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7. Kapitel

Das Dinner war vorüber und alle Gäste strömten aus dem Speisezimmer. Bella beobachtete, wie die rotblonde Dame sich erneut bei John Miller unterhakte und mit ihm den Raum verließ.

Bella selbst war damit beauftragt, dem Küchenpersonal noch beim Abräumen der großen, vollgeräumten Tafel zu helfen, um dann anschließend mit ein paar anderen im Salon nach dem Rechten zu sehen. Sie half also eifrig mit und war sich nicht sicher, ob sie sich darauf freuen sollte, ihm später womöglich wieder zu begegnen, oder ob sie einen erneuten peinlichen Zusammenstoß lieber vermeiden sollte. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie sich irgendwie immer noch nach ihm sehnte und das unangenehme und ungeschickte Gespräch von vorhin am liebsten wiedergutmachen wollte. Denn so kannte Bella sich selbst gar nicht. Normalerweise war sie taff und keinesfalls auf den Mund gefallen. Für gewöhnlich konnte sie gut für sich selbst einstehen und war mutig und hellwach.

Doch ihre plötzliche Begegnung zuvor mit John Miller hatte sie beinahe wie in einem Traum erlebt. So als wäre sie nicht ganz wach und bei Sinnen gewesen. Sie hatte die Kontrolle über sich selbst und ihr Sprachvermögen offenbar komplett verloren. Vermutlich dachte der Earl nun ohnehin, dass sie etwas seltsam war. Bella könnte es verstehen. Sie selbst würde das wohl auch über sich denken, wäre sie sich vorhin begegnet.

Nachdem die Tafel soweit frei geräumt war und einige andere Dienstmädchen noch damit beschäftigt waren, diese gänzlich zu säubern, machte sich Bella auf zum Salon. Wahrscheinlich würde sie dort ohnehin nur die Damen antreffen, außer die Herren verzichteten an diesem Abend auf ein Glas Brandy. Da Greg kein großer Freund des Alkohols war, hatte diese Tradition mit seiner Übernahme des Anwesens so gut wie aufgehört. Früher, als Lord Fortescue hier noch das Sagen gehabt hatte, war es durchaus üblich gewesen, dass sich die Gäste nach einem gemeinsamen Dinner in die Damen und Herren aufgeteilt hatten. Die Frauen waren dann stets in den Salon zum Plaudern gegangen, während die Männer im Kaminzimmer oder sogar im Arbeitszimmer etwas Stärkeres getrunken hatten. Bella war nun gespannt, was sie an diesem Abend erwarten würde.

Tatsächlich war es so, dass sie alle gesammelt im großen blauen Salon vorfand. Der Duke und seine Familie saßen zusammen mit einem Earl und Lord und Lady Fortescue an einem der gemütlichen kleinen Tische, die von einem Sofa und mehreren gepolsterten Stühlen umgeben waren. Claire und Greg standen zusammen mit Claires Jugendfreundin und deren Familie und einigen Tanten und Cousinen in einem Grüppchen beisammen. In dieser Runde entdeckte Bella nun auch die rotblonde Schönheit, die John Miller begleitete. Johns Eltern saßen aber mit zwei weiteren älteren Herrschaften an einem anderen Tisch und plauderten gediegen.

Doch wo war John? Bella entdeckte ihn hinter der stehenden Gruppe an den Kamin gelehnt. Er starrte ins Feuer und wirkte nicht besonders begeistert, im Gegenteil. Bella kam es so vor, als fühlte er sich eher unwohl und als wollte gar nicht hier sein. Zu gerne wäre sie einfach zu ihm gegangen und hätte ihn danach gefragt. Dies war aber undenkbar, da sie nur eine Bedienstete war.

Bella verstreute sich also mit den anderen Dienern quer durch den Raum, um die Gäste nach Getränkewünschen zu befragen. Sie begann damit an dem Ende des Salons, das möglichst weit entfernt und außer Sichtweite von John Miller war. Höflich nahm sie die Wünsche der sehr netten und bescheidenen Gäste entgegen und beeilte sich, mit den gewünschten Getränken wiederzukehren.

Als sie gerade ihr Tablett geleert hatte wurde sie plötzlich von hinten angesprochen.

„Entschuldigen Sie bitte. Könnten Sie mir rasch ein Glas Champagner bringen? Ich verdurste aufgrund der trockenen Luft. Und der Diener, den ich beauftragt habe, ist offenbar viel zu langsam für seine Aufgabe.“

Bella wandte sich verdutzt um und erkannte sie. Es war die große, schlanke und rothaarige Verlobte von John Miller. Ungläubig und etwas überrumpelt sah Bella zu ihr hoch.

