Читать книгу Scherbentanz - Paul Fenzl - Страница 7
ОглавлениеKapitel 3
Interessant war dann der Bericht vom Dr. Michael Frank, dem Leiter der Gerichtsmedizin in Erlangen. Interessant vor allem wegen des Kalibers. Dass es ein großes gewesen sein musste, das hatte der Jung schon richtig gesehen. Aber dass es eines war, das in den alten Bundesländern bis zur Wende quasi gar nicht und danach auch nur selten auftauchte, das war durchaus außergewöhnlich. ›… Der fast 90° Einschusswinkel lässt darauf schließen, dass der tödliche Schuss fast in Gegenüberstellung des Mörders erfolgt sein muss. Der Aktenordner bremste die Durchschlagskraft der Kugel ab und verformte sie entsprechend, weshalb der Schusskanal überdimensional groß ausfiel. Das Geschoss durchschlug auf seinem weiteren Weg das Herz und blieb anschließend im T6 der Wirbelsäule stecken. Das Kaliber ist eindeutig 9,2 x 18 mm …‹
Soweit die Passage aus dem gerichtsmedizinischen Bericht, die den Köstlbacher am meisten interessierte.
9,2 x 18 mm! Dem Köstlbacher fiel dazu nur eine einzige Faustfeuerwaffe ein, die dieses Kaliber hatte. Eine Pistole Makarow, wie sie in der ehemaligen DDR in der NVA üblich war. Spontan dachte er in diesem Zusammenhang an Roland Zeller.
Falls du dem Köstlbacher seine beiden letzten Fälle kennst, deren Lösung ihm einige graue Haare bescherten, dann hast du auch schon was von dem Roland Zeller gehört. Ehemals, als er noch DDR-Bürger war, hieß er Oskar Lischka. Nach einigen Stationen in seinem Leben, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, wurde in Bayern aus dem Oskar Lischka ein Roland Zeller, der bald auf der Gehaltsliste des Freistaats Bayern stand, auch wenn er als zweites Standbein – vielleicht auch nur zum Schein – ›Rosi’s Fahrschule‹ betrieb.
Natürlich hätte der Köstlbacher jetzt auch andere Kanäle anvisieren können. Aber der Roland hatte unschätzbare Erfahrungen, als Soldat im Kriegseinsatz in Afghanistan, als universeller Undercover-Agent, nicht nur für die Mordkommission, als Agent beim LKA, manchmal sogar beim BKA. So einer, der kennt Verbindungen und hat spontan Zusammenhänge parat, frage nicht! Die spuckt kein noch so gutes Computerprogramm aus.
Und weil der Köstlbacher trotz aller Subordinationsprobleme vom Roland den Teufelskerl irgendwie mochte, hat er einfach zum Telefon gegriffen und seine Handynummer im Verzeichnis angeklickt.
»Roland, bist du dran?«, fragte er, weil die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht wirklich bekannt klang.
»Bist schon richtig! Hab’ mir nur eine Erkältung eingefangen!«, antwortete der Roland. »Was liegt an?«
»Kaliber 9,2 x 18 mm! Sagt dir das was?«, fragte der Köstlbacher.
Das war das Schöne am Roland! Bei ihm musste man nicht erst lang um den Brei herumreden. Das Wichtigste in einem Wort und der Roland würde wissen, worum es ging und was er dazu beitragen könnte.
»Hm!«, sagte der Roland. »Gute Pistole! Viele registrierte dürften in Bayern nicht zu finden sein! Die gab’s übrigens auch offiziell als schallgedämpfte Version.«
»Bist du zur Zeit in Regensburg?«, fragte der Köstlbacher. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, nicht zu viel übers Telefon zu äußern. Nicht nur Amerika hörte ab!
»Ja! Ich hätte sogar auf ein Bier Zeit für dich. Meine Kollegin hat meine Fahrstunden übernommen, damit ich meine Erkältung auskurieren kann.«
»Und das möchtest du bei einem Bier tun«, schmunzelte der Köstlbacher, der die Vorliebe vom Roland für ein frisches Weißbier nicht erst seit gestern kannte.
»Was dagegen?«, fragte der Roland.
»Natürlich nicht! In einer Stunde im Fürstlichen Brauhaus? Ich hätte anschließend Feierabend und könnte daher eins mittrinken!«, antwortete der Köstlbacher.
»Gute Wahl! Bis dann!«, bestätigte der Roland und beendete das kurze Gespräch.
Die Zeit reichte, um vorab noch einmal den Bericht vom Dr. Michael Frank von der Gerichtsmedizin durchzulesen. Um eine bessere Vorstellung von der Pistole zu haben, die als Mordwaffe gedient haben sollte, gab der Köstlbacher ›Kaliber 9,2 x 18 mm‹ in die Suchmaschine Google ein. Schaute eigentlich auch nicht viel anders aus, als vergleichbare westliche Fabrikate! Fragt sich nur, über welche Kanäle so eine Waffe hier her gelangen konnte. Die Munition dazu musste ja auf demselben Weg gekommen sein. Hier war sie ja selbst für einen munitionserwerbsberechtigten Sportschützen nicht zu haben!