Читать книгу Heimwerken macht sexy - Paul Kavaliro - Страница 3
Heimwerken macht sexy
ОглавлениеMal ehrlich, hätten Sie sich mit 16 Jahren vorstellen können, dass Sie wenige Dekaden später den Zollstock schwingen und am Wochenende „Projekte“ angehen? Und nicht nur das – darüber hinaus sind Sie dankbar dafür, dass die Heimwerker-Latzhose aus dem letzten Sonderangebot unauffällig Ihren Bauchansatz verbirgt.
Gut, im Baumarkt Sachen auszusuchen – das klingt nach Spaß. Sie tun das gleich einem großen Kind, dem diese Kultstätte des Konsums der Ersatz für den Spielzeugladen der Kindheit ist. Auch leuchtet Ihnen ein, dass dem Erfolg eines selbst gebauten Möbelstücks oder eines renovierten Zimmers ein Zauber innewohnt. Dass Sie sich aber modisch derart erniedrigen und eine Latzhose anziehen? Niemals!
Doch das Beste ist: es ist Ihnen egal! Sie schätzen die Wirkung dieses Heimwerkeranzugs: seine vielen Taschen, die Hose rutscht nicht und sie gibt damit keine Erkältungs-empfindlichen Körperpartien Wind und Wetter preis. Das sind Ihre Prioritäten und über den modischen Zweifel sind Sie als Mann erhaben. Nun gut, nicht in den Augen Ihrer halbwüchsigen Kinder, die so etwas nie freiwillig anziehen würden. Aber damit können Sie leben. Denn: der Zweck heiligt die Mittel und Ihre Handwerkerkluft kleidet Sie 1A, während Sie an Ihren Projekten arbeiten. Und nur deren Erfolg zählt und lässt Sie in einem ganz besonderen Licht erstrahlen - in den Augen Ihrer Familie und insbesondere Ihrer Frau.
Hat der Mann ein größeres Bauprojekt erfolgreich zu Ende gebracht, so steht die Welt der Frau für einen Moment still: ihr nörgelnder Ideenreichtum, was Man(n) noch alles neben den üblichen Heldentaten des Alltags leisten könnte, versiegt für den Augenblick.
Und das Allerbeste kommt noch: Ihre Frau belohnt jedes erfolgreiche Bauwerk mit einem Augenaufschlag – na Sie wissen schon – einem, der mehr verspricht, etwa: „Komm du mir nur nach Hause. Das wird ein Vorspiel haben …“
Heimwerken wird damit zur bewussten Strategie geadelt, um die Ehe aufzupeppen: man hebt das eigene Ansehen bei seiner Frau und erhält so öfter Gelegenheiten, ihr mal ohne Latzhose zu begegnen …
Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn Ihre Frau wird generell ihre Einstellung zu den gängigen Typen von Männern überdenken und dabei insbesondere, durch welche Brille sie Männer betrachtet: was ist Fassade, was steckt dahinter? Wenn beispielsweise im Fernsehen ein Star auftritt, der sich im Hüftschwung zur Musik windet, so wird sich Ihre Frau nicht nur fragen, wie der den Hüftschwung hinkriegt. Sie wird außerdem rätseln, ob der Typ ihr genau so ein vollendetes Regal für ihren Krimskrams bauen könnte, wie Sie es ihr am vergangenen Wochenende hingestellt haben. Und wenn sie zu Ende gedacht hat, dann wird sie genau das dem Star nicht zutrauen.
1:0 für Sie als Mann, denn beim Wettbewerb zwischen dem Glamour-Kostüm im Fernsehen und der Latzhose zu Hause wird stets letztere den Sieg davontragen. Sie verhüllt den Waschbrettbauch genauso gut wie den Waschbärbauch. Stattdessen rückt sie die Unternehmungslust und das Geschick desjenigen in den Vordergrund, der sie trägt.
Auf dem Weg zu neuen Bedeutungshöhen kommt dem Heimwerken auch noch der folgende Trend zu Hilfe: vorbei ist die Zeit, in der die Do-It-Yourself-Heimgestaltung eine wesensfremde Arbeit für das schöne Geschlecht war. Vielmehr sprießen die Angebote für Heimwerkerkurse für Frauen bunt und zahlreich wie Blumen auf einer Frühlingswiese. Als Mann dabei abseits zu stehen und der Dame den Vortritt lassen – das ist eine zweifelhafte Strategie. Aktiv gestalten statt passiv den nächsten Ausbesserungsbedarf abzuwarten – das klingt viel besser. Und schon die Projekteinleitung bringt die Akteure zusammen: statt weiblich-geprägtem Boutiquen-Bummel, den der Mann entweder mit gequälter Miene oder gar nicht begleitet, gibt es den gemeinsamen betörenden Kaufrausch zur Materialbeschaffung im nächsten Baumarkt-Tempel.