Aufgrund fehlender Optionen anders handeln zu können erwiderte sie nur untertänig: „Natürlich, sehr gerne.“ Und machte schnell kehrt.

„Schön kühl bitte! Es gibt nichts Schrecklicheres, als warmen Champagner“, hörte sie die rothaarige Schönheit, wie sie hinter ihr nachrief.

Bella verdrehte unwillkürlich die Augen. Nun verstand sie, was Claire zuvor gemeint hatte. Diese Verlobte war tatsächlich mehr als furchtbar. Unausstehlich, um genau zu sein. Wie konnte John Miller sich nur eine solche Frau aussuchen? Und es mit ihr aushalten? Sah er vielleicht deswegen derart bedrückt aus? Dann sollte er diese Verlobung schleunigst lösen und die gute Dame ziehen lassen. Was allerdings noch schlimmer wäre – oder aber sogar ein Segen und der Schlüssel zu Bellas emotionaler Freiheit – dass John Miller selbst derart unausstehlich war und es bislang vor Bella nur gut verborgen hatte. Vielleicht passten er und diese kritische, anstrengende Frau ja bestens zueinander.

Bella war nun mehr entschlossen denn je, es herauszufinden. Was hatte es dann aber mit ihren Gefühlen für ihn auf sich? Sie musste es unbedingt herausfinden. Denn wenn John Miller sich als ebenso schnöselig und ungut entpuppte, wäre sie endlich geheilt.

Nachdem Bella der Verlobten das Glas Champagner gebracht hatte – diese hatte es mit gerümpfter Nase entgegengenommen, denn offenbar hatte es auch Bella nicht ganz geschafft, sie wunschlos glücklich zu stimmen – kehrte Bella ihr den Rücken zu und schnaubte einmal durch. Sie warf einen Blick zum Kamin, aber John Miller war nicht mehr dort. Schnell tastete sie mit ihrem Blick den Raum nach ihm ab, es gab tatsächlich keine Spur mehr von ihm. Wo war er abgeblieben?

Bella besann sich darauf, nun nicht nur an ihn zu denken und ihm nachzustellen und verließ nach einigen neuerlichen Getränkewünschen den Salon. Sie ließ das Tablett sinken und machte sich langsam auf den Weg in Richtung Küche. Nun knurrte auch ihr der Magen und sie sollte dringend selbst etwas zu sich nehmen. Sie würde einfach jemand anderen zurück in den Salon schicken, um die restlichen gewünschten Erfrischungen zu servieren. Sie selbst wollte sich nun eine Pause gönnen.

Als sie gerade an der Treppe vorbeiging wurde sie plötzlich von der Seite am Arm gepackt und in eine dunkle Nische unter den Stufen gezogen. Bella wusste gar nicht, wie ihr geschah und sie fand sich plötzlich in den Armen eines gut duftenden Mannes wieder, der nun sachte und zärtlich seine Lippen auf die Ihren legte. Bella erkannte ihn, es war John Miller. Etwas unter Schock war sie im Augenblick erstarrt und ließ ihn gewähren. Plötzlich, als seine Lippen die Ihren berührten und mehr forderten, schwand ihre Schockstarre und Wärme durchströmte sie. Unwillkürlich hielt sie sich an seinen offenbar muskulösen Oberarmen fest und gab sich ihm hin. Bella schloss die Augen und begann zu fühlen. Sie roch und spürte John Miller, zum ersten Mal in ihrem Leben. Und es war genauso, wie sie es sich immer erträumt hatte.

John konnte im Augenblick selbst nicht fassen, was er da gerade tat. Er hatte eine an und für sich fremde Bedienstete, deren Namen er nicht einmal wusste, in eine dunkle Nische gezogen und küsste sie. Er betrog seine Verlobte und seine Eltern. Er betrog im Grunde jeden hier in diesem gesamten großen Haus. Doch warum fühlte es sich nur derart richtig und gut an?

Er bemerkte, wie sich die etwas kleinere Zofe plötzlich in seinen Armen entspannte und offenbar genoss, was er mit ihr tat. Dies schürte ein Feuer in ihm, das ihm bislang völlig unbekannt war. Sanft drückte er sie nun fester an sich und strich mit seiner Zunge über ihre Unterlippe. Sie öffnete ihm daraufhin ihren Mund und er konnte den Kuss vertiefen. Als sich ihre Zungen trafen und sie in einem innigen, leidenschaftlichen Kuss verschmolzen, schwanden John beinahe die Sinne. Er vergaß wo er war und warum er hier war. Er fühlte sich nun endlich am richtigen Ort angekommen und entbrannte in purer Leidenschaft. Der zarten Frau in seinem Arm schien es ähnlich zu ergehen.

