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LEBEN IM VIRTUELLEN RAUM
ОглавлениеDie sozialen Medien sind für unser Gehirn jedoch wie eine Droge. Es ist kein Geheimnis, dass dies vor allem mit dem Nervenbotenstoff Dopamin zusammenhängt. Dieses Glückshormon, wie es auch genannt wird, ist für die Kommunikation der Nervenzellen untereinander zuständig. Es wird beispielsweise beim Sport, beim Drogenkonsum und beim Sex, aber auch beim Scrollen durch die Instagram-Storys oder durch ein positives Feedback auf ein Foto oder ein Video in Form eines Likes freigesetzt. Dabei werden dieselben Regionen im Hirn aktiviert wie bei Spielsüchtigen oder einem Junkie. Im ersten Moment denkst du vielleicht: Ist doch super, wenn ich dieses Dopamin durch den Konsum der sozialen Medien bekomme, besser als Drogen zu nehmen! Aber das stimmt nicht.
Im echten Leben sitzt du mit deinen Eltern oder mit deinen Liebsten zusammen und unterhältst dich mit ihnen. Du kannst sie nicht einfach wegscrollen, wenn du keine Lust mehr auf eine Kommunikation mit ihnen hast. Im besten Fall verbringt ihr eine tolle Zeit miteinander und vertieft eure Beziehung. Dabei bist du dazu aufgefordert, den Fokus für einige Zeit auf eine einzige Sache zu lenken, ohne dabei einen unmittelbaren Dopamin-Kick zu bekommen. Und genau da fangen die Probleme an.
Im Jahr 2015 veröffentlichte Microsoft Kanada eine Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne mit acht Sekunden kürzer geworden ist als die eines Goldfischs, der ganze neun Sekunden konzentriert bei der Sache bleiben kann.16 Ich weiß nicht, ob diese Studie stimmt und wie sie aufgebaut wurde, doch dass die Aufmerksamkeit vor allem bei jüngeren Menschen in den vergangenen zehn Jahren rapide abgenommen hat, ist kein Geheimnis. Schon heute lassen sich zehnjährige Kinder mit ihrem Smartphone während des Abendessens durch Dopamin-Ausschüttungen stimulieren. Ein Besuch im Disneyland ist dagegen ein langweiliger Ausflug. Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick – da sind innere Unruhe und Unzufriedenheit vorprogrammiert.
Das Leben anderer Menschen zu verfolgen und sein eigenes dabei zu vernachlässigen, ist für viele von uns so normal geworden, dass wir es gar nicht mehr bemerken. Nicht wenigen ist es wichtiger, auf Social Media ein tolles Erscheinungsbild von sich abzugeben und die eigene virtuelle Identität aufrechtzuerhalten, als sich mit dem echten Leben auseinanderzusetzen. Manche dieser Menschen kaufen sich Dinge, die sie nicht brauchen, mit Geld, das sie nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die sie noch nicht einmal kennen oder mögen. Es ist inzwischen jedem bekannt, dass die meisten Userinnen und User in den sozialen Medien nur das Schönste und Tollste auf ihrem Account preisgeben. Bilder und Videos werden meistens in der vorteilhaftesten Pose im besten Licht gemacht und anschließend mit einem der unzähligen Filter bearbeitet.
Wenn du nun beginnst, dich auf diesen Plattformen zu vergleichen, kannst du leicht auf den Gedanken kommen, dass du ein Loser bist und es in deinem Leben bisher zu nichts gebracht hast. Der Vergleich mit anderen öffnet nämlich ein Tor zu Unzufriedenheit und Frustration. Und ich befürchte, das ist erst der Anfang.