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II. Erprobung und Ausfahrt

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Nun kam eine seltsame und wunderbare Zeit, Tag für Tag ging es hinaus in die Buchten, hinab in die Tiefe. Wir übten bei jedem Wetter und bei jeder Gelegenheit. Jeder Mann der auserwählten Besatzung war sich bewusst, welche Aufgabe wir hatten.

Es galt, die Fähigkeit zu erwerben, das feinste und komplizierteste Fahrzeug zu lenken, das letzte Erzeugnis raffinierter und kühner Berechnungen; es galt, das ausgeklügeltste Wunderwerk moderner Schiffbaukunst, ein Unterseeboot, kennen und beherrschen zu lernen. Wir mussten imstande sein, der schweren Masse von nahezu zweitausend Tonnen unseren Willen aufzuzwingen, dass sie dem geringsten Druck der Ruder gehorchte, dass sie drehte und manövrierte wie ein Torpedoboot, dass sie im Wasser stieg und sank wie ein Lenkballon in der Luft.

Es galt, die Zuverlässigkeit des ungefügen Stahlkörpers zu erforschen, die Wucht und die Lenksamkeit seiner gewaltigen Maschinen zu erproben, seinen Unvollkommenheiten oder Tücken auf die Spur zu kommen, ihm die Geheimnisse seiner Beweglichkeit und seiner phantastischen Fischnatur zu entlocken.

Ein Unterseeboot ist launisch wie eine Frau und verletzlich wie ein Rennpferd; es ist bieder wie ein Trampdampfer und zuverlässig wie ein Schlepper; es kann gute Eigenschaften haben und —— nicht gute; es kann lenkbar sein wie eine Rennyacht und bocken wie ein Karrengaul, und es gehorcht nur dem, der es bis in seine letzten technischen Einzelheiten kennt.

So trieben wir uns wochenlang draußen auf dem und unter dem Wasser herum, studierten unser Boot, suchten uns mit all seinen Möglichkeiten vertraut zu machen und in die Eigenart dieses nautischen Amphibiums einzudringen.

Und wenn wir dann aus der Stille der Buchten zurückgekehrt waren in den schmetternden Lärm der Niethämmer und in das rastlose Dröhnen der Werft, dann saßen wir stundenlang mit den Konstrukteuren zusammen und tauschten Erfahrungen aus. Aus der erprobten Wirklichkeit ergab sich so manche Anregung und Unterlage für neue Pläne und neues Schaffen.

Ich kann kaum hoch genug schätzen, wie viel ich dem Zusammenarbeiten mit den Herren der Werft verdanke. Unermüdlich waren sie uns behilflich, das wunderbare Erzeugnis ihrer geistigen Arbeit auf all seine Eigenheiten zu erproben, und noch am Tage unserer Abfahrt war der geniale Konstrukteur des Bootes, Oberingenieur Erbach, nach unserem Ankerplatz hinausgefahren, um einen letzten Tauchversuch mitzumachen.

So war der Tag der Abfahrt herangekommen.

„U-Deutschland“ war beladen worden, die wertvolle Ladung lag wohlverstaut in den Räumen, das ganze Boot war noch einmal überholt und in sorgfältigsten Trimm gebracht worden. Wir fassten Proviant für die lange Reise, und zuletzt kamen noch Zigarren und — Grammophonplatten an Bord.

Damit waren für uns alle möglichen Genüsse sicher gestellt, und „U-Deutschland“ war fahrbereit.

Auch wir waren bereit. Das Abschiednehmen von allen Lieben in der Heimat lag Gott sei Dank hinter uns; es ist bei solch einer Fahrt ins Ungewisse immer ein böser Augenblick, der am besten rasch überwunden wird. Als letzte schütteln uns die Männer der Germania-Werft die Hand. Dann wird der Laufsteg eingezogen, ich lasse die Mannschaft auf ihre Stationen treten und steige auf den Turm. Der Schlepper liegt schon neben uns und nimmt die Trosse über; ich rufe in die Zentrale „Achtung!“ und hebe die Hand:

Der große Augenblick ist da.

„Los die Achterleinen!“—

„Sind los!“

„‚Charlotte’ abschleppen!“—

Der Maschinentelegraph auf dem dicken kleinen Schlepper klingelt, das stämmige Fahrzeug strammt die Trosse und zieht langsam das Heck unserer „Deutschland“ von ihrem Liegeplatz an der Werft.

„Los die Bugleinen!“—

„Sind los!“

Und klatschend sausen die letzten Haltetaue von der Piermauer in das schmutzige aufgewühlte Hafenwasser.

Jetzt kommen wir dran. Ich nehme den Sprachschlauch nach der Zentrale: „Backbordmaschine halbe Kraft zurück!“

„Steuerbordmaschine langsam voraus!“

„Ruder zwanzig steuerbord!“—

„Ruder liegt zwanzig steuerbord!“

Auch die Antworten aus dem Maschinenraum kommen prompt herauf.

Auf dem Turm, wo ich neben dem Rudergänger vor seinem kleinen Handrad stehe, merkt man kaum das Angehen der E.-Motoren.


PAUL KÖNIG

Nach einer vor dem Krieg in Bremen hergestellten Fotografie



Die „Deutschland” in der Chesapeake Bai auf der Fahrt nach Baltimore

Nur an dem Schraubenwasser, das wirbelnd und schmutzig an Backbord um den runden Leib der „Deutschland“ aufquillt, an Steuerbord schnell achteraus getrieben wird, erkenne ich, dass die Maschinen in Gang sind. Langsam dreht sich der große grüne Walfischrücken, liegt erst quer zum Fahrwasser, geht nach Backbord etwas vorwärts, bleibt liegen und schiebt sich mit Schlepperhilfe noch einmal über Steuerbord nach achtern.

„Beide Maschinen Stopp!“

Langsam geht das Boot noch etwas rückwärts, in der Wucht des Zurückgleitens an der Schlepptrosse zerrend, wie ein schweres Urweltungeheuer. Ein rascher Blick vom Turm auf Fahrwasser und Piermauer: Wir haben genug Manövrieraum. Ich lasse die Schlepptrosse loswerfen und beide Maschinen zunächst halbe Fahrt mit Backbordruder vorausgehen; wir drehen noch, kommen von der Werftmauer, wo ein großes graues Frontboot seine letzte Ausrüstung erhält, gut klar, dann lasse ich das Ruder mittschiffs legen und befehle, beide Maschinen „äußerste Kraft voraus.“ Das Achterschiff beginnt in rhythmischen Vibrationen unter dem vermehrten Maschinendruck zu erzittern, schaumig flutet das Schraubenwasser ab, wir kommen in Fahrt, und immer schneller schiebt sich die „Deutschland“ durch das schmutzige Hafenwasser hin aus der Bucht. Die Fahrt geht zunächst durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal zur Weser, wo die Ladung komplettiert wird. Die Schiffspapiere und Kurierpost bringen die Herren der Reederei mit einem besonderen Schlepper an Bord, und ohne jedes Aufheben, still und ohne der Welt bekannt zu werden, tritt die „Deutschland,“ das erste Handels-Tauchschiff der Welt, für das es keine Blockade gibt, seine denkwürdige Heise an nach Amerika zu, hinaus auf die hohe See, der Freiheit der Meere zu.

Die Fahrt der Deutschland

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