Bella wusste nicht mehr, ob sie träumte oder wach war. Es war alles noch viel schöner, als sie es sich jemals hätte vorstellen können. Sie passte perfekt in Johns Arme und er fühlte sich warm und weich an. Dennoch spürte sie deutlich das Muskelspiel seiner Oberarme unter ihren Händen. Unwillkürlich wanderten ihr Finger weiter hinauf zu seinem Nacken und sie begann, ihn dort sanft zu liebkosen. Der Kuss wurde immer tiefer und leidenschaftlicher und Bella glaubte, hier und jetzt zu vergehen. Es existierte sonst nichts mehr auf der Welt. Nur mehr noch sie beide in inniger Vereinigung. Raum und Zeit verloren an Bewandtnis und dies hier war nun der wichtigste Moment ihres Lebens. Die einzige Wahrheit und Realität, die sie kannte. Ihr Verstand verabschiedete sich und ihr Herz siegte. Sie hatte sich nicht geirrt. John Miller war großartig und sie wollte ihn mit Leib und Seele. Auch wenn es vollkommen irrational und falsch war. Doch daran wollte und konnte sie im Augenblick nicht denken.

Sie küssten und hielten sich fest - wie lange konnte Bella nicht sagen. Irgendwann neigte sich dieses überraschende Intermezzo aber dem Ende zu und ihre Lippen lösten sich sanft voneinander. Nun blickte John ihr in die Augen. Seine grünen Augen funkelten und strahlten sie an. Er sah nun keineswegs mehr bedrückt oder unglücklich aus, ganz im Gegenteil.

John Miller setzte ein unwiderstehliches Lächeln auf, lehnte sich etwas zurück, um sie besser ansehen zu können und sagte: „Hi.“

Bella sah ihm daraufhin direkt in die Augen und blickte ihn vermutlich immer noch etwas entgeistert an.

„Hi“, gab sie gehaucht und nach wie vor etwas außer Atem zurück.

„Es tut mir leid, dass ich Sie so überfallen habe. Aber ich wollte es wissen“, erklärte er sich kurz und etwas rätselhaft.

Bella sah ihn gewiss mit großen Augen an, denn sie war immer noch etwas verblüfft.

„Was wollten Sie wissen?“, brachte sie dann doch heraus.

John überlegte offenbar einen Augenblick, was er nun antworten sollte.

„Ich wollte wissen, ob mein Gefühl mich täuscht oder nicht.“

„Welches Gefühl denn?“ Bella hatte offenbar wieder in ihre gewohnte Redegewandtheit zurückgefunden und schaffte es, ihm zu antworten und Fragen zu stellen.

„Das Gefühl, dass Sie etwas ganz Besonderes sind und ich Ihnen nahe sein möchte.“

Bella war etwas überrascht aufgrund seiner direkten Ehrlichkeit. Gleichzeitig war sie sehr froh darüber, dass er offenbar derart aufrichtig und nett war. Hoffentlich spielte er aber nicht nur mit ihr.

„Ja? Hatten Sie dieses Gefühl? Seit wann denn?“, wollte sie nun wissen.

John überlegte wieder einen Moment.

„Seit über sieben Jahren, um genau zu sein. Nur hatte es damals keine Gelegenheit gegeben, dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Außerdem…“

John brach ab, denn offenbar war er im Begriff etwas zu sagen, das er nun doch lieber verschweigen wollte. Bella ahnte, was es war.

„Außerdem bin ich nur eine Bedienstete und Sie sind ein angesehener Earl“, beendete Bella nun etwas gekränkt, aber durchaus realistisch seinen Satz.

John schwieg, was für Bella eine stille Zustimmung war. Unwillkürlich löste sie sich aus seinen Armen und trat einen Schritt zurück.

Es war recht düster in dieser Ecke, John konnte aber deutlich erkennen, wie ihre wunderschönen großen, dunklen Augen ihn nun anfunkelten. Bereits jetzt tat ihm leid, was er da soeben begonnen hatte und nun selbst nicht mehr weiterwusste.