Als positiver Nebeneffekt eröffnen sich im weiteren Projektverlauf Optionen für eine vorteilhafte Arbeitsteilung: Malerarbeiten sind Ihnen zum Beispiel zu öde? Dann stürzen Sie sich doch lieber auf die Erneuerung der wackeligen Deckentäfelung und die Wand nebenan streicht Ihre Frau. Zugeständnisse sind dabei inbegriffen, etwa bei der Farbwahl. Aber seien Sie ehrlich: selbst, wenn Sie die Wand selber streichen müssten, so wären Sie doch ebenfalls nicht der Herr der Farbbestimmung, stimmts? Das ist ein Entscheidungskonflikt, den der Mann nicht gewinnen kann, denn die weibliche Gestaltungskraft trägt stets den Sieg davon. Den Preis des Selbermalerns bezahlt die Dame des Hauses dafür gern. Es sei uns recht.
Und noch einen Vorteil nehmen wir gerne mit: durch die weibliche Projektmitwirkung wird automatisch der Aufwand illustriert, den das gemeine Heimwerken so mit sich bringt. An die Stelle einer lapidaren Wunschvorstellung à la „Man(n) müsste mal das Zimmer renovieren“ tritt: „Wir haben zwei Wochenenden lang geplant, einen Tag lang Farben ausgesucht und eingekauft, einen weiteren vorbereitet, vier Tage renoviert und danach einen Tag lang wieder eingeräumt“ – so funktioniert ein konkreter Projektrückblick!
Und wenn sich dann der nächste Renovierungswunsch im weiblichen Gehirn zusammenbraut, dann wird er im Lichte früherer Unternehmungen erscheinen. Die Durchleuchtung seiner Machbarkeit wird dabei automatisch ausgelöst und nicht erst, wenn wir als Hauptausbadender der Idee anfangen zu nörgeln. Da ist nichts mit psychologischen Spielchen wie zum Beispiel: „Krauses nebenan haben auch ihr Wohnzimmer erneuert, warum zierst du dich“? Da steht schwarz auf weiß: „Das Zimmer ist 10 Quadratmeter groß, es gibt drei Schränke ab- und wieder aufzubauen, wir können uns die Aufgaben in etwa folgendermaßen teilen …“ Eine solche konkrete Aufwandsabschätzung schubst das Wunschdenken aus dem Raum. Beteiligung in allen Phasen der Ausführung des Projektes und nicht nur bei der geistigen Vorwegnahme – so arbeiten Trends für uns!
Und am Ende der Unternehmung resümieren beide Akteure stolz: „Das haben wir uns gemeinsam vorgenommen und das haben wir gemeinsam geschafft!“ Eine solche Aussage speichert unermesslich viel Kraft: zum einen beschert es uns das reiche Glücksgefühl, selbstgesteckte Ziele zu erreichen. Zum anderen ist der Kitt für unseren Zusammenhalt. Wir sparen Kraft und Glücksgefühl in guten Zeiten an, dann hilft uns unser Guthaben später über manche zwischenmenschliche Stimmungsdelle hinweg, die ab und zu vorkommen soll.
Auch IKEA und Co. haben die Vorzüge der Zusammenarbeit der Geschlechter verinnerlicht: so gibt es Möbelaufbauanleitungen mit einem Symbol, in dem ein einzelner Mann durchgestrichen ist. Mit anderen Worten: Einzelkämpfer war gestern. Wie es heute geht, zeigt das Symbol daneben: mit einem Mann und einer Frau.
Darin liegen gleich zwei tiefe Weisheiten. Zum einen bekommt einer alleine so einen Aufbau nicht hin, ohne dass nicht festgehaltene Möbelplatten beim Zusammensetzen zu unpassenden Zeitpunkten umfallen. Sie tun das unter dem nervenzerfetzenden Geräusch zerbrechender Holzdübel und hinterlassen hässliche Kratzer. Das ganze Möbelstück ist ruiniert. Da gibt es kein Verstecken - die Dame des Hauses wird ein solches Malheur mit Kennerblick entlarven. Also bindet man sie lieber gleich ein.
