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Nachtgedanken von Friedrich von Schiller (1759–1805)
ОглавлениеAuch ich ein Sohn aus Schwabenland
Dies machte mir zu schaffen
Bis nach und nach ich Mittel fand
Die Mundart mir zu straffen
Denn wenn ich schrieb, so hörte man nichts,
Keine schwäbisch-verschrobenen Laute
Die Feder nur kratzte, bei talg-trübem Licht
Indes ich fünf Akte erbaute
Mein Atem nur ging und ich überließ
Den Gestalten des Stückes zu sprechen
Bis tief in der Nacht ich die Kerze ausblies
Um vorm Schlaf noch ’nen Becher zu zechen
Das Schwaben- ist fürwahr ein Land
Der Denker, der Tüftler und Dichter
Auch ich kam dem großen Immanuel Kant
Nach einem Jahrzehnt auf den Trichter
Zehn Jahre das Hirn zermürbt mir mit Kant
Dies konnte von Goethe nie fassen
Es brachte der Kant mich fast um Verstand
Doch konnte von ihm ich nicht lassen
War’s Schicksal, das mich nach Weimar geführt?
Ich sehe Ihn heut noch erscheinen
Den Genius habe sofort ich gespürt
Doch zugleich und nicht minder den meinen
Wie habe ich Goethe zu Anfang gehasst
Sein olympisch einnehmendes Wesen…
Ich hätt’ ihn als Herzog aus Weimar geschasst
Und hab doch so gern ihn gelesen
Es lag darin ein tiefer Sinn
Ich kam, um Ihn zu begleiten
Doch dass Ich als Dramatiker besser bin
Wird niemand wohl ernsthaft bestreiten
Sein Opus FAUST, die Elegie
Die im Bad von Marien ihm entflossen
Es hilft alles nichts, dies erreichte ich nie
Ich habe trotzdem sie genossen
So nach und nach verstand ich ihn tief
Bis ich Goethe den Goethe erklärte
So dass er mich öfter zu sich berief
Da ich mich als Dolmetsch‘ bewährte
Nur eines ging mir gegen den Strich
Seine elenden Weibergeschichten!
Da war er wirklich ein Liederlich
Doch half es ihm scheinbar beim Dichten
Ich sehe ihn noch: Wie er, die Arme verschränkt
Gehalten hinter dem Rücken,
Im Parke wandelnd, die Metamorphose bedenkt
Sein Schluss konnte mich nicht entzücken
Sein Denken glich platonischem Schauen
Da fehlte die kantische Strenge!
Er schien meinen Einwand leicht zu verdauen
Und schlug öfter noch über die Stränge
Doch einmal hat er kalt mich erwischt:
Als Weimar er bei Nacht und Nebel verlassen
Er machte daraus so manches Gedicht
Der Mann war nie ganz zu fassen
Es war ihm Weimar als Kaff wohl zu öd
Da schien ROM ihm mehr angemessen
Klang sicher wie Wohllaut ihm: ‘Signor Goeth‘
Wenn er beim Italiener gegessen
In Rom schrieb er manch losen Reim
Und schickte sie dreist per Postille
Die Frauenzimmer gingen ihm auf den Leim
Der alten teutonischen Grille
Ihm half es, dass er Italienisch verstand
Er sprach es, akzentreich und fließend
Er war da schon immer äußerst gewandt
Ich fand das Ganze verdrießend
Als dann er schließlich zurückgekehrt,
Empfing ihn höfische Kühle
Die von Stein’sche hat ihm den Einlass verwehrt
Im Adel verletzt der Gefühle
Als ich dann so verfrüht verschied
Hat Goethe schwer gelitten
Ich sehe ihn noch, wie er zur Totengruft zieht
Er kam mit schweren Schritten
Er sah meinen Schädel voll Rührung an
Schrieb Verse, die unübertroffen
Nur lesen solltet Ihr’s dann und wann
Ich kann da nur weiter hoffen