„Warum haben Sie das dann überhaupt getan? Wollten Sie nur kurz Ihren Spaß haben? Glauben Sie, nur weil ich von niederer Herkunft bin könnten Sie mit mir Ihre Spielchen treiben?“

Oh nein, sie war offenbar richtig wütend geworden. John wollte keinesfalls nur seine Spielchen mit ihr treiben. Aber sie hatte recht, was wollte er eigentlich? Und seit wann war er derart impulsiv und gab so unüberlegt seinen Gefühlsregungen nach? So kannte er sich gar nicht. Diese Zofe löste irgendetwas in ihm aus, das ihm bislang unbekannt gewesen war.

„Nein, ich möchte keinesfalls nur Spielchen mit Ihnen treiben. Ich hatte doch bereits gesagt, ich empfinde da etwas und wollte dem nachgehen, sehen wo es hinführt. Ich weiß selbst nicht, was ich eigentlich erwartet hatte. Vielleicht, dass wie durch ein Wunder alles gut werden würde.“

Nun war auch John etwas erregt und stützte ein wenig verzweifelt und ratlos seine Hände in die Hüften.

„Aber Sie können doch nicht einfach so über mich herfallen und erwarten, dass ich die Situation für uns beide löse! Außerdem sind Sie verlobt! Stellen Sie sich nur vor, man hätte uns dabei gesehen“, gab Bella nun sehr erregt von sich.

In diesem Augenblick wurde ihr auch klar, dass jemand ihr Gespräch belauschen könnte und sie rief sich rasch zu innerer Ordnung. Schnell richtete sie sich gerade auf und strich ihre Schürze und ihr Kleid wieder glatt.

„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss weiterarbeiten“, gab sie gespielt kühl von sich und wollte gehen.

Er hielt sie aber sanft am Arm fest und zog sie noch einmal an sich heran. Schnell legte er seine Lippen auf die Ihren und gab ihr einen sanften Kuss.

„Es tut mir leid“, raunte er. „Manchmal weiß ich nicht, was ich tun soll. Und ich hatte wohl gehofft, hier mit Ihnen die Antwort darauf zu finden. Ich wollte Ihnen keineswegs schaden. Bitte verzeihen Sie mir.“

Bella sah ihm in die grünen aufrichtigen Augen. Er meinte es ernst. Aber wie konnte ein derart mutiger und anscheinend aufgeräumter Mann selbst so mit seinen Gefühlen hadern? Was steckte dahinter? Bella empfand Mitgefühl, obwohl er ihr eigentlich komplett fremd war. Dennoch hatte sie ihn schon derart lange in ihrem Herzen getragen, dass da bereits eine gewisse unnatürliche Verbundenheit vorhanden war.

„Ist gut, ich bin nicht böse. Ich muss nur mein eigenes Herz schützen. Ich habe Angst, verletzt zu werden“, gestand nun auch sie offen und ehrlich und war darüber selbst überrascht.

Dankbar blickte er sie an und schenkte ihr noch ein sanftes Lächeln. Dann ließ er sie ziehen.

Bella eilte rasch zurück in Richtung Küche, entschied sich dann aber spontan, kurz den hoffentlich einsamen Speisesaal aufzusuchen. Sie musste unbedingt für einen Moment alleine sein, um wieder zu Sinnen zu kommen. Sie war derart aufgewühlt und verwirrt, so konnte sie unmöglich unter die Augen der anderen treten.

John blieb in der Dunkelheit dieser Nische zurück. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Eigentlich war er hierhergekommen, um für ein paar Minuten aus den Fängen seiner herrischen Verlobten zu entkommen und kurz für sich zu sein. Er hatte nicht gewusst, wo er sonst hingehen sollte.

Als dann aber überraschenderweise diese Zofe, die anziehende junge Frau mit den einzigartigen großen Augen vorbeigekommen war, hatte wohl sein Verstand ausgesetzt. Er hatte impulsiv und unüberlegt gehandelt. Wobei, so unüberlegt war es vielleicht gar nicht gewesen. Seit er hier angekommen war und auch schon damals vor sieben Jahren, hatte er von solch einer Szene nur träumen können. Und in der Tat war es mehr als erregend und schön gewesen, sie in seinen Armen zu halten und derart leidenschaftlich und innig zu küssen. Sie schmeckte wunderbar und hatte sich einfach nur gut und weich angefühlt. Ganz so, wie er es erwartet hatte. Ohne es wirklich geplant zu haben oder lange darüber nachgedacht zu haben, hatte er sie nun endlich probieren wollen. Es war wie ein Wink des Schicksals gewesen, dass sie wieder hier war und er diese zweite Chance bekommen hatte, nachdem er sie so lange Zeit nicht vergessen hatte können. Jedoch wusste er immer noch nicht ihren Namen. Er hätte sie nun danach fragen können und hatte komplett darauf vergessen. Wenn sie aber bei ihm war, spielte dies keine Rolle. Doch nun wünschte er, er wüsste, wie er sie zumindest in seinen Gedanken nennen konnte. Derweilen würde sie wohl einfach die Zofe sein. Bei nächster Gelegenheit wollte er sie sofort nach ihrem Namen fragen.

