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Ackerbau 2.0
ОглавлениеEin schöner Garten umgibt ein Haus wie ein elegantes Kleid. Ich schreibe bewusst „schön“ und nicht „gepflegt“, denn letzteres klingt nach genau dem falschem Ehrgeiz, der den Gärtner im Laubenland ohne Rücksicht auf Verluste nach dem Grand Prix der Schrebergartenkolonie streben lässt und ihm schlaflose Nächte ob der Konkurrenz in der Nachbarparzelle beschert.
Gestalterisches Geltungsbedürfnis ist nicht unser Ding. Doch auch so bleibt ein schöner Garten niemandem verborgen: weder Ihrer Frau, noch Ihren Nachbarn oder Gästen. Und da Radieschen oder Rosen für das weibliche Geschlecht ohnehin interessanter sind als Holzleim und Schrauben, können Sie noch besser als beim Heimwerken auf gemeinsame Gartenprojekte setzen. Das Ziel schweißt das Mini-Kollektiv zusammen. Erobern Sie Ihre eigene grüne Welt!
Und auch Ihren Kindern liegt das Erobern im Blut – die können Sie also gleich mit einbeziehen (wenn Alter und Interesse passen), um das Familienerlebnis zu komplettieren. Kinder buddeln gern in der Erde, denn das fühlt sich viel echter an als das ewige im-Sand-Spielen früher, als sie noch klein waren. Und sie bringen eifrig die beim Umgraben mit dem Spaten am Tageslicht gestrandeten Regenwürmer in Sicherheit, denn die Sprösslinge sind stets für den Tier- und den Umweltschutz zu begeistern. Überhaupt ist die Gartenarbeit ein gutes Betätigungsfeld für Kinder, denn jede neu eingesetzte oder ausgesäte Pflanze macht die Welt ein Stück besser und bringt die jugendlichen Enthusiasten einen Schritt näher an den Rang eines Naturschützers. Ihre jungen Helfer werden sehr stolz auf ihr Werk sein.
Dass Ihre Frau dabei auch an Wochenenden Gartenarbeit ausruft, an denen Ihr Sinn mehr auf Ausruhen steht, ist auf der anderen Seite der Preis, den Sie zahlen. Obendrauf kommen noch die gestalterischen Ideen Ihrer besseren Hälfte. Auf Schönheit ausgerichtet, kosten diese mehr als Ihre eigenen, an Funktion orientierten Vorstellungen. Doch wer kann dazu schon Nein sagen? Wir nicht, denn wir wollen ja das Mini-Kollektiv nicht in zwei Individualgärtner aufspalten.
Auf der Plus-Seite belohnt uns die Gärtnerei mit etwas Ursprünglichem: sie ist eine Rückkehr zu den Wurzeln – nicht nur zu denen von Unkraut und Radieschen, sondern auch zu denen der Vorfahren, die sich durch Ackerbau in die Zivilisation erhoben. Mit einem Unterschied: war Feldarbeit früher harter Broterwerb, so ist Gartenarbeit heute der entspannende Ausgleich für den harten Broterwerb. Man kommt zur Ruhe und schlägt den Pfad zu anderen Gedanken ein. Dabei legt man den grauen schweren Mantel des Alltags ab. Stattdessen schwelgt man in den Farben, mit denen uns die Blüten entgegen strahlen, und lässt seinen Blick wie ein Feldherr über das Heer aus Blumen und Büschen streifen, die uns in der sanften Brise zuflüstern: „Du bist unser Gärtner! Du und kein anderer!“
Und, wie eingangs gesagt, bleibt die Wirkung von Dahlie und Gerbera nicht bei Ihnen stehen: so wie Blumen durch Duftstoffe Insekten anlocken, so lädt Ihr Minipark vorbeiziehende Spaziergänger zum Verweilen und zum kurzen Plausch über den Gartenzaun hinweg ein. Manchem ist das lästig und er umgeht es mit erkennbarer Geschäftigkeit. Für den anderen ist es die Gelegenheit, um Leute kennen zu lernen oder nachbarschaftliche Beziehungen aufzufrischen.
Doch der Garten verteilt nicht nur Einladungskarten zum Arbeiten oder zur Besichtigung, sondern auch zum Ausruhen: auf dem bequemen Gartenstuhl und mit Sonnenbrille bewaffnet lässt sich ein warmer Nachmittag vortrefflich genießen. Wer es lebhafter mag: die grüne Oase ist auch die ideale Bühne für einen Treff mit Freunden, zum Grillen oder einfach so. Und später, wenn sich Gäste und Alltagssorgen getrollt haben und wenn beim Übergang vom Tag zur Nacht die Ruhe einkehrt, gibt es kaum einen Ort mit einer schöneren Abendstille.
Man schafft sich ein 1A Rückzugsgebiet, in dem man Abstand von der Hektik nimmt und die Seelenbalance zurückerobert. Muss es dafür unbedingt ein großer Garten sein? Nein, das klappt in Balkonien sicher auch – in einer kleinen Umgebung mit ihrem eigenen, feinen, persönlich gestalteten Charakter. Man lässt den Gedanken die lange Leine und die Fantasie füllt die Lücken zur Gartenlandschaft schon auf. Vielleicht ist man sogar froh, wenn man nur einen überschaubaren Ausschnitt aus der Natur bewirtschaftet.
In seiner Vielseitigkeit und Ausstrahlung ist so ein Garten, ein Gartenanteil oder ein Balkon den meisten Heimwerkerprojekten überlegen. Aber warum das überhaupt gegeneinander aufrechnen? Vielmehr bietet der Garten auch eine Bühne für kleinere oder größere Werkeleien: die Sitzecke neben dem Rankgitter oder – eine Nummer größer – die Gartenlaube oder gar das Baumhaus für die Kinder. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Und bei allem Ehrgeiz bleiben wir im grünen Bereich (siehe Kapitelanfang) und streben nicht danach, der König der Gartenkolonie zu werden. Wir haben einfach nur unseren Spaß.
Fazit: Heimwerker und Gärtner schaffen deutlich erkennbare Werte. Darin liegt viel Belohnung für uns selbst und Wirkung auf andere. Unsere Resultate sind unser Aushängeschild. Und wir blicken mit Zufriedenheit auf sie. Und die Zufriedenheit, etwas geschaffen zu haben, das bis vor kurzem nur in unserer Vorstellung existierte, nährt unser Selbstvertrauen und unsere Gelassenheit.
Das klingt selbstverständlich, oder? Ja, in unserem Alter vielleicht. Aber noch nicht jeder ist bei der Gelassenheit angekommen. Dabei ist sie eine unterschätzte Tugend und überaus wertvoll. Schauen wir doch im nachfolgenden Kapitel genauer hin.