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Gelassen sein
ОглавлениеÜberall lauern Gelegenheiten, in denen man sich beweisen kann. Für einen Heranwachsenden ist das eine Selbstverständlichkeit, denn er sucht ja gerade seinen Weg und muss in Schule, Lehre, Studium ständig „liefern“. Wird er mit einer Herausforderung konfrontiert, dann kann er kaum ausweichen; er muss antworten, dagegenhalten, sich bestätigen.
Im erfahrenen Lebensalter und mit genug Nachweisen der Tauglichkeit in der Tasche lässt dieser Druck nach und man kann wählerischer mit all den Gelegenheiten umgehen, sich zu beweisen. Nur haben wir das schon bemerkt oder gar verinnerlicht?
Nehmen wir zum Beispiel den Herrn, der da gerade hinter Ihnen auf der Autobahn-Überholspur heranprescht. Es geht ihm nicht schnell genug. Aber wozu hat man eine Lichthupe? Schon erglüht Ihr Genick im gleißenden Xenon-Licht der Sonderausstattung des Autos hinter Ihnen.
Und was ist das? – Es ist egal! Klar verlassen Sie nach fahrerisch souverän abgeschlossenem Überholvorgang die Spur und bringen sich und die Insassen Ihres Wagens in Sicherheit vor dem Arroganzling. Natürlich fährt er in seinen Augen das bessere Auto und somit hat er auch automatisch das Recht, es Ihnen so richtig zu zeigen.
Oh, und bestimmt hat er sich über Sie geärgert. Aber genau das ist schon Ihr Sieg in dieser Begegnung und der Balsam für Ihren Gerechtigkeitssinn: Ärgern macht hässlich und dieser Mensch ist soeben wieder um mindestens eine Falte reicher geworden. Er spürt den Druck immer noch, wie damals als Heranwachsender. Er gibt maximalen Einsatz für einen minimalen Zeitgewinn, der schon am nächsten Stau verpufft. Sie hingegen pflegen Ihre Gelassenheit und lassen ihn ziehen. Er wird sich bis zu seinem Ziel mindestens noch dreimal ärgern. Ob er zu Hause schon so hässlich ist, dass ihn die Nachbarn nicht mehr erkennen?
Währenddessen gleiten Sie dahin – in aller Gelassenheit. Sie ist die kleine Schwester der Weisheit. Das ist ein angenehmer Gedanke, stimmts?
Und als besonnener und überdies kluger Zeitgenosse wissen Sie ohnehin, dass Sie nicht ohne triftigen Grund Ihren Zorn über einen anderen Verkehrsteilnehmer ausgießen, selbst dann, wenn Sie es mal sehr eilig haben – sie oder er könnten schließlich unser nächster Chef, ein neuer Nachbar oder gar die Krankenschwester, der Chirurg oder der Rettungssanitäter sein, die Sie im Moment nicht als solche erkennen können, weil sie Ihnen als normale Bürger gegenüberstehen. Wenn letztere aber im Dienst sind und sich um uns kümmern, dann machen sie allen Unterschied der Welt für uns aus. Und wir stünden vor einer überaus unangenehmen Situation, wenn wir sie oder ihn unter dem schlechten Gewissen unserer ersten Begegnung wiedererkennen – oder noch viel schlimmer: nicht wiedererkennen, sondern nur selbst wiedererkannt werden. Was für ein Glück, dass uns das nicht passiert, weil wir ja besonnen sind!
Doch werden wir immer gelassen sein, wenn uns jemand ärgert, angreift, verletzt? Nein, wir werden Grenzen ziehen. Und unsere Entschlossenheit wird uns dabei leiten. Und nachdem man die schwere Jacke der Entschlossenheit in den richtigen Momenten getragen hat, dann kann man sie zur Seite legen und wieder in die bequeme Weste der Gelassenheit schlüpfen. Die gibt es nicht in jedem Haushalt; der Trottel mit der Lichthupe hinter Ihnen hat beispielsweise keine. Was für eine arme Sau!