Doch was sollte er nun tun? Würde es überhaupt eine nächste Gelegenheit geben? Oder würde sie ihm von nun an aus dem Weg gehen? John konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn nicht auch wiedersehen, sich nicht erneut in seinen Armen finden wollte. Offenbar hatte sie es genauso genossen wie er. Nur wusste sie, dass sie beide eigentlich keine Chance hatten zusammen zu sein. Jedoch hatte sich nicht auch Miss Claire damals allen Regeln widersetzt und das Glück ihres Lebens mit einem mittellosen Stallburschen gefunden? Und alles war letztendlich gut ausgegangen.

Doch wie konnte dies nun in Johns Leben geschehen? Er hielt seinen eigenen Vater für wesentlich sturer und engstirniger, als es offenbar Lord Fortescue gewesen war. Er hatte schließlich eingesehen, dass seine Tochter Greg Harrison liebte und er sie glücklich machen würde. Doch würde es Johns Vater überhaupt interessieren, was seinen Sohn glücklich machte? Oder wollte er einfach nur einen würdigen Nachfolger heranziehen, mit der besten und vorteilhaftesten Partie an seiner Seite. So schien es John. Deshalb hatte ihn sein Vater vor fünf Monaten letztendlich auch zu dieser Verlobung überreden können. Er hatte John vorgehalten, dass er mit seinen dreißig Jahren nun endlich vernünftig werden und vorteilhaft heiraten müsse, sonst würde es ein schlechtes Licht auf ihn und seine Familie werfen. Vater wollte vermeiden, dass die Leute noch anfingen, irgendetwas über John zu denken und zu munkeln, da er sich bislang geweigert hatte, sich zu binden.

John hatte bisher aber in keiner Frau gefunden, was er gesucht hatte. Vielleicht hatten auch diese braunen Rehaugen - die er sich einfach nicht mehr aus dem Kopf hatte schlagen können - eine Rolle dabei gespielt. Nur deshalb war er so bereitwillig mit hierhergekommen. Nicht, um der eindringlichen Bitte seines Vaters zu folgen, nun endlich zu seiner Verlobung zu stehen und sich bei versammelter Gesellschaft zu präsentieren - was John bislang tunlichst vermieden hatte. Nein, er war hergekommen um vielleicht ihr wieder zu begegnen, der wunderschönen, geheimnisvollen Zofe. Und nun war es tatsächlich geschehen und er hatte es vermutlich vermasselt. Wie hatte er sich auch nur derart plump und unüberlegt an sie heranmachen können? Es sah ihm gar nicht ähnlich. Aber irgendwie schien sie das Tier in ihm zu wecken. Ob das eine gute Entwicklung war, wusste John noch nicht.

Der Abend neigte sich dem Ende zu und Bella vermied es, erneut in den Salon zu gehen. Sie war immer noch zu aufgewühlt und verwirrt, um unter die Gäste gehen zu wollen und womöglich ihm und seiner Verlobten zu begegnen. Ihr wollte sie am liebsten überhaupt nie wieder begegnen. Ihm dafür umso öfters. Er hatte mit seiner überfallsartigen Verführung – wenn man es denn so nennen konnte - tatsächlich etwas in ihr ausgelöst, noch stärkere Gefühle bewirkt. Es war keinesfalls so, dass Bella nun mit dieser einen intimeren Begegnung zufrieden wäre. Ganz im Gegenteil. Sie sehnte sich nun beinahe schmerzlich nach ihm und seiner erneuten Berührung. Ihr ganzer Leib verlangte nach ihm. Und sie würde es gewiss nicht aushalten, nun in seiner Nähe zu sein und ihn mit dieser Verlobten zu sehen. Es würde Bellas Herz brechen und ihr sehr wehtun. Deshalb musste sie ihm von nun an aus dem Weg gehen. Doch wie sollte sie das schaffen?

Ein Earl zu Weihnachten

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