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Kapitel 4

Astrid Söll war außer sich, als sie von einer Geschäftsreise, auf der sie einen Teil ihrer Stoffe für die Produktion ihrer Dirndl Couture eingekauft hatte, nach Regensburg zurückkam, und die Feuerwehr mit einem großen Aufgebot vor ihrem Haus in der Mathildenstraße vorfand.

Der Schrecken wäre schon groß genug gewesen, wenn es sich nur um ihr Zuhause gehandelt hätte. Aber dort in der Mathildenstraße befand sich weit mehr als nur das. Für Astrid war diese Adresse längst zum Zentrum ihres außergewöhnlichen Unternehmens geworden, wo hochwertige Stoffe noch als Meterware lagerten, in dem neue Kreationen entstanden, wo die edelsten Dirndln nicht nur der aktuellen Kollektion in einem Showroom bewundert werden konnten.

Natürlich wurde Astrid von ihrer Sekretärin Sandra Würtz, gleich nachdem sie die Feuerwehr informiert hatte, angerufen. Insofern hatte ihre Chefin schon eine Ahnung, was sie erwarten würde. Aber gerade deswegen waren die letzten Kilometer auf der Autobahn vom Flughafen München nach Regensburg zum Martyrium geworden. Letztendlich hätte inzwischen das ganze Haus abgefackelt sein können. Wie in so einem Fall die eigene Fantasie Horrorszenarien hervorzuzaubern vermag, das kann sich eigentlich nur vorstellen, wer sich schon einmal in einer vergleichsweise ähnlichen Situation befunden hat.

»Sie können hier nicht durch!«, stoppte ein älterer Polizist Frau Söll, als sie gerade im Begriff war, unter der Absperrung zum Haus hindurchzuschlüpfen.

»Und ob ich das kann!«, blitzte Astrid den Beamten an.

»Ich wohne hier!«

Ich muss schon sagen, dass einer in Regensburg die Astrid sieht und nicht erkennt, wen er da vor sich hat, das ist schon fast peinlich. Ein regionales Magazin, in dem sie nicht auftaucht, kann nur eines sein, dessen Tage gezählt sind. Mag sein, irgendwo in den neuen Bundesländern ist ihr Bekanntheitsgrad nicht so flächendeckend. Aber selbst dort bestünde zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit.

Der ältere Polizist wollte energisch reagieren. Aber so, wie’s aussah, hat er mit einem Schlag seinen Fehler begriffen. Zum Glück, muss ich sagen, sonst hätte ich am Personengedächtnis der Regensburger Polizei ernsthaft zu zweifeln begonnen. Zumal dieser Beamte schon seit 30 Jahren seinen Dienst hier in dieser Stadt ableistete.

»Oh! Entschuldigung! Selbstverständlich Frau Söll! Der dunkelhaarige Herr dort drüben leitet den Einsatz. Wenden Sie sich an ihn!«, stotterte er verlegen, wurde gleichzeitig knallrot im Gesicht und hob eigenhändig das Absperrband hoch, um die Modeschöpferin durchzulassen.

Ohne ein Wort des Dankes – ihr Ärger war nicht wirklich verflogen – wandte sich Frau Söll dem Einsatzleiter zu. Der streckte ihr zur Begrüßung eine Hand hin und meinte:

»Hallo Frau Söll! Kein Grund zur Aufregung! Wir haben alles im Griff!«

»Sie sind gut! Hier brennt’s und Sie sehen keinen Grund zur Aufregung?«, lamentierte Frau Söll, wenig angetan von der verniedlichenden Darstellung.

»Halb so wild, wie’s aussieht! Wir mussten kein Feuer löschen. Die starke Rauchentwicklung stammte vermutlich von einer Rauchgranate!«, versuchte der Feuerwehrmann erneut sie zu beruhigen. Aber mit dem Wort ›Granate‹ wählte er – du wirst es dir schon denken – nicht das geeignete Wort, um Frau Sölls Sorgen zu zerstreuen.

»Rauchgranate?«, fragte sie kopfschüttelnd. Allein schon der Begriff verursachte ihr Magenschmerzen.

»Das ist nur so ein Fachterminus«, erwiderte der Einsatzleiter, dem schlagartig bewusst wurde, dass er mit ›Granate‹ die Situation etwas überspitzt dargestellt hatte. Genau das Gegenteil von dem, was er wollte. »Explodiert ist da nichts! So ein Teil erzeugt nur jede Menge Rauch.«

»Dann gab’s gar kein Feuer?«, fragte Frau Söll. Ein Hauch von Erleichterung schwang in ihrer Stimme mit.

»Leider doch! Aber beruhigen Sie sich! Größerer Schaden ist keiner entstanden. Irgendwer muss einen brennenden, mit Benzin getränkten Lappen in Ihre Einfahrt geworfen haben und dazu die Rauchbombe. Beides zusammen simulierte einen Brand, der uns auf den Plan rief!«

Astrid schüttelte verwirrt den Kopf.

»Aber warum?«, fragte sie.

»Sieht mir nach einem üblen Streich aus. Vielleicht auch eine Warnung! Aber das ist nicht mein Metier! Sehen Sie die Dame dort vor Ihrer Haustüre? Das ist Kommissarin Koch von der Kripo. Ist vielleicht besser, wenn Sie mit der weiterreden.«

»Kripo?«, fragte Frau Söll erstaunt, wartete jedoch seitens der Feuerwehr keine Antwort mehr ab und wandte sich stattdessen der Kommissarin Koch zu.

Vermutlich wunderst du dich jetzt, was die Koch von der Mordkommission in der Mathildenstraße zu suchen hatte, wo es doch dort gar keine Leiche gegeben hat.

Ganz ehrlich gesagt, das war reiner Zufall. Die Koch hatte ihren freien Tag und wollte den nutzen, einmal im Showroom bei der Astrid Söll vorbeizuschauen. Die Sekretärin von der Astrid, die Sandra Würtz, die ist eine alte Freundin von der Koch. Alles Weitere kannst du dir denken.

Damit hat die Kommissarin Koch natürlich jetzt auch gegenüber Frau Söll ihre Anwesenheit erklärt. Dass ihr Chef, der Köstlbacher, dass der wenige Tage später auch hier aufkreuzen würde, und zwar letztendlich doch noch im Zusammenhang mit einem Mord, das konnte zu dem Zeitpunkt freilich noch keiner wissen.

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