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Kapitel 3

Professor Dr. Moore verließ den Fahrstuhl, nachdem ihm dort eine computergenerierte Stimme «Angenehme Nachtruhe!» wünschte.

„Nachtruhe?“ murmelte er, „wie schreibt man das?“

Dann schritt er in erhöhtem Tempo durch einen schmalen Gang, öffnete eine Glastür und betrat einen rundumlaufenden Balkon. Vom zehnten Stock aus war die Aussicht grandios. In der Ferne erkannte er das Parlamentsgebäude, das immer noch populäre – «London Eye» genannte– Riesenrad, früher eines der Wahrzeichen Londons und die Themse. Mit einer Hand fuhr er hastig in die Innentasche seines weißen Kittels und fingerte eine Zigarettenschachtel und Streichhölzer heraus. Er genoss den ersten Zug und stieß Rauch aus, während ihn ein nie zuvor mit dieser Intensität erlebtes Gefühl unsagbarer Genugtuung überkam. Er neigte den Kopf zurück und lehnte sich an der Wand an. Über London war schon die Nacht hereingebrochen. Aber «Nacht» oder «Tag», was bedeutete das für ihn, einen Mann, der in ganz anderen Kategorien dachte.

Wenn ich mir vorstelle, dass noch niemand davon weiß…Er spürte mit einer gewissen Beklemmung, dass es ihm zusehends schwerer fiel, sein Geheimnis für sich zu behalten. Professor Moore nahm einen weiteren Zug an der Zigarette und blickte erneut in die Weite.

Ein guter Schachzug, dass ich die Räume im Untergeschoss als «Lager für Büromaterial und Einrichtungsgegenstände» deklariert habe. Auch die schalldichte Isolierung, getarnt als Wärmedämmung, war eine gute Idee. Sonst hätte eines Tages vielleicht doch noch jemand irgendwelche Laute gehört. Offiziell arbeite ich in den oberen Etagen, an vergleichsweise harmlosen Projekten.

Zehn Jahre harter Arbeit, davor die Studienzeit: London, Harvard. Gar nicht zu reden von intensiver Weiterbildung, oft bis in die Nacht oder bis zum Morgengrauen. Dabei immer nur EIN ZIEL vor Augen, das ich anderen gegenüber – zumindest in den ersten Jahren – nie formuliert habe. Nun fühle ich mich wie ein Bergsteiger, der nach langem, äußert mühsamem Aufstieg endlich den Gipfel des höchsten Berges der Welt erreicht hat und dem sich eine einmalige, grandiose Aussicht bietet, ein Anblick, der anderen verschlossen ist.

Er zerdrückte den Zigarettenstummel mit dem Absatz. Nein, der Vergleich hinkt natürlich. Damit lässt sich noch nicht einmal die Mondlandung vergleichen!

Nun überkam ihn erneut eine Unruhe und innere Bewegtheit, die in eine Art Rausch übergingen. Das müsste gefeiert werden! Doch mit wem? Vor seinem geistigen Auge tauchte die Gestalt von Professor Dr. Frank Lewis auf. Er bemühte seine Erinnerung und ließ Gespräche und Begegnungen mit ihm Revue passieren. Dabei war er sich bewusst, dass sein alter Bekannter eine der seltenen Personen war, die man als verschwiegen bezeichnen konnte.

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