auf die Straße zu achten. Ich war froh, dass er unverletzt zurückgekehrt war.
Peter fiel erschöpft ins Bett und überreichte mir meine Medikamente, Antispucktabletten, Antidiarrhoika und "Gipspulver" (Beutel mit dem Inhalt eines weißen Pulvers zum Auflösen in Wasser) für den Magen.
Meine Ohropax waren immer noch im Auto. Aber Peter wollte nun nicht mehr. Er war zwölf Stunden Auto gefahren und mehrere Stunden um meine Gesundheit bemüht gewesen, der Arme. Jetzt fielen die Fliegen von der Decke. Peter sprang aus dem Bett und bekämpfte sie mit Spray. Es stank entsetzlich.