Das ist auch aufgrund der zweiten Weisheit eine gute Strategie: sollen zwei Männer den Aufbau ausführen, so verlieren sie zu viel Zeit damit, sich die richtige Aufbaustrategie zurechtzulegen. Und sie hören erst dann damit auf, wenn Perfektion in Sicht ist. Bis dahin ist die auf der Aufbauanleitung angegebene Dauer des Aufbauakts schon lange verstrichen. Noch ein Hindernis: sie können während der Findung einer tauglichen Herangehensweise in Streit geraten. Mann und Frau werden hingegen immer daran arbeiten, dass der Haussegen wegen einer an sich spaßbetonten Arbeit der Errichtung eines neuen Einrichtungsstücks nicht in Schieflage gerät. Das gemeinsame Leben setzt sich schließlich nach dem Möbelzusammenbau fort.
In gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften funktioniert der kollektive Möbelbau natürlich mindestens genauso gut und das werden auch die Symbolerschaffer in den Aufbauanleitungen nicht leugnen. Sie haben lediglich ein Beispiel für ein Paar gezeichnet.
Bei dem, was wir uns an Projekten vornehmen, können wir unserer Fantasie freien Lauf lassen. Die Welt des Heimwerkens steckt voller Möglichkeiten, die entdeckt und erobert werden wollen. Wir entwickeln damit unsere Umgebung weiter und wir bringen mit etwas Glück und Geschick uns selbst und unsere Beziehung voran.
Angst vor der eigenen Courage? Man muss ja nicht gleich nach der größtmöglichen Unternehmung trachten, bei der man Gefahr läuft, sich zu verheben. Man fängt vielmehr mit einer kleinen, überschaubaren Verbesserung an. Zum Beispiel: man entflieht dem Geist der Zeit und der allgegegenwärtigen Wegwerfkultur und repariert etwas. In jedem Haushalt gibt es mindestens ein Sache, sei es Gerät oder Möbelstück, die nur noch so halb funktioniert und über die man sich jedes Mal ärgert, wenn sie einem in die Quere kommt. Loten Sie den Kreis des für Sie Machbaren aus und welche gute Tat die richtige Größe hat, dass sie in diesen Kreis hineinpasst. Der Lohn einer Reparatur ist vielfältig: die gestern noch ärgerliche fehlerbehaftete Funktion ist abgestellt und darüber freuen Sie sich jedes Mal, wenn Sie oder Ihre Familie sie fehlerfrei benutzen. Zweitens haben Sie das Geld für die Ersetzung gegen etwas Neues gespart, zumindest für den Moment. Drittens tun Sie der Umwelt einen Gefallen, indem Sie etwas vor dem Wegwerfen oder der Ausmusterung bewahrt haben. Und viertens sieht Ihre Frau: der Mann unternimmt etwas und lässt mich nicht in diesem Fehlfunktions-Unglück zurück. Der packt an!
Mit der Zeit steigt das Selbstvertrauen und die Souveränität, mit der wir Projekte angehen. Fehler passieren dabei auch, aber der Frust wird oft durch den Lerneffekt ausgeglichen. Und mit der Zeit vergrößert sich der Kreis des Machbaren. Man(n) wächst mit seinen Aufgaben.
Heimwerken ist harte Arbeit und süße Versuchung zugleich. Der eigene Ehrgeiz und/oder der der Frau treiben uns dabei an und wir stecken uns stetig neue Ziele. Doch bei allem ansteckenden Elan: den Zimmermannshammer oder den Malerpinsel schwingen ist nichts, was einen so sehr ausfüllt, dass man es in jeder Minute seiner Freizeit machen will. Irgendwann ist jeder Wohnraum zugestellt und jede Wand gestrichen. Und was, staubige Hobbyräume sind Ihnen sowieso ein zu hoher Preis? Und Kreissägen sind zu laut und nötigen Ihnen zu viel Respekt ab, sodass Sie ihnen lieber nicht zu nahe kommen? Sie stehen stattdessen eher auf frische Luft? Dann lernen Sie doch einfach im nächsten Kapitel den Zwillingsbruder des Heimwerkens kennen.